Kultur-Jahr 2011: Lebendigkeit und Diskussionsbedarf

30.12.2011, 00:00 Uhr
Kultur-Jahr 2011: Lebendigkeit und Diskussionsbedarf

© Figurentheaterfestival

Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima hat sich in Erlangen die Initiative „Poesie ohne Uranstaub“ gebildet und gegen das Engagement des Energie-Konzerns „Areva“ als Hauptsponsor des Poetenfests mobil gemacht. Die Veranstalter des Literaturtreffs reagieren und ermöglichen während des Treffs der Literaten rund um den Schlossgarten die Diskussion zu diesem großen Thema. Schließlich sind in den vergangenen Jahren — nicht zuletzt auf Grund der leeren öffentlichen Kassen — von den Volksvertretern abgesegnete und zum Teil bejubelte Abhängigkeiten entstanden. Doch diese Unterstützungen können aus unterschiedlichsten Gründen zum Problem werden. Nicht nur moralisch. Es gibt bundesweit genügend Beispiele von Sponsoren, die aus finanziellen, aber auch politischen Gründen von heute auf morgen den Geldhahn zudrehten. Und was dann?

Auch jenseits der Sponsoren-Debatte präsentiert sich das Poetenfest äußerst politisch: Dafür sorgt neben vielen Gesprächspodien zu aktuellen Themen vor allem der Auftritt des chinesischen Dissidenten Liao Yiwu.

Kultur-Jahr 2011: Lebendigkeit und Diskussionsbedarf

© Bernd Böhner

Nochmal das Thema Kultursponsoring: Erst im Februar kann das bereits vom Stadtrat zu Grabe getragene Figurentheaterfestival durch eine einmalige Extra-Spende der Firma Siemens in Höhe von 200000 Euro gerettet werden. Über 10000 Besucher erleben allein in Erlangen viele der Höhepunkte der 17. Auflage des Großraumfestivals. Dabei gibt es magische Momente zu bestaunen, beispielsweise in „Voyageurs Immobiles/Bewegungslose Reisende“ des französischen Altmeisters Philippe Genty und seiner wunderbaren Compagnie. Aber auch starken Kunst-Tobak wie bei der „Kindertotenlieder“-Inszenierung von Gisèle Vienne.

Kultur-Jahr 2011: Lebendigkeit und Diskussionsbedarf

© Windhorst

Ein weiteres Großraum-Kulturprojekt nennt sich „Made in“. Hier wird die „Kreativlandschaft“ ausgelotet. Tja, was so genau damit gemeint ist, wissen Normalsterbliche nach den zahlreichen Aktionen wohl immer noch nicht. Doch zumindest der Isi-Kunath-Container auf dem Schlossplatz oder der Startschuss für einen Erlanger Kreativ-Atlas am Hugenottenplatz sorgt für Lichtblicke. Schade, dass von der gerade bei diesem Projekt oft zitierten Nachhaltigkeit bislang wenig zu spüren ist.

Wie Nachhaltigkeit funktioniert, zeigen die vielen Jubiläen, die es im Jahr 2011 zu feiern gibt. Die Kantorei St. Matthäus blickt auf ihre 50-jährige Geschichte zurück. Das Splatterfilm-Festival „Weekend of Fear“ erlebt die 15. Auflage, die Jugendkunstschule wird 25 Jahre alt, der Musik-Keller „Strohalm“ 20 Jahre. Bitter hingegen, dass den StummFilmMusikTagen nach der 15. Auflage in Erlangen im kommenden Jahr der Umzug nach Nürnberg bevorsteht.

Nicht nur seine Freunde, sondern auch viele Fans, lassen Kult-Schauspieler Winni Wittkopp zum 60. Geburtstag Hochleben. Zu sehen ist Erlangens Volksschauspieler Nummer eins auch in dem kleinen, feinen Live-Hörspiel „Spiel mir das Lied vom Tod“, das bei den Bayerischen Theatertagen mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wird. Ohnehin trotzt das Theater Erlangen derzeit erfolgreich den widrigen Umständen. Immer noch gleicht das Markgrafentheater einer Baustelle. Dennoch verliert das Ensemble nicht den Kontakt zum Publikum. Intendantin Katja Ott bemüht sich weiterhin um die Vernetzung ihres Theaters in der Stadt. Bei der „Mutwerk“-Produktion ist dies etwa durch viele Kooperationspartner bestens gelungen.

Zu Ende geht im Oktober die Ära Habib Bektas als Theatercafé-Patron. Nach 22 Jahren übergibt der Schriftsteller die Leitung dieses Kulturtreffs an Kamal Hadi-Leitner, der das Café in Bektas’ Sinne weiterführt.

Für Aufsehen in der Literatur-Szene sorgt die Erlangerin Natasa Dragnic. Ihr bereits jetzt in viele Sprachen übersetzter Debütroman „Jeden Tag, jede Stunde“ erzählt auf sehr poetische Art die Geschichte einer großen Liebe. Von seiner Beziehung zu einem Weltkonzern plaudert Heinrich von Pierer in seiner Autobiographie „Gipfel-Stürme“, die ebenfalls auch jenseits der Hugenottenstadt die Regale der Buchhandlungen erobert.

Die Musik-Szene erlebt durch die knapp 40 neuen „Kraft-Werk“-Proberäume im Ex-Franken-II–Bürokomplex einen lang ersehnten Auftrieb. Wohin in Erlangen gestartete Karrieren führen können, machte „J.B.O.“ vor. Mit ihrem „Killeralbum“ landet die Hardrock-Spaßtruppe auf Platz drei der deutschen Charts. Tolle Pop-Konzerte präsentiert das E-Werk, und in der Ladeshalle können die Altmeister von „Status Quo“ und Austropop-Legende Wolfgang Ambros bestaunt werden. Die GVE-Reihe lockt Klassik-Stars wie die bezaubernde Pianistin Lise de la Salle nach Erlangen.

Kunstpalais, Kunstmuseum, Stadtmuseum und Kunstverein sorgen für spannende Ausstellungen. Eins wird in der Rückschau schnell deutlich: Die Erlanger Kulturlandschaft ist lebendig wie eh und je.

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