Wo Waldluft auch die Städter »frei« macht

14.6.2010, 00:00 Uhr
Wo Waldluft auch die Städter »frei« macht

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Als vor 40 Jahren der damalige Forstmeister und spätere Forstdirektor Helmut Horneber durch den Sebalder Forst streifte, war dieser mehr ein Ort des Schreckens denn der Erholung: Die Waffenbrüder der US-Armee hatten mit ihren GIs und Kettenfahrzeugen aus weiten Teilen des Waldes einen Truppenübungsplatz gemacht, »im damals noch eiskalten Krieg«, so Horneber, »wollten sie sogar noch mehr Gebiete haben«. Um dies zu verhindern, aber auch um aus dem einstigen Steckerleswald einen richtigen Forst zu machen, pilgerte Horneber ins damalige Landratsamt des Landkreises Erlangen (den gemeinsamen Landkreis Erlangen-Höchstadt gab es da noch nicht) und traf dort nicht nur bei Landrat Heinz Beckh auf offene Ohren, sondern auch auf einen jungen Oberregierungsrat, der für die Idee sofort Feuer und Flamme war: Dietmar Hahlweg, der Mann, der später und für lange Zeit Oberbürgermeister der jungen Großstadt werden sollte und die Stadt danach »ergrünen« ließ.

Nürnberg ins Boot geholt

Nach Ansicht seiner »Erfinder« sollte es das gemeinsame Ziel aller umliegenden Städte, Gemeinden und Landkreise sein, den Sebalder Reichswald in seiner wesentlichen Substanz auch für die Zukunft als Naherholungsgebiet zu erhalten und zu entwickeln. Dazu musste die Großstadt Nürnberg ebenso mit ins Boot geholt werden wie alle Landkreise, die Teile des Sebalder Reichswaldes in ihrer Gemarkung hatten, sollten auch kleinste Gemeinden nicht nur vom neuen Erholungsgebiet profitieren, sondern sich auch dafür engagieren.

Bei der Gründung des Vereins »Naherholungsgebiet Sebalder Reichswald e.V.« am 13. Januar 1970 in der Schloss-Gaststätte in Kalchreuth gehörten dem Verein zwei Landkreise, rund 20 Märkte und Gemeinden, drei Städte (Nürnberg, Erlangen und Lauf) sowie der Freistaat Bayern an, von dem man sich, schon wegen der Pflege durch den Staatsforst, besondere Zuwendung erhoffte. Eine Hoffnung, die sich auch als berechtigt erweisen sollte - jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt vor einigen Jahren, als der Freistaat seine Förderung einstellte.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, selbst ein Verfechter des Naherholungsgedankens, wollte trotz des Jubiläums und bei einem Treffen an der Dürer-Quelle unterhalb der Gemeinde Kalchreuth keine wie auch immer gearteten Förderzusagen machen - Landrat Eberhard Irlinger, als Landrat des Landkreises Erlangen-Höchstadt heute satzungsgemäß Vereinsvorsitzender, hatte angesichts der klammen Haushaltslage Verständnis für die »zugeknöpfte« Haltung des Ministers, der aber seine »moralische Unterstützung« zusicherte. Ein Teil der »Leistung« des Freistaats habe im übrigen auch darin bestanden, dass der Sebalder Forst trotz militärischer Nutzung im eigenen Besitz geblieben ist - ein Sonderfall in der Bundesrepublik.

Herrmann erinnerte auch daran, dass Bayern nicht nur der größte Waldbesitzer Europas ist, sondern trotz des ungebremsten Flächenverbrauchs für Verkehr, Wirtschaft und Siedlungstätigkeit in Bayern gleichwohl die Waldfläche weiter wächst. Und dass der Wald durch dessen »Umbau« heute ungleich hochwertiger sei als vor 40 Jahren.

Treffpunkt Dürer-Quelle

Dass sich Gründer, Forstleute, Kommunal-, Bezirks- und Landespolitiker an der Dürer-Quelle zum Jubiläum trafen (und dort von der Parforce-Bläsergruppe Aurachgrund angefeuert wurden), hatte gute Gründe: Die Quelle, deren Neufassung erst in diesen Tagen abgeschlossen wurde, ist Sinnbild des jahrhundertelangen Strebens der Städter in die Natur, war doch Albrecht Dürer einer der ersten dokumentierten Besucher, wie eine Skizze der Quelle in Dürers Werk ausweist. Für die »freie und Reichsstatt« wies Stadtrat Michael Brückner darauf hin, dass Nürnberg der größte Beitragszahler ist - die Stadt war zudem mit dem ehemaligen Stadtrechtsdirektor Hartmut Frommer, dem »Motor der Naherholungsbewegung«, wie es Forstdirektor Peter Pröbstle ausdrückte, vertreten.

Landrat Eberhard Irlinger kündigte als Vereinsvorsitzender an, dass man sich weiterhin um Fördermittel für den Sebalder Reichswald bemühen werde, um den Erholungsnutzen auch weiterhin zu garantieren. Wie schnell nämlich aus einem der Entspannung dienenden Rad-Ausflug durch den Reichswald ein Abenteuer werden kann, musste Joachim Herrmann erleben, als er bei den Kreuzweihern in einen demolierten Radweg geriet. Das Forstamt hatte mit seinen Holzernte-Maschinen, den Harvestern, aus dem Radweg eine BMX-Übungsbahn gemacht.