Zum Kitzmann-Aus: Wenn J.B.O. das Geld von Rammstein hätte

2.1.2019, 11:54 Uhr
Zum Kitzmann-Aus: Wenn J.B.O. das Geld von Rammstein hätte

© Berny Meyer

Der 27. Februar 2019 war ein ganz besonderer Tag. An diesem Tag war für mich endgültig ein Kapitel Erlanger Braugeschichte vorbei. Für mich ganz persönlich. Denn an diesem Tag endete laut Etikett die Haltbarkeit des fränkischen Rotbiers, das gut verstaut in meinem Keller lagerte. Kurz nachdem das Ende der Kitzmann-Bier-Produktion in der Traditions-Braustätte an der Südlichen Stadtmauerstraße in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zum 1. Oktober 2018 verkündet war, hatte ich mir einen Kasten dieser Sorte gekauft - und zwischen meiner Hausmarke deponiert.

Ja. Ich gestehe. Kitzmann war nicht meine Hausmarke, sondern es ist das Pyraser Bier. Wie so viele Erlanger bin ich ein Zugezogener und habe mir mein Lieblingsbier mitgebracht. Schließlich spielte mein Vater in der Altherren-Fußballmannschaft von Eysölden im südlichen Eck von Mittelfranken. Als kleiner Junge wurde ich immer verdonnert, den Torwart der Mannschaft mit Bier zu versorgen. Zwei Halbe pro Halbzeit holte ich aus den Sportheimen zwischen Greding und Hilpoltstein - am meisten freute er sich, wenn es ein Pyraser war.

Kitzmann-Bier war für mich vor allem ein Stück Kulturgeschichte. Eine Brauerei mit großer Tradition mitten in der Innenstadt. Als Student erschnupperte man, wenn wieder ein Sud angesetzt wurde. Bei der Bergkirchweih fluchte man regelmäßig, wenn ein zu süffiges Kitzmann-Festbier für Kopfweh am nächsten Morgen sorgte.

Damalige Stadtrandlage

Blicken wir ins Stadtlexikon: 1712 erhielten Leonhardt Weynand Buirette v. Oehlefeld und Christoph Bever das mgfl. Privileg zur Errichtung eines Brauhauses in damaliger Stadtrandlage. 1724 ging die spätere Kitzmann-Bräu an Georg Vierzigmann, der bereits 1729 eine weitere Brauerei eröffnete (Hofbräu AG). Nach der Ära Vierzigmann gab es ab 1797 vier Besitzerwechsel, bis schließlich 1833 Johann Lorenz Kitzmann die Kitzmann-Bier-Dynastie begründete.

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© Archivfoto: Kitzmann

Nach den beiden Weltkriegen wuchs die Firma in den 1950er und 1960er Jahren kontinuierlich. Karl Kitzmann, der die Leitung ab 1959 inne hatte, setzte mit Erfolg auf die Belieferung von Großbaustellen mit Flaschenbier. Der Entschluss der Patrizier-Bräu Nürnberg, die beiden anderen Erlanger Braustätten (Henninger-Reif und Erich) 1974/75 zu schließen, steigerte den Ausstoß bei Kitzmann, denn das Erlanger Lokalbewusstsein ließ viele Biertrinker dem in der Stadt Gebrauten treu bleiben, was der Slogan "Unser Erlanger Bier" widerspiegelte. 1983 wurde erstmals die Marke von 100.000 Hektolitern überschritten. Die Kitzmann Brauerei hielt also bis zum 1. Oktober 2018 als einzige Sudstätte ununterbrochen die Tradition der "Bierstadt Erlangen" aufrecht.

Wunderbares Schauspiel

All das wird nun fehlen - und noch viel mehr. Beispielsweise die Erlanger Bierkönigin. Ein Titel, den die Brauerei 1999 kreierte. Ein wunderbares Schauspiel war jedes Jahr am Berg das Treffen der amtierenden Königinnen mit ihren Vorgängerinnen, zu dem auch "Hoheiten" aus anderen Städten und Landstrichen willkommen waren. Und mittendrin der strahlende Brauerei-Chef Peter Kitzmann. Die Familie Kitzmann benannte gar einst eine "Brauereikünstlerin auf Lebenszeit": die 2016 verstorbene Hildegard Heidecker, die für ihre großen Wandmalereien bekannt war. Die von ihr mit Liebe zum Detail gefassten 27 Porträts von Persönlichkeiten aus Brau- und Gastgewerbe, Politik und Kultur, die die Wand in der Bräuschänke schmücken, verkörperten (Bier-)Geschichte(n) der Stadt. Die Ahnen der Bierbrauerfamilie Kitzmann fehlen ebenso wenig wie Markgraf Friedrich, der Gründer der Erlanger Universität, oder die früheren Oberbürgermeister Michael Poeschke und Heinrich Lades oder die Brau-Herren Henninger und Erich sowie Originale der Bergkirchweih, wie Festwirt Toni Trautner.

Künstlerin und Humorist

Und neben der Brauereikünstlerin gab es mit Klaus Karl-Kraus sogar noch einen Brauerei-Humoristen, der bei fast keiner Kitzmann-Veranstaltung fehlen durfte.

Kitzmann-Bier spielte auch in der lokalen Rockmusik eine große Rolle. Weit über die Grenzen Erlangens hinaus. Dafür sorgten die Spaßrocker von "J.B.O.". So sangen die Jungs in "Kitzmann-Rock-’n’-Roll": "Drum blasen wir zum Halali/ Auf alles was wie Bier aussieht,/ Doch machen wir ’nen Unterschied/ Denn Kitzmannbier ist unser Fachgebiet/ Wir trinken oft zu derben Klängen,/ Wir trinken Kitzmannbier in Mengen/ Wir spielen laut, wir spielen schnell/ Denn das ist unser Naturell." Es gab sogar eine J.B.O.-Kitzmann-Sonderedition.

Dementsprechend geschockt war auch Sänger Vito C., der nach einem sprachlosen Moment gegenüber den EN verkündete: "Wenn wir 'Rammstein' wären, würden wir Kitzmann kaufen."

"Ersatz"-Gerstensaft

Da aber kein Mäzen aufgetaucht ist, um die Brauerei in die Zukunft zu führen, wanderten die Namensrechte nach Kulmbach zum dortigen Getränke-Großkonzern. Immerhin: Es gibt auf dem Brauerei-Gelände weiterhin die Kitzmann-Bräuschänke und das Bräu-Kontor. Dort gibt es zwar dann kein in Erlangen gebrautes Kitzmann-Bier mehr, aber zumindest den "Ersatz"-Gerstensaft aus Oberfranken. Das Original Fränkische Märzen aus der Südlichen Stadtmauerstraße ist allerdings Geschichte - leider.

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