Viel Freude

Trotz Vakzine-Mangel: Corona-Impfparty in Erlanger Restaurant

12.6.2021, 08:15 Uhr
Bei der Corona-Impfaktion in einem Erlanger Lokal gab es auch Aufklärungs- und Informationsbögen für die Impfwilligen. 

© Harald Sippel, NN Bei der Corona-Impfaktion in einem Erlanger Lokal gab es auch Aufklärungs- und Informationsbögen für die Impfwilligen. 

Corona-Impfstoff ist Mangelware. Im hiesigen Impfzentrum, das für Erlangen und Erlangen-Höchstadt zuständig ist, finden daher derzeit fast ausschließlich Zweitimpfungen statt. Noch immer warten dort etliche aus den Gruppen 2 und vor allem 3 auf einen Termin.

Während die Zentren, die über das Bayerische Impfmanagement gegen Corona, kurz Bayimco, laufen, also nur sehr wenig der wichtigen Vakzine verfügen, haben niedergelassene Ärzte hingegen wohl bisweilen sogar so viel davon, dass sie an einer Impfparty in einem Lokal teilnehmen können. So wie am Dienstagabend (8. Juni 2021) im Erlanger "Holzgarten".

83 vornehmlich Jüngere bekamen in dem Weinlokal und Restaurant in der Innenstadt ihre Immunisierung gegen Sars-CoV-2, dazu gratis ein Gläschen Wein, Wasser und Limo.

Ersteres organisierte Jörg Quente, ein in Erlangen lebender und in Fürth praktizierender Anästhesist und Notfallmediziner. Zweiteres steuerte der Gastronom und "Holzgarten"-Betreiber Tom Egelseer bei. Doch wie ist das angesichts grassierender Impfstoff-Knappheit überhaupt möglich?

200 Dosen bestellt

Der Nachbar von gegenüber, Jörg Quente, habe den Impfstoff besorgt, erzählt der 50-jährige Wirt diesem Medienhaus.

Der Mediziner habe dem Wirt folgenden Vorschlag unterbreitet: "Dann könnten wir einfach mal bei Dir unter Bekannten und Gästen herumfragen; das habe ich dann auch gemacht, weil ich mir gedacht habe, ich möchte speziell auch Jüngere fragen, die nicht unbedingt mein Publikum sind, dass die auch mal einfach wieder feiern können und auf die Straße gehen, ohne die Angst, sich mit dem Virus anzustecken." Mit Aufhebung der Priorisierung kann ja offiziell jeder eine Corona-Impfung bekommen, der möchte.

So haben Egelseers Kunden auch ihre Kinder gefragt, ob sie sich impfen lassen wollen. So waren neben einigen Älteren insbesondere 18- oder 23- und 24-Jährige unter den Impfwilligen. "Da ich der Meinung bin, je schneller wir alle geimpft sind, desto besser, habe ich gesagt: Lieber Herr Quente, das machen wir und das hat sich dann wie ein Lauffeuer verbreitet, wir haben letztlich 83 Impfungen geschafft."

Mit Aufklärungsbogen und Kartenlesegerät

Die Impfaktion selbst ist "relativ professionell aufgezogen", wie Egelseer sagt, im Lokal in der Holzgartenstraße über die Bühne gegangen, Anästhesist Quente hatte extra Aufklärungsbögen sowie ein Lesegerät für die Krankenkassenkarten mit im Gepäck sowie zwei Helfer: "Wir haben für Abstand gesorgt, jetzt dürfen ja wieder zehn Menschen aus zehn Haushalten zusammenkommen und zusätzlich die Fenster in unserem Restaurant geöffnet, so dass wir in lockerer Atmosphäre zusammen sitzen und den Abend genießen konnten, es war eine richtig schöne Impfparty, würde ich mal sagen."

Die Geimpften selbst seien "super, super" dankbar gewesen und hätten den für diesen Abend eigens georderten Kellnern ein gutes Trinkgeld gegeben.

Egelseer hatte in seinem privaten Umfeld "ganz viele" angerufen, aber die seien entweder schon geimpft oder dann auch tatsächlich gekommen.

Corona-Impfung an einem ungewöhnlichen Ort: Eine junge Frau wird wird in einem Erlanger Restaurant gegen Sars-CoV-2 geimpft. 

Corona-Impfung an einem ungewöhnlichen Ort: Eine junge Frau wird wird in einem Erlanger Restaurant gegen Sars-CoV-2 geimpft.  © Harald Sippel, NN

Da es aber zunehmend Debatten über die Social distancing-Folgen vor allem für junge Menschen gibt, ist der Gastronom der Meinung, "wenn Impfstoff da ist, der verimpft werden kann, soll man das auch tun." Ihn sei dabei wichtig gewesen, dass die Jungen drankommen.

Egelseer selbst ist schon seit Längerem geimpft: "Ich habe hier so und so viele Ärzte, die mir das angeboten haben", erzählt er. Als Gastronom sei das aber auch wichtig. Bedürftige, die noch keinen Termin haben, sollten das auch mit selbst in die Hand nehmen. "Ich glaube, es gibt Menschen, die sich einfach nicht darum kümmern, deshalb habe ich von meiner Seite aus gesagt: Wer Bock hat, der soll kommen."

Impfzentrumschef: "Grundproblem bleibt Verfügbarkeit"

Das können der Ärztliche Leiter des Erlanger Impfzentrums, Hans Joachim Drossel, und seine Mitarbeitenden nicht so sagen - selbst wenn sie wollten. "Grundproblem bleibt nach wie vor die knappe Verfügbarkeit des Impfstoffs", erläutert Drossel auf Nachfrage.

Da der Schwerpunkt der Impfkampagne zunächst darauf gelegen habe, möglichst vielen Menschen eine Erstimpfung zu ermöglichen, sei die nach wie vor geringe Gesamtmenge an Impfstoff aktuell für die Zweitimpfungen gebunden.

"Nach den uns vorliegenden Zahlen führen auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte deshalb derzeit überwiegend Zweitimpfungen durch, auch in diesem Bereich ist der Impfstoff noch immer knapp", so Drossel.

Ab nächster Woche (Kalenderwoche 24) sollten aber auch in den Impfzentren wieder Erstimpfungen möglich sein. Rein theoretisch wäre mehr möglich: "Wenn genügend Impfstoff vorhanden wäre, könnten das Impfzentrum mit seinen Außenstellen gemeinsam mit den Arztpraxen wohl um die 30 000 Impfungen in der Woche durchführen", sagt Drossel.

Das ist schon erreicht

Insgesamt solle man aber auch sehen, was schon erreicht ist, appelliert der Mediziner. Denn die Quote der Erstimpfungen im Zuständigkeitsbereich des Impfzentrums lag Ende der zurückliegenden Woche (KW 22) bei 48,2 Prozent, die Quote der Zweitimpfungen und damit der Anteil der Personen an der Gesamtbevölkerung, die vollständigen Schutz hatten, immerhin schon bei 25,7 Prozent.

"Es ist gut, dass die Priorisierung der Impfreihenfolge zumindest für die Impfzentren noch nicht aufgehoben wurde", findet Drossel. "Sobald wieder mehr Impfstoff vorhanden ist, können wir dann nämlich hoffentlich bald den Personen aus der Prioritätsgruppe 3 ein Impfangebot machen, die noch bei uns auf einen Termin warten."

Die 83 überwiegend jüngeren Menschen, die bei der Impfaktion in der Holzgartenstraße dabei waren, brauchen das jetzt nicht mehr, beim amerikanischen Vakzin Johnson & Johnson ist keine zweite Impfung nötig.

Den Impfabend im Lokal indes bewerten Impfzentrum und Ärztlicher Leiter nicht; nach Angaben der Pressestelle der Stadt Erlangen (das Impfzentrum läuft unter Federführung der Hugenottenstadt) ist der Einrichtung der Vorgang nicht bekannt und darüber hinaus für eine Beurteilung auch nicht zuständig.