Wie Lili Marleen zur Erlanger Bergkirchweih kam

17.6.2019, 13:57 Uhr
Wie Lili Marleen zur Erlanger Bergkirchweih kam

© Christian Haustein

Sei beim Aufstieg zu allen Menschen nett. Du könntest ihnen auf dem Abstieg wieder begegnen.

Würde Irma Steinmüller noch leben, was würde sie sagen über ihren Berg? 50 Jahre lang war sie Festwirtin am Hofbräu Keller. Als erste Frau am Berg. Sie hat viel verändert, viel erreicht, die Bergkirchweih war wie eine Sucht, ein Lebenselixier. Und sie hat etwas geschaffen, was nicht wenige immer wieder als den schönsten Moment dieser zwölf Tage Wahnsinn nennen: Sie hat der Bergkirchweih Lili Marleen gebracht, das Lied zum Abschied.


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Ihre Tochter, Brigitte Haustein-Steinmüller, ist nun trotzdem noch einmal auf den Berg gekommen, um von Irma Steinmüller zu erzählen. Zum Interview sitzen wir unten am Hofbräu Keller. Brigitte Haustein-Steinmüller hat auch ihren Sohn Christian mitgebracht. "Meine Mutter war ja die älteste unter den Festwirten", sagt sie. "Gekannt hat das Lied nur die Generation, die im Krieg war. Einmal hat sie zur Kapelle gesagt, sie sollen es doch zum Abschluss spielen."

Die Wirtin dachte, dass es ein gutes Abschiedslied wäre. "Außerdem hat sie ihren Mann an der Kaserne kennengelernt, das Lied hat sie an ihn erinnert." Der Abschiedsabend hat sich dadurch verändert. "Früher spielte man am Erich Keller Blutwurst und Sauerkraut. Mehr gab es nicht", sagt Christian Steinmüller. Bis seine Oma Anfang der Achtziger auf die Idee mit dem Soldatenlied kam. Harry Neubauer von den Moskitos war damals schon am Berg, er lernte die Strophen, die Band spielte das Lied.

Und immer noch spielen die Moskitos am letzten Abend Lili Marleen. "Das Lied ist Kult geworden", sagt Brigitte Haustein-Steinmüller. "Meine Mutter fand das toll." Am Ende erinnerte es sie auch an ihren Ehemann, der während der Bergkirchweih-Zeit verstarb. Auch da hat Irma Steinmüller weitergemacht. "Es war ihr Leben", sagt die Tochter. Insgesamt führte die Familie 90 Jahre lang den Hofbräu Keller. Noch immer gibt es Notizbücher aus den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg, in denen per Hand der Umsatz aufgeschrieben ist. Einmal: Reingewinn 4,61 Mark.

Von 1950 bis im Jahr 2000 war Irma Steinmüller Festwirtin, danach übernahm ihre Tochter Brigitte. 2007 war das letzte Jahr der Familie am Keller. Die Brauereien haben in dieser Zeit gewechselt, bis zur Tucher, die jetzt noch das Bier für diesen Keller liefert.

Die Wirte, die sonst auch Gaststätten betrieben in der Stadt, blieben gleich. "Ich kannte den Berg als Kind und Jugendlicher nur von der anderen Seite", sagt Christian Steinmüller. Schon als 13-Jähriger hat er mitgeholfen. "Ich war auch schon in diesem Alter oben", sagt seine Mutter, "damals ging das noch".

Irma Steinmüller hatte für ihre Mitarbeiter hinten im Keller immer gekocht, "auch die Müllmänner haben morgens ihre Brotzeit bekommen", sagt Haustein-Steinmüller. Während des Betriebs war sie "der gute Geist hinten im Keller". Jeden Morgen um 6 Uhr kam die Wirtin hoch, auch vor der Kirchweih war sie am Keller, reparierte und strich beispielsweise die Bänke selbst.


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Auch die Phase der Plastikkrüge und das Loch im Berg, als vor 20 Jahren am Hofbräu Keller der Boden einsackte, hat sie miterlebt. Ebenfalls die Umstellung von Holzfässern auf Biertanks. Die Mitarbeiter waren auch größtenteils immer dieselben. "Am Schluss hatten wir Kellner in der zweiten Generation", sagt Christian Steinmüller.

Mit 75 Jahren hörte Irma Steinmüller auf, zumindest teilweise. "Sie kam immer noch jeden Morgen um 6 Uhr hoch, doch sie ging dann nachmittags wieder", sagt Haustein-Steinmüller. "Meine Mutter war topfit. Man hat sie auch immer jünger geschätzt." 2005 ist Irma Steinmüller gestorben, selbst in diesem Jahr war sie zuvor noch am Berg gewesen.

Christian Steinmüller war seither ein paar mal oben, in diesem Jahr als Rettungssanitäter einen Abend lang. Mutter Brigitte kommt nicht mehr. Das Kapitel, so scheint es, ist abgeschlossen. Irgendwann, meint sie, müsse man damit abschließen. "Es sind andere Zeiten." Wie es Irma Steinmüller sehen würde, kann man sie leider nicht mehr fragen. Ihre Geschichte aber ist wahre Berg-Geschichte. Und auch ihre Sprüche, wie unser Einleitungssatz, gelten weiter.

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