Indischer Lieblingsplatz

Zwischen den Baiersdorfer Kirchen

14.8.2021, 15:35 Uhr
Pfarrer Mathew Kiliroor hat seinen Lieblingsplatz selbst gestaltet.

© Harald Hofmann, NN Pfarrer Mathew Kiliroor hat seinen Lieblingsplatz selbst gestaltet.

Der Lieblingsplatz ist meistens einfach schon da. So, wie er vorgefunden wird, ist er perfekt. Seine Wirkung: umwerfend. Hinsetzen, die Umgebung auf sich wirken lassen, und genießen. Doch solche Plätze entstehen nicht einfach so. Sie werden gemacht. Entweder von Mutter Natur oder von Menschenhand.

Als Pfarrer Mathew Kiliroor vor 23 Jahren nach St. Josef in Baiersdorf kam, fand er den Platz zwischen der modernen und der alten Kirche (heute Turmsaal) alles andere als behaglich. „Der Platz vor der Kirche muss einladend sein“ erklärt der 73-Jährige. Weshalb er die maroden Nadelbäume entlang der Kirchenmauer fällen ließ und die Laubbäume mit jüngeren Artgenossen bestückte.

Mit Hilfe von Bekannten

Da kein Geld für Gartenplaner vorhanden war, griff Pfarrer Kiliroor auf freundschaftliche Hilfe von Bekannten zurück. Sodann ersetzte er die Platten aus gruseligem Waschbeton durch ein neutrales graues Pflaster. Und das Wiesenstück zwischen den Gebäuden erhielt ein Blumenbeet. Zurzeit leuchten dort die Farben in Rot, Orange, Zartrosa und Violett, blühen Dahlie, Hortensie, Phlox und Sonnenbraut um die Wette. Dazwischen summen Bienen und Hummeln.

So hat sich dieser Platz nicht nur für seinen Gestalter zum Lieblingsplatz gemausert, sondern noch für viele andere Besucher. „Eine Frau erzählte mir, dass sie immer zehn Minuten vor dem Gottesdienst hier eintrifft, damit sie solange die Blumen betrachten kann“, erzählt der Seelsorger aus Indien.

Statue des Kirchenpatrons

Auch in der zeltartigen Kirche St. Josef, 1965 fertig gestellt, hat Pfarrer Kiliroor einen Lieblingswinkel. Nämlich da, wo die Statue des Kirchenpatrons steht. Um den zu erkennen, benötigt der Betrachter ein Quantum an Fantasie. „Mir ging es damals genauso, ich kam in die Kirche, suchte den Josef und fand ihn nicht. Dabei stand er die ganze Zeit hier.“

In der Kirche mag der Pfarrer besonders die Statue des Kirchenpatrons Josef.

In der Kirche mag der Pfarrer besonders die Statue des Kirchenpatrons Josef. © Harald Hofmann, NN

Woran lag es? „Die Leute stellen sich den Josef immer als alten Mann mit langem Bart und einer Lilie in der Hand vor, daneben Maria und das Jesuskind“, erläutert der Pfarrer. Diese Figur aber steht einsam und sehr schlicht da, weist mit der offenen rechten Hand nach hinten und mit dem Pilgerstab nach vorne. Der Kopf wirkt wie ein ovaler Ball mit Knopfaugen. Gestaltet von Heinrich Kirchner, passt die Figur eher zu Kirchners Artgenossen in den Erlanger Skulpturengarten oder auf eine Weide, statt in einen Kirchenraum.

Erst auf den zweiten Blick

Das fanden 1966 auch die Entscheidungsträger in Bamberg, die mit der Figur nichts anfangen konnten und in der Besenkammer eines Klosters versteckten. Bis der damalige Pfarrer mit kräftigen Mannen den Josef heimholte, zur Eingewöhnung erstmal in der Bibliothek und schließlich in der Kirche platzierte. Heute ist der schlichte Josef dort nicht mehr wegzudenken. Und für Pfarrer Kiliroor wirkt er als ein Sinnbild für Dinge und Menschen, die einen zweiten und dritten Blick benötigen, bis sich ihre Wertschätzung einstellt.

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