„Pommes“ und die Zentralsonne

6.8.2011, 00:00 Uhr
„Pommes“ und die Zentralsonne

© Harald Hofmann

Nun gibt es gewiss kein aktuelles Thema, das alle Gruppen der Gesellschaft mehr zur Kritik aufgerührt hat, als die japanische Reaktorkatastrophe. Genau dadurch aber wird sie für die Kunst zum Problem: Die unzähligen Bilder in Presse und Fernsehen haben die Wahrnehmung der Katastrophen von Tschernobyl bis Fukushima nachhaltig besetzt, und offenkundig ist der Versuch, sich ein eigenes Bild zu machen, schwieriger geworden. Die Konkurrenz mit den veröffentlichten Bildern führt zu unterschiedlichen Strategien. Bei Irene Hedwig Hetzler verschwindet die Wirklichkeit der Reaktorruine im malerischen Glanz, der ihr eine fast metaphysische Bedeutung verleiht. Elisabeth Hochleitners ort- und kopflose Leiber könnten genauso aus einem der zahlreichen Kriege stammen, mit denen der Westen angeblich andere Völker befreien will.

„Pommes“ und die Zentralsonne

Elke Schober und Lars Henning versuchen das Problem durch ironische Verfremdung der fotorealistischen Wirklichkeit zu lösen: Die endgelagerten Uranfässer korrespondieren mit „Pommes gelb-schwarz“. Ilse Feiner versetzt die monströs verkleideten Arbeiter im verstrahlten Reaktorgelände in halbabstrakte „Virtuelle Figurationen“. Hans-Peter Singers Fotomontagen allerdings gehören, bei aller fotografischen Qualität, zum Bereich der gängigen Zivilisationskritik.

Entschiedene Distanz

Ein freierer Umgang mit den offiziellen Bildern, die sich in den Köpfen festgesetzt haben, lässt sich offenbar erst durch entschiedene Distanz gewinnen. Antje Fries unterscheidet zwischen einer oberirdischen Welt und einer unterirdischen, in der die Atommüllfässer lagern, während darüber die Bäume wachsen. Die Idyllen ihrer „Russischen Sommer“ sind Signale des Widerstandes gegen diese wachsende Unterwelt.

Ein eigenes Wahrnehmungskonzept entwickelt Henrike Franz in ihren Zeichnungen. Mit einer ungegenständlichen Handschrift setzt sie sich gegen die vorgestanzten Bilder zur Wehr. Für Uwe Schein schließlich wird die Ambivalenz der Strahlung zum Motiv eines Triptychons, das aus unzähligen Tuschfederhaken entwickelt ist: „Holy Spirit“ vereinigt die belebende Strahlung der Zentralsonne mit ihren vernichtenden Kräften.

Konzentrierte Arbeiten

Die Plastiker tun sich offensichtlich schwer mit der verstrahlten Welt, wenn man von den hoch konzentrierten Arbeiten der Keramikerin Carolin Gugel absieht. Ralf-Peter Begemanns Nibelungenfrauen überzeugen weder thematisch noch als plastische Konzeption, und Wolfgang Kindels hölzerne Weltkugel verlässt sich zu sehr auf eine eingefahrene Symbolik.

Gruppe Plus: „Verstrahlt — zwischen aTomaten und Mutanten“. Galerie des Kunstvereins, Hauptstraße 72. Bis 20. August, Fr. 15 bis 18 Uhr, Sa. 11 bis 14 Uhr.