Schwerhörigkeit darf kein Makel sein

16.4.2010, 00:00 Uhr
Schwerhörigkeit darf kein Makel sein

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»Irgendwann merkt man, dass man in größeren Gruppen nicht mehr zurecht kommt. Dann hört man das Telefon nicht mehr und beginnt, sich isoliert zu fühlen. Man glaubt, nicht mehr dazuzugehören, zieht sich zurück, resigniert und geht am Ende nirgends mehr hin.» Herbert Hirschfelder, seit früher Kindheit selbst schwer hörgeschädigt, weiß, was Menschen empfinden, deren Hörvermögen nachlässt.

Mit seinen Mitmenschen nicht mehr in gewohnter Weise kommunizieren zu können, stürzt Betroffene oft in große Nöte. Kontaktprobleme, Probleme bei der Bewältigung des Alltags, des Berufs - all das sorgt für große Unsicherheiten und Ängste.

Vor allem Senioren leiden

In der Bundesrepublik leben etwa 15 Millionen Menschen mit dieser Behinderung. Viele von ihnen sind Senioren, die unter Altersschwerhörigkeit leiden. Zunehmend sind es aber auch jüngere Menschen, in deren Ohren zu laute Musik oder Lärm am Arbeitsplatz irreversible Schäden hinterlassen hat. Doch trotz der hohen und deutlich steigenden Zahl an Betroffenen werden die Probleme Schwerhöriger oder Ertaubter in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Es sei, so beklagt es auch Herbert Hirschfelder, eine auf den ersten Blick unsichtbare Behinderung, zu der sich wenige offen bekennen.

Zusammen mit Irmgard Kühne und Christa Braun ist der 60-Jährige deshalb der Motor einer Selbsthilfegruppe, deren Einzugsgebiet weit über Erlangen hinausreicht. Seit zehn Jahren gibt es diese Gruppe aus Schwerhörigen, Ertaubten und Cochlea-Implantat-Trägern (einer Prothese bei noch funktionierendem Hörnerv), die angesichts der Zurückhaltung vieler Hörbehinderter gezielt die Öffentlichkeit suchen.

Mit einer größeren Veranstaltung will die Gruppe am Sonntag, 2. Mai, auf die Probleme Schwerhöriger aufmerksam machen und sich nach einem ökumenischen und - selbstredend - schwerhörigengerechten Gottesdienst (10.15 Uhr, Markuskirche in Sieglitzhof) im Gemeindehaus näher vorstellen. Die offene Gruppe, die im Kern etwa 14 Männer und Frauen unterschiedlichen Alters zählt, präsentiert dabei ein breites Spektrum an Hilfestellungen.

So gibt sie Betroffenen erst einmal praktische Unterstützung. »Viele Hörgeschädigte ha-ben keine Ahnung, welche technischen Hilfsmittel es gibt,», betont Irmgard Kühne. Deshalb informiere man über Hörhilfen und Neuentwicklungen, ebenso über angepasste Klingel-, Wecker- oder Telefonsysteme für die eigene Wohnung. Man könne Auskünfte über Rehabilitations- und Erholungsmaßnahmen geben, könne auf Hilfen wie Hörtraining, Lippenlesen oder sprachunterstützende Gebärden verweisen, biete aber auch gesellige Unternehmungen an.

Die Gruppe, die unter anderem gute Kontakte zur HNO-Klinik pflegt, fordert aber auch eine bessere Teilhabe am öffentlichen Leben. »Es geht um den Besuch von Gottesdiensten, von Vorträgen, Kino- oder Theatervorstellungen», fasst Christa Braun zusammen, auf deren Initiative hin die Gruppe vor zehn Jahren gegründet wurde.

So liegt es der Gruppe sehr am Herzen, vor allem in größeren Veranstaltungsräumen oder Kirchen funktionierende Induktionsschleifen nutzen zu können. »Das wäre für uns eine wertvolle Unterstützung», bekräftigt Christa Braun. Doch oft werden solche Anlagen nicht gewartet und bleiben, wie etwa in Sankt Sebald in Erlangen-Süd, defekt liegen.

Zudem gebe es, so die Gruppe, in Erlangen kein Kino, das Schwerhörige nutzen könnten. Dies gelte auch für die Lades-Halle. Die Anlage im Redoutensaal sei nicht ausreichend, im Theater sei die für wenige tausend Euro mögliche Erneuerung bislang nicht erfolgt. Dagegen werde die neue Stadtbibliothek mit einer Induktionsschleife ausgestattet, an der bereits defekten Anlage im Raatsaal hat man zwischenzeitlich die Ursache ausfindig gemacht. Dankbar ist die Gruppe aber der Stadt für die Überlassung einer tragbaren Anlage, die vor allem für die monatlichen Treffen genutzt wird.

Kontakt über Christa Braun, Tel. und Fax 0 91 31/5 41 16, oder per Mail über Herbert.Hirschfelder@bib.uni-erlangen.de