Party-Groove made in Baiersdorf

13.4.2020, 11:00 Uhr
Party-Groove made in Baiersdorf

© Klaus-Dieter Schreiter

Wenn sich die Pistenjäger und Langläufer in der Almhütte "Kuhbar" einfinden, hilft Hannes ihnen beim Auftauen. Mit Partyhits wie "Lieber Schifoan". Nicht als DJ, sondern als Sänger auf der Bühne. Und ab Montag ist wieder Kreissäge angesagt.

Wie komponiert man einen megageilen Partyhit? Man überlegt sich eine eingängige Melodie mit Ohrwurmqualität, die gute Laune verbreitet. Also gut zum Mitsingen und ja nichts Kompliziertes. Unbedingt dazu gehören: viel Hall, fette Bässe und treibende Beats, ein Chor mit Stadionatmosphäre, quietschende und bratzende Synthie-Effekte sowie ein Refrain zum Mitsingen. Und natürlich ein frecher Text mit zweideutigen Anspielungen und eindeutigen Aufforderungen. Zum Beispiel "Zieh dich aus, kleine Maus, mach dich nackig..."

"Naja, dieser Text ist schon wieder eine Spur zu anzüglich", meint Johannes Steinert. "Das ist ein typischer Männerhit." Johannes Steinert (32) muss es wissen, denn er ist der musikalische Spiritus Rector hinter Hannes Reinhardt. Der Tontechniker und Cutter beim Bayerischen Rundfunk hat sich in seinem Haus in Effeltrich ein Tonstudio eingerichtet. Hannes und Johannes haben ihr musikalisches Talent hinter dem Brotberuf nicht vernachlässigt. Hannes beherrscht außer Gesang auch Gitarre, Schlagzeug und die Steirische Harmonika, Johannes ist Keyboarder, und beide spielen auf sämtlichen Kärwas in der Region. "Saison ist eigentlich immer", meint Johannes Steinert, "im Winter ist Apres-Ski angesagt, im Sommer Mallorca, und dazwischen all die Kirchweihen. Normalerweise. Aber nicht dann, wenn die Corona-Krise alles ausbremst."

 

Nicht einfach

 

Partymusik klingt einfach, ist sie aber nicht. "In der Branche glauben viele Künstler und Produzenten, dass man da leicht einsteigen kann, weil die Songs so einfach gestrickt klingen", beobachtet Steinert. "Aber für Party brauchst du im Tonstudio den selben Aufwand wie beim klassischen Radiosong! Du musst alles so fett mixen, dass der Song aus einem billigen Küchenradio genauso gut knallt wie in der Disco."

Zum Beweis spielt Steinert einen ersten Mix von "Lieber Schifoan" ab und anschließend die finale Version. Eindeutig mehr Power! Singt in der Frühversion der Hannes allein auf dem Gipfel, so rollt im Finalmix eine gewaltige Soundlawine auf den Hörer zu und reißt ihn mit sich. Aber all das Stampfen, Wummern und Skandieren auf der Tonspur, das muss dem Techniker doch an den Nerven zerren? "45 Minuten sitzt du am Pult und mischst", klärt Steinert auf, "dann machst du 15 Minuten Pause und gehst raus in den Garten. Dann sind die Ohren wieder frei."

 

Anleihen bei Vorbildern

 

Zum Erfolgsrezept gehört die Wiedererkennbarkeit dank populärer Vorbilder. So erinnert die Melodie von Peter Wackels "Ich verkaufe meinen Körper" an Mike Oldfields "Moonlight Shadow". Und bei "Dicke Titten, Kartoffelsalat" von Ikke Hüftgold hört der Kinoveteran den "Entertainer" von Scott Joplin heraus, die Titelmelodie des Films "Der Clou". Anleihen bei großen Vorbildern sind erlaubt, solange Arrangement, Tempo und Texte gründlich verändert werden. Ausnahmen bestätigen die Regel, man denke nur an George Harrisons "My Sweet Lord" oder an Serge Gainsbourgs "Les Initiales B.B.", bei dem Dvoraks 9. Sinfonie Pate stand.

Komponist wie Interpret sind nicht auf ihre Arbeit als Unterhaltungsmusiker angewiesen. Ihren festen Beruf haben sie sicher, was in Zeiten von Corona sich auszahlt. Die Musik betreiben sie als Hobby mit dem Ehrgeiz, immer professioneller zu werden. So hatte Hannes als Andreas Gabalier-Double begonnen, verfolgt nun aber seinen eigenen Stil. Im Studio wird einträchtig getüftelt, auf der Bühne aber steht nur Hannes allein. Dort singt und tanzt er zum Halb-Playback, das heißt, er singt live und der ganze Rest kommt vom Band. Solch ein Auftritt dauert 30 bis 40 Minuten, findet aber zwei- bis dreimal am Tag statt. Wie ist das, wenn man Stimmung vor hunderten höchst angeheiterten Gästen verbreitet? Wird man da nicht ständig zum Umtrunk eingeladen? "Da bleibe ich standhaft", versichert Hannes Reinhardt, "ich trinke keinen Alkohol! Du musst ja gut singen und den Leuten etwas bieten."

Jetzt, da dank Corona die Kirchweihen ausfallen und Mallorca weit hinterm Horizont liegt, arbeitet Johannes Steinert abwechselnd eine Woche im BR-Studio in Nürnberg, die andere Woche sitzt er in Bereitschaft daheim im Studio. "Wenigstens ein Vorteil", seufzt er, "hier kann ich in Ruhe experimentieren, Ideen sammeln und ausprobieren. Für Mallorca dürfte die Saison fast schon gelaufen sein. Falls die Partys wieder hochgefahren werden, dann nicht von Null auf Hundert, sondern nur schrittweise. Ein Mallorca-Opening mit 10 000 Fans wird es wohl kaum geben, aber vielleicht ein Closing im September."

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