Rufe nach Aufklärung R IEGEL

13.6.2017, 18:57 Uhr
Rufe nach Aufklärung R IEGEL

© Archivfoto: Matejka

Frau Hiersemann, Sie haben mit Ihrem SPD-Kollegen Horst Arnold in einem Brief an CSU-Innenminister Joachim Herrmann Aufklärung über die Vorgänge an der Nürnberger Berufsschule gefordert. Was sind für Sie die dringlichsten offenen Fragen?

Alexandra Hiersemann: Uns geht es darum, ein klareres Bild davon zu bekommen, wie der Ablauf war. Privat-Videos im Internet reichen dafür sicher nicht aus. Unsere Fragen dienen der Aufklärung auch zur Frage, wie es zu Gewalt kommen konnte.

 

Haben Sie schon Antwort aus dem Innenministerium erhalten?

Hiersemann: Nein, aber ich habe Verständnis dafür, dass dies bisher nicht innerhalb weniger Tage geschehen konnte. Schließlich muss, wie von der zuständigen Polizei mitgeteilt, zunächst eine interne Analyse des Vorgangs stattfinden.

 

Sie nennen die Bilder und Videos, die bei der Polizeiaktion gemacht wurden, verstörend. Was ist für Sie das Schlimmste an diesen Aufnahmen?

Hiersemann: Was mich dabei vor allem erschreckt, ist dass der Flüchtling aus dem Schutzraum Schule geholt wurde und dass Lehrer, die Vertrauenspersonen sind, offenbar mitwirken mussten. Zunächst waren nach Mitteilung der Polizei ausschließlich Jugendliche aus der betreffenden Schule an der Sitzblockade beteiligt. Sie wollten ihren Freund und Mitschüler vor der Abschiebung schützen. Wie es dann zu der tätlichen Auseinandersetzung kommen konnte, das wollen wir ja mit unseren Fragen etwas transparenter machen.

 

Sie erhalten nun selbst Drohungen.

Hiersemann: Ja. Diese E-Mails empfinde ich als verstörend. Man wirft mir vor, ich hätte die Polizei beschimpft, obwohl das nicht der Fall ist. Und man droht mir, in Anführungszeichen, eine eindeutige Behandlung an. In einem Rechtsstaat sind aber Fragen und die Aufklärung solcher Vorfälle im Interesse aller notwendig.

 

Ist der Vorgang in Nürnberg eine weitere schärfere Gangart der bayerischen Abschiebepolitik?

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Hiersemann: Abschiebungen aus Schulen haben auch in anderen Bundesländern stattgefunden. Ich frage mich hierbei vor allem, warum man unbedingt in so einer öffentlichen Situation Abschiebungen durchführen will. In manchen anderen Bundesländern wurde auch schon vor der aktuellen Entscheidung des Bundes von Abschiebungen nach Afghanistan, soweit es sich nicht um Straftäter handelte, abgesehen. Auch Bayern hätte zumindest einen dreimonatigen Abschiebestopp verfügen können, aber unser Antrag dazu wurde von der CSU-Mehrheit im Landtag abgelehnt. Hier wird ein härterer Kurs gefahren, mit dem Argument, man wolle weitere Flüchtlinge abhalten hierher zu kommen.

 

Sie kritisieren ja bereits seit längerem die bayerische Flüchtlingspolitik, etwa die restriktive Auslegung der Drei-plus-zwei-Regelung. Wo besteht bei der Umsetzung das Problem?

Hiersemann: Durch interne Weisungen an die Ausländerbehörden wird in Bayern der Zugang zu einer Ausbildung zusätzlich verengt, insbesondere für junge Afghanen. Das widerspricht der Intention des Bundesgesetzgebers, der hier gerade eine Öffnung will. Viele mittelständische Betriebe beklagen immer neue Hürden und große Probleme, wenn sie einen Ausbildungsvertrag abschließen wollen. Sie setzen sich dabei sehr für ihre Schützlinge ein. Es wäre die beste Entwicklungshilfe, wenn möglichst viele der Flüchtlinge eines Tages mit einer guten Ausbildung ihr Land wieder aufbauen könnten. Ich hoffe, dass das nun endlich möglich wird nach der aktuellen Entscheidung des Bundes für einen momentanen Abschiebestopp.

 

Gegen die bayerische Flüchtlingspolitik gibt es viel Widerstand. Auch Städte wie München, Würzburg und Erlangen stellen sich gegen Abschiebungen in unsichere Herkunftsländer. Wie lange kann die Staatsregierung die Kritik noch ignorieren?

Hiersemann: Das müssen Sie eigentlich die Bayerische Staatsregierung fragen. Ich glaube, dass sie nun reagieren muss. In den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, dass immer mehr Kritik an der Abschiebepraxis nach Afghanistan laut wurde, und dies aus allen Teilen der Bevölkerung, nicht zuletzt von den Kirchen. Die Menschen sehen Terrorakte mit zahlreichen Toten und als nächstes die Abschiebung von jungen Menschen genau dorthin. Das lässt sich schwer zusammenbringen.

 

Was wird denn nun aus dem jungen Afghanen Asef N.?

Hiersemann: Das zuständige Landgericht hat die Beschwerde der Regierung von Mittelfranken zurückgewiesen und, wie es dort heißt, erhebliche Zweifel geäußert, ob die Zustellung des Ablehnungsbescheids an Herrn N. erst nach der versuchten Abschiebung rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprach. Laut den Pressemeldungen wird der Anwalt von Herrn N. jetzt die ihm zustehenden Rechtsmittel gegen die Ablehnung einlegen. Währenddessen dürfte keine Abschiebung erfolgen. Weiteres wird nun gerichtlich geklärt.

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