Über die Zukunft der Siemens-Mitte in Erlangen

9.6.2018, 06:00 Uhr
Über die Zukunft der Siemens-Mitte in Erlangen

© Harald Sippel

Veränderungen stehen an. Große dazu. Für die Stadt und die Siemens AG gleichermaßen. Überhaupt für die gesamte Architektur der kleinen Großstadt. Indessen wächst und gedeiht der "Campus". Die Zukunft des Weltunternehmens nimmt sichtbar Formen an. Zurück bleibt bald schon die Vergangenheit. Und das ist auch eine Reihe von markanten Gebäuden entlang der Werner-von-Siemens-Straße, kurz: Siemens-Mitte genannt.

Darunter das blaue Hochhaus, die "Elefantentreppe" oder das "Bingelhaus" gleich nebenan. Dieses Gebäudeensemble wird sich in den kommenden Jahren rasch leeren. Denn die bisher übers Stadtgebiet verteilten Forschungs- Entwicklungs- und Arbeitsstätten werden bekanntlich auf dem Siemens-Campus gebündelt. Ein bündiges Konzept für die Nachnutzung dieser betagten und sehr unterschiedlichen Häuser tut Not. Dringend. Immerhin: Gedankenspiele gibt es bereits.

Wuchtig, prägnant, zentrumsnah

Das Ensemble "Siemens-Mitte" umfasst fünf Gebäude auf rund 35 761 Quadratmeter Grundfläche: Drei Bürohäuser, ein Mitarbeiterkasino sowie ein Parkhaus. Zudem befindet sich unterm "Roten Platz" wie teils auch unterhalb des Bürogebäudes "Elefantentreppe" eine zweigeschossige Tiefgarage. Überdies sind die Gebäude durch unterirdische Fußgängertunnel miteinander verbunden. Auch zum "Himbeerpalast" auf der anderen Straßenseite führt ein untergründiger Weg. Allerdings erscheinen diese Verbindungen inzwischen als "nicht mehr erforderlich" und für die Neugestaltung des Bereichs eher hinderlich.

Die Stadt ist gefordert. Unterschiedliche Interessen stehen im Raum. Aber am Ende soll’s eine gute Mischung werden: "Ziel ist es, ein urbanes und gemischt genutztes Quartier mit einem Dienstleistungs- und Büroschwerpunkt entlang der Werner-von-Siemens-Straße zu entwickeln". Direkt dahinter, gleichsam in zweiter Reihe, sei "konzeptabhängig auch Wohnen" denkbar, hieß es unlängst in einer Sitzung des Umwelt-, Verkehrs- und Planungsausschusses.

Abstimmung nötig

Dass nicht irgendwann jene Siemens-Gebäude plötzlich leer stehen, macht unbedingt Abstimmung nötig. Auch deswegen habe man schon frühzeitig angefangen, Gespräche zu führen – sowohl mit der Siemens AG als derzeitigen Nutzer als auch mit den Eigentümern der Liegenschaften, so Bau- und Planungsreferent Josef Weber. Vor allem der Austausch mit den Eigentümern steht dabei ganz obenan. Damit steht und fällt das Unterfangen. Einfach einen ausgeklügelten "Masterplan" über das Ganze zu stülpen, wie mehrfach von den Stadtplanern abverlangt wurde, führe eher an der Sache vorbei und mache keinen Sinn, so Weber.

Über die Zukunft der Siemens-Mitte in Erlangen

© Harald Sippel

Ein erstes Konzeptpapier liegt auf dem Tisch. Mit reichlich Zahlen darin. Demnach gibt es rund 1,05 Millionen Quadratmeter Büroflächen in Erlangen. Allein die Konzern-Büros entlang der Werner-von-Siemens-Straße sind da mit geschätzten 275 000 Quadratmetern dabei, was über 25 Prozent der gesamten Büroflächen ausmacht. Aber eingedenk der Tatsache, dass Siemens die rund 320 000 Quadratmeter der neuen Büro- und Gewerbeflächen auf dem Campus sicherlich selbst nutzen wird, wird die Stadt Erlangen sich in den nächsten zehn bis 15 Jahren wohl mit einem "Überangebot an Gewerbeflächen konfrontiert" sehen, wie es hieß. Allein jene 275 000 Quadratmeter als reine Büro- und Gewerbeflächen weiter zu vermieten, wird als "äußerst schwierig" gesehen. Umso wichtiger ist es, sich Gedanken zu machen, um dem drohenden Überangebot an Büroflächen andere Nutzungsmöglichkeiten entgegenzuhalten.

Monolithisch. Blau. Markant.

Das Siemens-Hochhaus bildet den weithin sichtbaren "Höhepunkt" des Quartiers, das es umzugestalten gilt. Allerdings steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Nur eine Aufhebung dieses Schutzes würde einen grundlegenden Umbau samt Kernsanierung ermöglichen. Und das wäre sinnvoll und bitter nötig. Auch weil die Fassade einer "nicht unerheblichen Asbestbelastung" unterliegt.

Über die Zukunft der Siemens-Mitte in Erlangen

© Harald Sippel

Aber alles scheint möglich. Denn auch das baugleiche Zwillings-Hochhaus in München wurde vom Landesamt vom Denkmalschutz befreit. So kann nun eine Umnutzung stattfinden. Die ehemalige Siemens-Konzernzentrale wurde 2006 verkauft. Stand schließlich über zehn Jahre leer, während sich das angrenzende Viertel nach und nach vom Gewerbegebiet zum Wohnviertel wandelte. Das Büro Meili Peter Architekten gewann schließlich 2015 den Wettbewerb samt Beauftragung für den Umbau zu einem Wohnhochhaus. Eine Vielfalt an Wohnungstypen mit Flächen von 42 bis 129 Quadratmeter wurde auf den 22 Etagen anvisiert. Ähnliches kann man sich auch in Erlangen vorstellen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der gegenüber liegende "Himbeerpalast" späterhin von der Universität genutzt wird, könnte das Hochhaus einer "Wohnnutzung für Lehrende und Lernende zugeführt werden", heißt es in dem Konzeptpapier.

Weniger klar ist, was mit dem Nachbar-Gebäude passiert, das als "Elefantentreppe" bekannt ist. Taugt die Bausubstanz, so dass das Haus erhalten werden kann, "erscheint eine Nachnutzung durch einen großflächigen Alleinnutzer sinnvoll". Nicht zuletzt wegen der gegebenen Struktur des Gemäuers wäre dann eine "universitäre Nachnutzung vorstellbar und wünschenswert".

Viel Aufwand

Zusammen mit der Elefantentreppe wurde 1982 auch die Tiefgarage (Roter Platz) gebaut und erst 2014 mit reichlich Aufwand saniert und modernisiert. Auf zwei Geschossen finden sich dort 453 Parkplätze. Das Ganze abzureißen sei allein aus wirtschaftlichen Gründen "nicht vertretbar". Und die Garagenzufahrt zu verlagern, gestaltet sich aus mehreren Gründen recht schwierig. Soll allerdings geprüft werden, um gegebenenfalls die Anwohner vom Zufahrtsverkehr zu entlasten.

Nicht so rosig scheint die Zukunft des "Bingelhauses" auszusehen – jedenfalls nach dem Konzeptpapier. Dem Gebäude wird eine "nicht erhaltenswerte Bausubstanz" bescheinigt und der Abriss empfohlen. Auch weil das Haus gleichsam einen Querriegel bildet und den Bereich in Richtung Innenstadt abschirmt. Ein wohlgestalteter Neubau könnte an dieser Stelle "städtebauliche Visionen" berücksichtigen und für neue Akzente sorgen. Wobei unter anderem auch eine gewerbliche Nutzung in Form eines Hotel-/Boardinghouse vorstellbar wäre. Aber der Ideen sind viele.

Auch Kasino abreißen?

Hinterm Bingelhaus steht das Mitarbeiterkasino. Dieser Flachbau könnte möglicherweise auch Bekanntschaft mit der Abrissbirne machen, damit die frei werdende Fläche "sinnvoll nachgenutzt" werden kann – ganz im Sinne einer modernen Quartiersentwicklung. Gleiches gilt für das Parkhaus, das hinter dem Hochhaus ruht. Ähnlich wie das Bingelhaus wirkt es wie ein lang gestreckter Riegel als Abschirmung zu den umliegenden Wohnhäusern. Ein Abriss würde die Öffnung des Areals ermöglichen und Platz schaffen für diverse Neubauten. In diesen Neubauten könnte man sich verschiedene Wohnformen vorstellen, moderne Bürowelten für lokale Unternehmen, kleine Einzelhandelsgeschäfte, Bäckereien oder Cafés — überhaupt alles, was man so gängig unter "Nahversorgung" verstehen kann.

Veränderungen stehen an. Und damit die Riesenchance, einen bislang prägenden Bereich der Stadt und die dort frei werdenden Flächen sinnvoll wie architektur-ästhetisch ansprechend umzugestalten – kein leichtes Unterfangen. Und sicherlich nichts für schnelle Entscheidungen. Indessen wächst und gedeiht der "Campus" immer weiter.

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