So stressig ist der Alltag der Erlanger Busfahrer

10.10.2020, 14:31 Uhr
So stressig ist der Alltag der Erlanger Busfahrer

© Harald Sippel

Streikende und nicht Streikende sind am Freitagvormittag gegen 10 Uhr streng voneinander getrennt. Im Busbetriebshof an der Frauenauracher Straße dürfen sich alle aufhalten, die heute erschienen waren, um Schulbusse zu fahren und mit privaten Busunternehmen helfen, den Notfahrplan aufrecht zu halten. Und draußen, vor einer weiß-roten Absperrkette, stehen: drei Männer in blauen Oberteilen.


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"80 Prozent unserer Fahrer streiken heute", sagt Torsten Pfeiffer, der als Vorsitzender der Gewerkschaft NahVG eine blaue Jacke trägt. "Wir haben viele unserer Mitstreiter aber heimgeschickt, weil wir wegen Corona keine Menschenmasse möchten." Auch nicht bei einem Streik, der aufmerksam machen soll, woran es den Busfahrern fehlt. Die zwei größten Punkte: Geld und Wertschätzung, darin sind sich alle Beschäftigten einig. Egal, auf welcher Seite der Absperrkette sie stehen.

Eine 23-jährige Busfahrerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, gehört an diesem Tag zu den Arbeitenden. Den Streik findet sie trotzdem gut. "Die Gewerkschaften setzen sich dafür ein, dass unsere Gehälter höher werden. Darüber freue ich mich natürlich auch." Sie sei kein Mitglied bei einer Gewerkschaft, weil sie die Stadtwerke als guten Arbeitgeber empfindet, dem sie nicht schaden möchte. Bis vor zwei Jahren habe sie bei einem privaten Busunternehmen gearbeitet, Arbeitsbedingungen und Bezahlung seien bei den Stadtwerken besser. Sie ärgert sich stattdessen über mangelnde Wertschätzung der Fahrgäste für die Busfahrer. "Da hat man manchmal das Gefühl, dass man für sie überhaupt nicht existiert. Ein ,Guten Tag‘ beim Ein- oder Aussteigen würde uns schon freuen."

"Jeden Tag 150 Prozent"

Ihr Beruf sei schließlich ein äußerst stressiger. Zäh fließender Stadtverkehr, Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer, die sich nicht an Verkehrsregeln halten, Baustellen, aber der Fahrgast erwarte natürlich trotzdem, dass der Bus pünktlich fährt und gemäß Fahrplan am Ziel ankommt. "Wir müssen eine Menge Stress aushalten und jeden Tag 150 Prozent geben. Trotzdem meinen die Fahrgäste, immer einen ausgeruhten Fahrer vorne sitzen zu haben."

Vincenzo Mastrapasqua, Disponent bei den Stadtwerken und gelegentlich Busfahrer, pflichtet seiner Kollegin bei: "Wir stehen ständig unter Strom, den Fahrplan einzuhalten." Hier und da gebe es schon ein paar nette Worte von Fahrgästen. Das tue gerade jetzt in der Coronazeit, in der die Busfahrer immer einem gewissen Infektionsrisiko ausgesetzt seien, gut. Aber es könnte natürlich mehr Wertschätzung sein – und mehr Geld. "Berufseinsteiger sollten mit 2800 bis 3000 Euro anfangen. Momentan sind es etwa 2600 Euro."

Auch den Männern in den blauen Oberteilen geht es um Wertschätzung, die fängt für sie bei der Behandlung durch den Arbeitgeber am Streiktag an. "Wir sind ausgesperrt worden und dürfen den Busbetriebshof nicht betreten. Das hat mit Wertschätzung nichts zu tun", sagt Pfeiffer. Er und seine beiden Mitstreiter freuen sich, dass sie in einem Café vor dem Busbetriebshof wenigstens aufs Klo gehen dürfen.

Kolleginnen scheuen Dixi-Klos

Apropos Toiletten: Auch über dieses Thema ärgern sich die Männer in Blau. Auf manchen Erlanger Busrouten gebe es entweder gar keine oder nur verdreckte Dixi-Klos. "Manche Kolleginnen trinken den ganzen Tag nichts, damit sie diese Toiletten nicht benutzen müssen", sagt Grigori, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte. Andere Kollegen würden sich den Harndrang lieber verdrücken, wenn der Bus spät dran ist und an der Haltestelle Fahrgäste mit finsteren Mienen warten. Verspätungen seien aber unvermeidbar, weil sich das Verkehrsgeschehen in Erlangen über die Jahre stark verändert habe, aber die Buszeiten nicht. "Der Betriebsrat fordert seit zwei Jahren eine Fahrzeitermittlung", sagt Pfeiffer, "aber die Stadtwerke haben bis heute nicht darauf reagiert."

 

 

 

Ein weiterer Kritikpunkt ist der Schichtdienst. In einer normalen Arbeitswoche startet der Fahrer laut Pfeiffer am ersten Tag mit der Spätschicht, die etwa von 15.30 bis ein Uhr dauere. "Bis man daheim ist, den Kopf frei hat und schlafen kann, ist es drei Uhr morgens", sagt Grigori. Über die Woche würden sich Arbeitsbeginn und Arbeitsende immer weiter nach vorne verschieben – eine Tortur für Körper und Familienleben. "Schöner wäre es, wenn wir eine Woche Spätschicht und dann eine Woche Frühschicht hätten", findet Grigori.

Hoffnung auf Druck der Bürger

Auf die Kollegen, die sich nicht am Streik beteiligen, sind die Männer in den blauen Oberteilen nicht sauer. Auf die privaten Busunternehmer, die den Notfallplan durchziehen, auch nicht. Pfeiffer: "Wir wollen mit dem Streik nicht die Fahrgäste treffen. Es ist uns wichtig, dass sie trotzdem von A nach B kommen. Aber es wäre schön, wenn sie unsere Situation kennen würden und für uns Druck bei der Stadt machten."

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