Premiere beim Wiener Opernball: Erstes queeres Tanzpaar kommt aus Erlangen

21.2.2020, 07:44 Uhr
Schon für die Proben gab es eine Kleiderordnung: Iris Klopfer (links) und Sophie Grau üben für den Wiener Opernball.

© Foto: TTC Erlangen Schon für die Proben gab es eine Kleiderordnung: Iris Klopfer (links) und Sophie Grau üben für den Wiener Opernball.

Sie wollen nur tanzen. Doch anscheinend können das zwei Frauen nicht einfach so machen. Zumindest nicht beim Wiener Opernball. Dass Iris Klopfer und Sophie Grau dort als Debütantinnen zugelassen sind, löste einen wahren Medienansturm aus. Auch beim öffentlichen Training in Wien stürzten sich die Reporter auf die beiden jungen Frauen aus Deutschland.

Queer umfasst alles, was von der Norm abweicht

Klopfer und Grau sind das erste gleichgeschlechtliche Tanzpaar in der Geschichte des Wiener Opernballs. 144 Paare sind im Jungdamen- und Jungherrenkomitee eingeladen. Ursprünglich sollten junge Frauen so in die Gesellschaft eingeführt werden. Diese Zeiten aber sind lange vorbei, weshalb nun auch ein queeres Paar in der Wiener Staatsoper dabei sein darf.

Was das genau heißt, ist für Iris Klopfer schwierig zu formulieren. "Queer" stammt aus dem Englischen und umfasst alles, was von der Norm abweicht. "Es bedeutet, nicht hetero zu sein", sagt Klopfer. Während sie sich als Frau im Körper einer Frau wohl fühle, "identifiziert sich Sophie weder als Mann noch als Frau", sagt Kopfer. Doch darum gehe es beim Opernball auch gar nicht. Die Tänzerinnen sehen es pragmatisch: "Wir haben vorher ausgemacht, wer Kleid und wer Frack trägt."

Tatsächlich hat der Veranstalter auch nicht endlich ein queeres Paar ausgewählt. Klopfer und Grau waren schlichtweg das erste, das sich überhaupt beworben hatte. Angst vor Anfeindungen hat Klopfer nicht. "Ich kann kritische Stimmen gut ausblenden, auch wenn jemand meint, das würde nicht der Tradition entsprechen", sagt die 22-Jährige. "Theoretisch könnten Sophie und ich ja auch heiraten." Vor aber haben sie es nicht, sie sind kein Liebespaar.

"Welche Sexualität wir haben, ist für das Tanzen total irrelevant"

"Welche Sexualität wir haben, ist für das Tanzen total irrelevant", sagt Klopfer. "Oft gehen Leute, die einfach schon lange zusammen tanzen, auf einen Ball." Nicht alle Tanzpaare sind Paare. "Manche sind sogar Geschwister. Es kommt nur darauf an, zu führen und sich führen zu lassen. Wir sind hier sehr flexibel."

Als Mädchen sind Klopfer und Grau gemeinsam auf ein Gymnasium in Ludwigsburg gegangen. "Erst waren wir in Parallelklassen. Im Religionsunterricht haben wir uns angefreundet." Nicht von Beginn an konnten beide über ihre Ansichten und Geschlechterrollen sprechen. "Wir haben uns viel über Musik unterhalten." Die 21-jährige Grau singt und spielt Gitarre, Bass, Klavier und Schlagzeug. Zusammen getanzt haben beide immer mal wieder, aber nie als festes Tanzpaar. Nach Wien sind sie trotzdem gemeinsam gefahren. "Wir sind eine Woche hier", sagt Klopfer, "da muss man wissen, dass man gerne Zeit miteinander verbringt." Außerdem wollte sie jemanden dabei haben, der "genauso Bock auf den Ball hat".

"Es ist ein kleiner Mädchen-Traum"

Der Aufwand ist schließlich enorm. Klopfer muss in Wien für ihr Staatsexamen Mitte März lernen, die gebürtige Schwäbin studiert in Erlangen Medizin. Trotzdem wollte Klopfer unbedingt dabei sein. "Es ist ein kleiner Mädchen-Traum, einmal auf einen so großen Ball zu gehen." Im vergangenen Sommer ist sie mit ihrer Schulfreundin Sophie Grau auf Videos vom Wiener Opernball gestoßen. Eine E-Mail später war die Bewerbung schon verschickt.

Dabei mussten beide nachweisen, dass sie auch wirklich tanzen können. Klopfer tanzt Standard und Latein seit sieben Jahren, davor hat sie Wettkampf-Gymnastik, Ballett und Jazz-Tanz gemacht. Für den Tanz-Turnier-Club Erlangen nimmt sie an Modern-Dance-Turnieren teil. Klopfer ist es also gewohnt, vor Publikum aufzutreten.


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Seit Freitag sind Klopfer und Grau schon in Wien, am Wochenende standen die ersten Proben an, "zweimal sechs Stunden", sagt Klopfer. Selbst dafür gab es eine Kleiderordnung: die Herren in Anzug, weißem Hemd und Krawatte, die Damen in schwarzem Rock und weißer Bluse. "Man tanzt eine riesige Formation. Das sieht einfach besser aus, wenn die Farbe der Kleidung abgestimmt ist." Beim Ball trägt Klopfer ein weißes Kleid, Grau hat sich extra ein maßgeschneidertes Frack anfertigen lassen. "Wir freuen uns sehr darauf, die Kleidung auszuführen. Ich bin auch noch nie mit einem Krönchen zu einem Ball gegangen."

"Weniger spießig als man denkt"

Dass die beiden Deutschen zwei Frauen sind, "war den anderen Paaren bei der Probe egal", sagt Kopfer. "Ich glaube, so ein Ball ist weniger spießig als man denkt." Um dabei aber wirklich Spaß zu haben, "muss man auch sehr viel Spaß am Tanzen haben". Die Freundinnen freuen sich vor allem auf die Live-Musik. "Es kommt zu selten vor, dass man dazu tanzen kann. Die Akustik ist super, dazu hat man tolle Bands oder Orchester." Die Proben haben Klopfer beruhigt. "Ich war vorher aufgeregter."

Den Tag gehen beide entspannt an, auch wenn die Erlangerin wieder ein paar Stunden fürs Lernen eingeplant hat. Für den Abend haben sich Klopfer und Grau vorgenommen, den Ball zu genießen. Zuerst aber werden sie weiter Interviews geben müssen. "Dann wollen wir alle Tanzflächen abklappern. Außerdem gibt es auch einen Flashmob, dafür haben wir ein paar Schritte gelernt." Irgendwann können sie vielleicht auch einfach tanzen.

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