So sieht das erste Tiny House in Möhrendorf aus

12.8.2020, 07:27 Uhr
"Zu viele Deutsche können sich kein eigenes Haus leisten, das wollen wir ändern": Ein Carport, eine Terrasse mit Solardach, das den Strom generiert, zwei Zimmer, ein Bad – und fertig ist das Eigenheim.

© Foto: Harald Sippel "Zu viele Deutsche können sich kein eigenes Haus leisten, das wollen wir ändern": Ein Carport, eine Terrasse mit Solardach, das den Strom generiert, zwei Zimmer, ein Bad – und fertig ist das Eigenheim.

Der Unternehmer ist Gründer der Firma Heise Haus. Und die steht für bezahlbare minimalistische Eigenheime – die trotzdem hochwertig und luxuriös sein sollen. "Zu viele Deutsche können sich kein eigenes Haus leisten, das wollen wir ändern", sagt Heise. Die Lösung: Mini-Häuser, zusammengesetzt aus standardisierten Modulen, die am Fließband produziert werden. Eines davon steht seit Juni im Möhrendorfer Neubaugebiet an der Erlanger Straße: 40 Quadratmeter Wohnraum, zwei Zimmer, gemacht für zwei Personen.

Das Prinzip, dass hinter dieser Art des Wohnens steckt, ist ein minimalistischer Lebensstil, die Reduktion auf das Wesentliche. Dabei heißt es vor allem: verzichten. Auf das, was nicht wirklich gebraucht wird, auf den Konsum. In der Architektur war dies der Auslöser für die Tiny-House-Bewegung, die aus den USA kommt.

Ein Tiny House hat Heise per Definition aber nicht gebaut, dafür ist es zu groß. Außerdem werden Tiny Houses oft selbst errichtet, haben beispielsweise keine richtige Dämmung oder stehen auf Rädern.

Viele Start-up-Ideen

Diese Art von Wohnen sei selbst ihm "zu hart", sagt Heise, der in seinem Leben schon einige Start-Ups gegründet hat. "Nach dem Abitur war ich erst bei der Bank, habe dann mein BWL-Studium abgebrochen und mit 24 meine erste Firma gegründet." Die hatte mit Bauwesen nichts am Hut, es ging um eine Lernsoftware. Auch im Handel und in der Logistik war Heise tätig, und kurz vor der Idee mit den Mini-Häusern arbeitete er noch an einem Spinning-Rad mit eingebautem Generator.

Seit zwei Jahren im Geschäft

Seit etwa zwei Jahren widmet sich der zweifache Vater den Heise Häusern. Die Idee, Wohnraum günstiger und effizienter zu machen, stand schon länger auf seiner persönlichen Ideen-Liste, konkreter wurde sie auch durch die Tiny-House-Bewegung. Nachdem er in der Schweiz erste Erfahrungen mit Bauprozessen gemacht hatte, suchte er Investoren für sein Vorhaben. Sein Ziel – luxuriöse Eigenheime für unter 100.000 Euro – wurde anfangs noch belächelt. Hinzu kam zuletzt die Covid- 19-Pandemie, wegen der viele Geldgeber doch wieder absprangen.

Dennoch stand im Dezember 2018 bereits das erste Haus – ein Prototyp – in Minsk, Weißrussland. Seit etwa einem Monat gibt es das erste Heise Haus in seiner fertigen Form in Möhrendorf. Es kostet vollausgestattet etwa 170.000 Euro. Das Mini-Haus wurde im Ganzen geliefert und in zwei Tagen bezugsfertig aufgestellt. Seither wohnt Heise mit seiner Lebensgefährtin Aksana Hermanovich darin, "um es selbst zu erleben, zu testen", wie Heise sagt – und, um Interessenten hindurch zu führen.

Große Aufmerksamkeit im Ort

Die Aufmerksamkeit, die das neuartige Häuschen erregt, ist groß. Jeden Tag seien es ein paar Interessierte, denen Heise sein neues Heim vorführt. Die Resonanz ist vorrangig positiv, vereinzelt gibt es auch Ablehnung. Der Grund, warum die Verpächter des Grundstücks anfangs skeptisch waren. "Da waren Ängste da, sie wollten nicht zum Gesprächsthema im Ort werden."

Volker Heise wohnt seit kurzem mit seiner Lebensgefährtin Aksana Hermanovich in einem selbst geplanten "Tiny House" in Möhrendorf.

Volker Heise wohnt seit kurzem mit seiner Lebensgefährtin Aksana Hermanovich in einem selbst geplanten "Tiny House" in Möhrendorf. © Foto: Harald Sippel

Heise und seine Lebensgefährtin haben vor, noch mindestens ein Jahr in den knapp 40 Quadratmetern zu wohnen. Die Umstellung sei für beide kein Problem gewesen. Heise lebte zuvor auf 300 Quadratmetern mit seiner Ex-Frau und seinen beiden Töchtern. Dort habe er "teilweise leere Räume" gehabt und sich eine Diskothek in den Keller gebaut, um etwas mit dem Platz anzufangen. Die radikale Veränderung empfindet er als sehr entlastend. Lebensgefährtin Hermanovich gibt sich ebenfalls entspannt: "Ich kenne es nicht anders", sagt die Weißrussin.

Ein Faible für Reduktion

Zurück in die größere Wohnung, in der sie zwischenzeitlich lebten, wollen beide nicht. "Dass die Kinder übernachten, ist natürlich schwieriger als in einem größeren Haus. Partys gehen nicht. Zwei Gäste können wir aber einladen, auf der Terrasse auch mehr", sagt Heise. Er sagt über sich, ein "Faible für Reduktion und Einfachheit" zu haben. "Zwei Anzüge sind jetzt schon fast zu viel."

Ob das minimalistische Wohnen eine Charakterfrage ist? "Eher eine Gewohnheitssache", findet Heise: "Man glaubt, dass man es nicht kann. Es ist eine Frage des Einfach-mal-Machens."


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Beliebig erweiterbar

Wem der Platz nicht reicht, der kann ohne allzu viel Aufwand ein zweites Modul anschließen oder gleich mehrere Module mit bis zu elf Zimmern kaufen.

Es heißt vor allem: verzichten. Auf das, was nicht wirklich gebraucht wird. 

Es heißt vor allem: verzichten. Auf das, was nicht wirklich gebraucht wird.  © Foto: Harald Sippel

Dabei verspricht das Unternehmen günstigen Wohnraum, angefangen bei etwa 80.000 Euro, eine hochwertige Innenausstattung, umweltfreundliches Wohnen mit Photovoltaik-Anlage, die den Energiebedarf deckt, und eine Haltbarkeit wie bei einem gemauerten Haus. Zumal die Mini-Häuser vergleichsweise leicht wieder weggehoben werden können.

In Möhrendorf sollen weitere Heise Häuser folgen, sofern mehr Grundstücke gepachtet werden können. Bis 2030 will Heise der wichtigste Ansprechpartner für leistbare Modulhäuser in Europa werden. Interessenten gebe es einige, einen Auftrag hat er bisher nicht.

Gerade ältere Menschen

Es seien gerade ältere Menschen, die auf ihn zukommen, weil sie sich verkleinern wollen. Heise glaubt aber auch daran, dass sein Konzept eine Zukunft für junge Menschen und Familien hat. Vielleicht kann er ja ein Umdenken bewirken, nicht nur in Möhrendorf.

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