Anwohner sind geschockt

Nachverdichtung im Erlanger "Brennpunkt" Odenwaldallee

23.10.2019, 06:00 Uhr
Der Gebäudekomplex aus drei Teilen mit etwa 60 bis 70 Wohnungen wird in ein paar Jahren anstelle des Nahversorgungszentrum stehen. Dieser Entwurf ging als Sieger des Architektenwettbewerbs hervor.

© Repro: Harald Sippel Der Gebäudekomplex aus drei Teilen mit etwa 60 bis 70 Wohnungen wird in ein paar Jahren anstelle des Nahversorgungszentrum stehen. Dieser Entwurf ging als Sieger des Architektenwettbewerbs hervor.

Die Planung hat sie "schockiert" und selbst auf den Plan gerufen. "Besorgte" Anwohner wollen den neuen Gebäudekomplex in der Büchenbacher Anlage / Odenwaldallee nicht so einfach hinnehmen und stemmen sich dagegen – unter anderem mit einem Brandbrief an OB Florian Janik und an die Stadträte aller Parteien.

Sparkassen-Filiale, Norma und ein Restaurant sind eingeplant

Jetzt wurden die Siegerentwürfe aus dem Architektenwettbewerb für jene neue Bebauung vorgestellt. Das Interesse war enorm. Der Gemeindesaal der Martin-Luther-Kirche war bis zum Anschlag gefüllt. Die Besucher stauten sich, standen an der Wand entlang und drängten sich noch im Vorraum.

Bereits im Februar 2018 hat das Unternehmen "Liebe und Partner" auf seiner Internet-Seite kund getan: "Wir haben ein zirka 3400 m² großes Grundstück in Erlangen, Odenwaldallee 29 bis 31 gekauft. Es befindet sich in der Mitte des künftigen Stadtteilzentrums Erlangen, Büchenbach. Geplant sind Wohn- und Gewerbeflächen von zirka 5000 m²." Seither hegen etliche Anwohner und Betroffene allerhand Befürchtungen.


Nachverdichtung als letztes Mittel gegen Wohnungsnot


Bekanntlich geht es um das Nahversorgungszentrum, in dem sich die Sparkassen-Filiale, die Norma, ein Restaurant und mehrere Kleingewerbetreibende befinden. "Die abgewirtschafteten Gebäude sollen baldmöglichst durch eine angemessene neue Bebauung ersetzt werden", heißt es bei "Liebe und Partner". Und wie die aussehen soll, steht nun weitgehend fest.

Sieben teilweise international tätige Architekturbüros gingen ins Rennen. Die Vorsitzende der Jury erläuterte das Procedere des Wettbewerbs, zudem den nicht immer leichten Diskussions- und Abwägungsprozess, die schrittweise Annäherung an das Sieger-Projekt bis hin zur finalen Entscheidung. Einer der Vorzüge des Siegerentwurfs des Münchner Architektur-Büros Dietzig ist demnach, dass sich das Ganze "sehr selbstverständlich ins Stadtteil" einfügt, und nicht zuletzt deshalb als "beste Arbeit" gesehen wurde. Das Neue "soll wirken, wie immer schon dagewesen", hieß es.

Dass sich dieser Entwurf mit der Nummer 1005 selbstverständlich ins Stadtteil einfügt, wird allerdings von den Bürgern erheblich angezweifelt. Auch das Lob für den Siegerentwurf sei "nicht nachvollziehbar", meinte ein Bürger. Im Brief an die Stadtoberen weist jene "besorgte Nachbarschaft" unter anderem darauf hin, dass Büchenbach-Nord schon lange ein sozialer Brennpunkt sei, auch weil es der am dichtesten besiedelte Stadtteil Erlangens ist. Die soziale Belastung ist ohnehin schon groß. Und noch mehr Bewohner dort – auch durch das Gewobau-Projekt, mit dem ab 2020 etwa 90 neue, barrierefreie Wohnungen in der Odenwaldallee gebaut werden — würden alles noch merklich verschlimmern.

Hier "wird alles aufs heftigste zerstört"

Offenbar hat man auch jenes "kleine Zentrum" über die Jahre hinweg durchaus liebgewonnen und möchte es wohl nicht mehr missen, auch weil es im "sehr dicht besiedelten Gebiet Luft zum Atmen bietet" und überdies zu einem "lebhaften Treffpunkt" für die Bewohner geworden sei. Aber mit dem geplanten Bauvorhaben "wird alles aufs heftigste zerstört".

Diese und andere Vorbehalte aus den Brief wurden so oder in ähnlicher Weise in der Info-Veranstaltung wiederholt und bekräftigt, verbunden mit reichlich kritischen Worten in Richtung Stadtspitze, die einen solchen Wettbewerb überhaupt zugelassen habe.

Das Einkaufszentrum zwischen der Odenwaldallee und Büchenbacher Anlage soll abgerissen und durch einen Neubau mit Wohnungen und Geschäften ersetzt werden.

Das Einkaufszentrum zwischen der Odenwaldallee und Büchenbacher Anlage soll abgerissen und durch einen Neubau mit Wohnungen und Geschäften ersetzt werden. © Foto: Klaus-Dieter Schreiter

In diesem Zusammenhang stellte Tilmann Lohse, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Stadtplanung, klar, dass die Stadt die Planungshoheit innehabe. Und wenn sie Baurecht schafft, dann setzt sie einen solchen Planungswettbewerb voraus – "wir haben einen Qualitätsanspruch", für den Investor "keine leichte Forderung", da das Ganze auch mit "viel Geld verbunden" sei.

Der 1. Preis ist verknüpft mit der Empfehlung, diesen Entwurf weiter zu verfolgen. Das bezieht mit ein, dass einiges an dem Konzept noch überarbeitet und angepasst werden muss – nach gemeinsamen Vorstellungen der Stadt und des Investors. Bis dahin werden sicherlich noch anderthalb bis zwei Jahre vergehen.

Momentan steht fest: Das neue Ensemble besteht aus drei Gebäuden, wobei das mittlere leicht versetzt ist. Integriert werden ein Supermarkt und Bio-Markt sein sowie einige kleinere Gewerbe – alles im Erdgeschoss. Darüber sollen auf mehrere Stockwerke verteilt 60 bis 70 Wohnungen entstehen samt einer Dachterrasse als Freifläche für die Bewohner. Ein Drittel der Zwei- bis Vierzimmerwohnungen wird gefördert, zwei Drittel werden frei finanziert. Vorgesehen ist auch eine Tiefgarage mit rund 80 Stellplätzen.

Die Gebäude sollen wirken wie immer schon dagewesen

Investor Ulrich Liebe hatte keinen leichten Stand und musste sich einiges anhören. Den Sorgen der Anwohner begegnete er durchaus mit Verständnis, versuchte unter anderem aber auch, die wirtschaftliche Seite des Projektes zu vermitteln. Zum Beispiel fanden einige die gefällige Holzfassade des 3. Preises deutlich schöner als die drei "Klötze". Liebe setzte die Fassadengestaltung mit der Preisfrage in Zusammenhang. Teurer geht immer. Aber schließlich "sollen Wohnungen ja bezahlbar sein". Es gilt eben einen Kompromiss zu finden, zwischen "bezahlbar" und "schön".

Der Nürnberger Investor schien am Ende leicht ernüchtert zu sein. Denn die "Haltung" der Bürgerinnen und Bürger, die er aufnahm, und die sich etwa auf den Tenor konzentrierte: "Ich wohne hier und will, dass alles so bleibt wie es ist", stimmte Ulrich Liebe letztlich doch "etwas traurig".

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