Wohnungsnot in Erlangen: AfD schießt gegen Stadtspitze

5.4.2019, 14:46 Uhr
Wohnungsnot in Erlangen: AfD schießt gegen Stadtspitze

© Foto: Harald Sippel

Wer schon einmal das Unglück besessen hat, sich nach einer Wohnung in Erlangen umsehen zu müssen, der weiß, was es bedeutet, wenn es zu wenig Wohnraum für zu viele Menschen gibt. Wartelisten bei der Wohnungsbesichtigung, eine Art Casting aller Bewerber, die dann mit allerlei Tricks versuchen, den Wohnungsinhaber zu beeinflussen. Und trotzdem bleiben die Wohnungen dann vor allem: teuer.

Laut Mietspiegel 2017 muss man 8,14 Euro im Durchschnitt für den Quadratmeter bezahlen, das sind 10,6 Prozent mehr als 2013. 72 Prozent aller Erlanger empfinden ihre Mietkosten, das ergab eine Befragung 2016, als eine mindestens hohe Belastung.

Mehr als 1800 Anträge von Wohnungssuchenden

Besonders betroffen sind allerdings Menschen in sozial benachteiligten Lebenslagen. Der städtischen Wohnungsvermittlung liegen über 1800 Anträge von Wohnungssuchenden vor, die sich keine Wohnung auf dem freien Markt leisten können. Darunter sind nicht wenige, die ein mittleres Einkommen beziehen. Alle 3000 öffentlich geförderten Wohnungen sind belegt, das Angebot ist ständig ausgelastet.

Das sorgt nun sogar dafür, dass obdachlos gewordene Bürger die Notunterkünfte mit sogenannten "Fehlbelegern" teilen müssen. Gemeint sind anerkannte Flüchtlinge, die einen Anspruch auf eine eigene Wohnung haben, aber mangels vorhandenen Wohnraums in Unterkünften leben müssen. "Eine Entschärfung der Situation ist nicht in Sicht, da noch eine nicht konkret zu beziffernde Zahl an Familiennachzüglern erwartet wird", heißt es in einem öffentlichen Bericht des Sozialamts der Stadt, der Ende März dem Stadtrat vorgelegt wurde.

"Aktuell sind alle Objekte restlos belegt"

408 Menschen, davon 102 Kinder, listet das Amt auf, wohnen derzeit in Obdachlosenunterkünften der Stadt. Eine Fluktuation in diesen Unterkünften findet, wie auch in den Sozialwohnungen, kaum mehr statt – die Wohnungsnot ist zu groß.

Darauf reagierte die Stadt bereits mit diversen Wohnungsbauprogrammen und sogar einer gesetzlichen Verpflichtung im Baurecht, die sozialen Wohnungsbau fördern soll. Doch all die Maßnahmen reichen nicht aus, vor allem im Hier und Jetzt merkt man das. In Fettdruck steht in der Mitteilung wörtlich: "Aktuell sind alle Objekte restlos belegt; es gibt keine Vakanzen mehr."

Diese Situation ruft nun die sogenannte Alternative für Deutschland (AfD) auf den Plan. Der Bundestagsabgeordnete für Nürnberg-Nord, Martin Sichert, schreibt in einer Pressemitteilung in diesem Zusammenhang von einer "Bankrotterklärung der Willkommenskultur". Für ihn sei "die Situation in Erlangen katastrophal", Schuld seien die Politiker, die eine "massive Zuspitzung am sozialen Wohnungsmarkt durch die Willkommenspolitik" provozieren. Sichert fordert die Stadträte auf, ihrer "Aufgabe nachzukommen, sich um die Bedürftigen in Erlangen zu kümmern, anstatt neue Sozialleistungsbezieher in die Stadt zu holen".

OB Janik sagt: "Wohnen ist ein Menschenrecht"

"Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist die große soziale Herausforderung – in Erlangen und in vielen anderen Großstädten", findet Oberbürgermeister Florian Janik. "Wohnen ist ein Menschenrecht. Und es wollen viele Menschen gerne in unserer Stadt leben und arbeiten."

Es sei eine große Herausforderung, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. "Aber diese Herausforderung lösen wir nicht, in dem wir Menschen gegeneinander ausspielen, sondern nur durch den Neubau von bezahlbarem Wohnraum", so Janik weiter. Jüngst machten zudem die Erlanger Linken (ERLI) einen Vorstoß, es sei an der Zeit ist, "gegen den Mietwahnsinn" vorzugehen.

"Stimmung auf dem Rücken der Schwächsten"

Bürgermeisterin Elisabeth Preuß zeigt sich regelrecht schockiert von den Äußerungen der AfD: "Hier wird Stimmung auf dem Rücken der Schwächsten in unserer Gesellschaft gemacht. Wir haben als Stadt den Anspruch, den Menschen in Wohnungsnot ebenso zu helfen wie den Menschen, die in unserem Land Schutz suchen." Der Sozialreferentin ist wichtig klarzustellen, dass "bei der Vergabe von Wohnungen wir Menschen bewusst nicht danach beurteilen, wo sie herkommen, sondern in welcher sozialen Situation sie sich befinden." Der Vorwurf, eine Gruppe würde bevorteilt, "geht ins Leere".