Trotz Corona: Hospizbegleiter sind für schwerkranke Kinder und ihre Familien da

10.2.2021, 12:30 Uhr
Trotz Corona: Hospizbegleiter sind für schwerkranke Kinder und ihre Familien da

© Daniel Karmann/dpa

Frau Seckmeyer, warum die Aktion mit den grünen Bändern?

Die grünen Bänder sind das Symbol für den Tag der Kinderhospizarbeit und drücken die Hoffnung aus, dass sich immer mehr Menschen mit den erkrankten Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und deren Familien symbolisch verbünden und sagen: Ihr seid nicht allein.

Die Mitarbeiter des Kinderhospizdienstes haben es mit Kindern zu tun, die eigentlich noch ein ganzes Leben vor sich haben – und das durch Krankheit beziehungsweise eine Behinderung bedroht ist.

Deswegen ist die Kinder-Hospizarbeit auch etwas anderes als die Erwachsenen-Hospizarbeit. Sie beginnt nicht unbedingt am Ende, sondern häufig am Anfang des Lebens. Wir haben Kinder, die wir nur kurze Zeit begleiten und die dann versterben. Wir haben auch Kinder, die wieder gesund werden. Wir unterstützen die Familien zuhause, aber auch in der Klinik. Häufig begleiten wir Kinder, die immer wieder

Trotz Corona: Hospizbegleiter sind für schwerkranke Kinder und ihre Familien da

© privat

lebensbedrohliche Krisen haben, viele Jahre lang – das ist dann keine Sterbebegleitung, sondern eine Lebensbegleitung. Aber natürlich steht das Thema Tod immer im Raum.

Die Belastung für die Eltern ist unvorstellbar groß, oder?

Ja, sie ist immens. Die Eltern leisten Unglaubliches. Ganz besonders jetzt, in Corona-Zeiten. Wenn die Kinder in der Kinderklinik sind, darf nur ein Elternteil 24 Stunden mit dabei sein, eine weitere Person darf einmal am Tag kurz ablösen. Weitere Personen dürfen, anders als sonst, nicht in die Klinik. Kontakte von Eltern untereinander und auch Entlastungsangebote in der Klinik sind derzeit stark eingeschränkt. Das ist eine ungeheure Belastung.

Auch die Hospiz-Mitarbeiter können in der Klinik nicht vor Ort sein?

Wir kommen nicht in die Kinderklinik hinein und können also auch nicht unterstützen. Aber auch wenn die Kinder zuhause sind – und das ist ja überwiegend der Fall – , können wir oftmals nicht persönlich unterstützen, weil die Eltern möglichst viele Kontakte reduzieren, um das Ansteckungsrisiko für die ohnehin sehr infektanfälligen kranken Kinder zu minimieren. Das heißt, dass wir uns auch nicht um die Geschwister kümmern können. Die fallen ja oft "hinten runter", weil die kranken Kinder so viel Zuwendung brauchen. Den Geschwistern Aufmerksamkeit und Zeit zu schenken, etwas Schönes mit ihnen zu unternehmen, zu spielen und auch einmal Hausaufgaben mit ihnen zu machen, ist einer der Schwerpunkte unserer Arbeit.

Es bleibt viel auf der Strecke momentan. Sehen Sie eine Lösung?

Unsere Hospizbegleiter sind zwar fast alle durchgeimpft, aber es ist ja noch nicht geklärt, ob man nicht doch noch ansteckend ist. Wir halten vermehrt Kontakt über Telefon und Whatsapp und werden versuchen, mit Video-Chat zu arbeiten. Oftmals hilft aber auch schon eine telefonische Beratung. Wir möchten unser unbürokratisches und kostenloses Angebot, das viel über Spenden finanziert wird, publik machen – dass es uns gibt, wissen manche Eltern gar nicht.

Wie belastend ist die Hospiz- und Sterbebegleitung für Sie?

Natürlich ist die Arbeit nicht einfach, aber aufgrund unserer Zielsetzung dann eben doch machbar. Unser Ziel ist ja nicht, die Kinder zu heilen – das können wir ja auch gar nicht. Unser Ziel ist, den Kindern die Zeit, die sie haben, so gut es geht zu gestalten und den Eltern und Geschwistern zu helfen, diese Zeit so gut wie möglich durchzustehen und sie dabei zu begleiten.

Eine Frage nicht nur zur Kinder-, sondern generell zur Hospizarbeit: Das Sterben ist in Corona-Zeiten einsamer geworden. Die Hospizbewegung hat sich aber doch immer für das Gegenteil eingesetzt. Wie kommen Sie unter diesem Aspekt mit der derzeitigen Situation klar?

Eine der Ursprungsideen der Hospizarbeit ist, dass man Sterbende nicht allein lässt. Den Pionieren der Hospizarbeit ist gelungen, hier einen Wandel in der Gesellschaft anzustoßen. Ich finde es skandalös, dass so viele Menschen in den Heimen und in den Krankenhäusern alleine sterben müssen, obwohl in den bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen von Herrn Söder ganz klar drin steht, dass die Begleitungen von Sterbenden ausgenommen sind. Trotzdem werden wir wenig gerufen in die Heime und Krankenhäuser. Ich bin für jegliche Hygienemaßnahmen, absolut keine Frage. Aber genauso außer Frage steht für mich, dass bei Kontaktbeschränkungen bei Sterbenden eine Ausnahme gemacht werden muss.

Gibt es dafür nicht auch Beispiele?

Ja, es wird in manchen Einrichtungen möglich gemacht, dass Angehörige oder auch wir Sterbende begleiten, aber nicht überall. Um es ganz deutlich zu sagen: Dass Heime sich schützen wollen und müssen, ist selbstverständlich. Ich kann Ihnen auch ein Beispiel nennen, wo der Lebensgefährte zu seiner sterbenden Frau öfter und länger auf die Station durfte, das wurde dort möglich gemacht. Der Sterbeprozess ist ja oftmals auch länger.

Begleiten Hospizbegleiter auch sterbende Corona-Kranke?

Das machen wir – die Möglichkeiten sind da, wenn man uns abruft.

Wie wirkt es sich aus, wenn Menschen nicht zu ihren sterbenden Angehörigen dürfen?

Es hat weitreichende Konsequenzen. Die Menschen leiden manchmal jahrelang, vielleicht auch für den Rest ihres Lebens, wenn sie sich nicht noch einmal verabschieden konnten von ihren Angehörigen. Das Nicht-Abschiednehmen-Können erschwert die Trauer.

www.hospizverein-erlangen.de

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