Labsal für Ohren und Seelen

26.10.2020, 18:58 Uhr

Mit einem Sonatenabend für Violine und Klavier eröffnete das Erlanger Musikinstitut die neue Konzertsaison – Corona geschuldet in zwei Schichten. Wir besprechen hier die erste Schicht, die, das wollen wir gleich vorausschicken, eine einzige Labsal für ausgehungerte Zuhörer-Ohren und -Seelen wurde.

Zu Gast waren mit Anna Sophie Dauenhauer (Violine), Trägerin zahlreicher internationaler Auszeichnungen mit für ihr Alter erstaunlichen Engagements bei Orchestern der Weltklasse, und Lukas Maria Kuen am Flügel zwei Musiker, die seit Jahren als Duo-Partner auftreten. Ihr neues Programm heißt "Heimat", was bei Lukas Maria Kuen, dem gebürtigen Erlanger und Kulturpreisträger der Stadt, eine zusätzliche Bedeutung erhielt.

Gabriel Fauré erzielte mit seiner Violinsonate in A-Dur op. 13 den Karrieredurchbruch in Paris, was bei der französischen Eleganz, die jeden Ton veredelt, nicht weiter Wunder nimmt. Violine und Klavier werden technisch stark gefordert, aber nicht um zu brillieren, sondern um die unterschiedlichsten Klangfarben zum Leuchten zu bringen. Kuen trägt die Violine auf Händen, bereitet dramatische Steigerungen vor und leitet zurück in die Ruhe, während Dauenhauer die unzähligen Doppelgriffe bis in die höchsten Lagen singen lässt. Edle Glut glimmt auch im Andante, einem Traum, assoziativ klingend, dennoch gemeinsam erlebt. Der letzte Satz wirkt eher wie ein glitzerndes Klavierkonzert, das die leidenschaftlichen Melodielinien der Geige mit reichen Arpeggien umrankt.

Noch eine Nuance süßer klingt die Violine bei den ausgewählten "Zigeunermelodien" op. 55 von Antonin Dvořák. Hier ist das musikalische Blut etwas dicker, dunkelrot, das Kaffeehaus rückt ganz nah beim Lied "als die alte Mutter", ja, Dauenhauer und Kuen gönnen sich ein bisschen Schmalz, aber perfekt dosiert. Und das überbordende Temperament im abschließenden Furiant neutralisiert wie scharfes Paprikagewürz.

Begeisternder Höhepunkt des Abends wurde dann die Violinsonate nr. 2 f-moll, op.6 des viel zu selten gespielten rumänischen Komponisten George Enescu. Was ist das für eine Musik! Dargeboten von Dauenhauer und Kuen wurde sie zum Fest: Da klingt ein 9/4-Takt plausibel, da werden faszinierende Klangfarben gemischt, da werden fesselnde Geschichten erzählt und orchestrale Volumina erreicht. Und auch selbstvergessene Innigkeit, versunkenes Trällern und leises Vor-sich-hin-Summen und magisches Pianissimo sind zu erleben.

Ganz kurz "Vif" hat Enescu den dritten Satz genannt, bei dem explosive Lebenslust jeden im Saal einfach mitreißt. Ein nie versiegender Ideenreichtum, immer am Rande der Unspielbarkeit, ergießt sich über die Zuhörer, die sich, im Innersten aufgekratzt, mit begeistertem Applaus noch ein Liebeslied von Antonin Dvořák erklatschten.

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