Mit Bauchgefühl zum Lacheffekt

4.3.2020, 11:00 Uhr
Mit Bauchgefühl zum Lacheffekt

© H. Rohmer-Kreller

Was stellt der Freund der Klassikbühne, mit Schiller und Shakespeare über den Gipfeln des Olymps schreitend, sich unter den Niederungen des Boulevard-Theaters vor? Ein zerstrittenes Pärchen im Luxuskabinett, viele Türen zum Zuknallen, dazu eine breite Couch sowie einen bauchigen Kleiderschrank, der ein halbes Dutzend Kavaliere (und Kavalieschen) fasst, die sich im Laufe des Stückes darin verstecken.

"Nein", schüttelt Thomas Rohmer (47), der Chef der "Theatergastspiele Fürth", den Kopf, "so klappt Boulevard-Theater nicht! Damit es funktioniert, muss man die Geschichten und die Figuren ernst nehmen, die Leute auf der Straße beobachten und seine Eindrücke in das Stück einarbeiten. Vor allem muss man sich fragen: Was bringt denn mich persönlich zum Lachen? Und da lasse ich mich ganz von meinem Bauchgefühl leiten."

Zum Theaterfan wurde Thomas Rohmer Mitte der Achtziger Jahre, als eine Klassenkameradin in einem Musical auftrat. Fortan kostete der Schüler seine Schulplatzmiete im Fürther Stadttheater weidlich aus. Nach dem Abitur drängten seine Eltern auf etwas Solides. "Ich habe also Steuerfachgehilfe und Bilanzbuchhalter gelernt", seufzt der Theatermacher. "Als solcher habe ich beim Möbel Fischer gearbeitet und nebenher seit 1991 Theater gespielt und inszeniert. Bilanzen waren nicht meine Welt, und pro Jahr habe ich vielleicht fünf Vorstellungen auf die Beine gehievt." Mit Ende Dreißig warf Rohmer den sicheren Job hin und stürzte sich ins kalte Wasser, obwohl damals schon die ersten Tourneetheater aufgaben. Die Eltern waren entsetzt, nur Oma hat zu ihm gehalten: "Wenn’s der Bub jetzt nicht macht, dann macht er’s nimmer."

Und Oma sollte Recht behalten! Als Thomas Rohmer sich ins Tourneetheater stürzte, hatte er bereits einen Grundstamm an patenten Schauspielern beisammen. Und: "Mein alter Beruf kam mir sehr zustatten", grinst Rohmer. "Buchhaltung, Vertragswesen, Kalkulation und Management mache ganz allein ich." Und noch mehr: Außer als Manager, Regisseur, Bühnenbildner und Schauspieler betätigt sich Rohmer zudem als "Kummerkasten" und "Raubtierdompteur". Die meisten Schauspieler seien sehr nett und professionell, versichert der Spielleiter, aber ab und zu gebe es Akteure mit menschlichen Defiziten oder Ausfallerscheinungen. Von einigen Mimen habe man sich vorzeitig trennen müssen.

Pro Jahr acht Stücke

Heute gehören die "Theatergastspiele Fürth" zu den drei meistgefragten Tourneetheatern in Deutschland. Pro Jahr acht Stücke mit rund 200 Vorstellungen sind normal. Zurzeit probt Rohmer einen Krimi für zwei Personen mit dem Titel "Ein Deal nach Hitchcock", mit Julian Schneider und Patrick Dollmann. Das nennt man einen Besetzungscoup: Schneider und Dollmann sind nämlich die Kontrahenten in der TV-Serie "Sturm der Liebe". Der Spielplan steht bereits bis zum Jahr 2024. Die "Theatergastspiele Fürth" bespielen ganz Deutschland, Österreich, die Schweiz und sogar Luxemburg und Südtirol. "In Hamburg sind wir bekannter und beliebter als hier in der Gegend", wundert sich Thomas Rohmer. "Hier treten wir nur in Fürth, Baiersdorf und Röthenbach bei Lauf auf."

Und jetzt klopfte auch noch der Film an. Voriges Jahr gab Rohmer sein Debüt in dem Streifen "Lotti oder Bleicherode" als fränkischer Pornoproduzent. In der Komödie kehrt eine Aktrice des textilfreien Filmgewerbes nach Bleicherode zurück, um sich um ihre minderjährige Tochter zu kümmern, wogegen der Produzent unbedingt einen Knaller mit ihr landen will. Wobei er bei seiner Überzeugungsarbeit vor keinem Mittel zurückschreckt. Die eigentliche Hauptrolle neben Marion Mitterhammer, Bruno Jonas und Rohmer spielen allerdings die Einwohner von Bleicherode. "Das liegt in Thüringen, knapp südlich vom Harz", erzählt der frisch gebackene Filmstar, "dort stammt der Regisseur Hans Günther Bücking her." Der Film sorgte in Bleicherode für volles Haus, nun ist er im Herbst zu den Filmfestivals von Toronto und München eingeladen, bevor er im Dezember bundesweit startet.

Erste Angebote

Schon trudeln erste Angebote für weitere Filmrollen ein, doch Rohmer hört allein auf sein Gefühl: "Film oder Theater? Ich denke: Theater und Film, sofern das Theater mir noch Zeit lässt."

Wie groß ist der Unterschied zwischen Film- und Bühnenschauspiel? "Ich muss sehr überzeugend gewesen sein", staunt Thomas Rohmer, "ein Mann und eine Frau haben unabhängig voneinander bei mir angerufen und mich gefragt, ob ich ihnen eine Rolle in einem Sexfilm verschaffen kann." So schwappt der Boulevard ins pralle Leben zurück!