Zwist statt Solidarität zum 1. Mai in Erlangen

1.5.2020, 06:00 Uhr
Zwist statt Solidarität zum 1. Mai in Erlangen

© Harald Sippel

Die Verärgerung ist Wolfgang Niclas, dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für Erlangen und Erlangen-Höchstadt, deutlich anzuhören: "Der DGB hat sich wegen möglicher Ansteckungsgefahren bewusst gegen eine öffentliche Demonstration ausgesprochen und die diesjährige Kundgebung ins Netz verlegt – das haben wir gemeinsam beschlossen und daran halten wir natürlich fest." Der DGB weicht wegen Covid-19 unter dem Motto "Solidarisch ist man nicht allein" diesmal zu einer virtuellen Kundgebung ab 11 Uhr in den sozialen Netzwerken und auf seiner Webseite aus (www.dgb.de/erstermai).

Dass jetzt in Erlangen für den 1. Mai dennoch einige Gewerkschaftsmitglieder und Betriebsräte bei der Stadt eine Veranstaltung für 50 Teilnehmer angemeldet haben, hält der 68-Jährige für unsolidarisch. "Das ist ein erster Schritt zur Spaltung", sagt Niclas empört. In der langen Gewerkschaftsbewegung haben sich immer wieder Gruppen abgetrennt, so gibt es etwa christliche, kommunistische oder auch gelbe (reaktionäre) Gewerkschaften. Von all diesen Aufteilungen hält er gar nichts – und daher geht Niclas auch heute "keinesfalls" zum Neustädter Kirchenplatz. Zumal für Niclas dort die parteipolitische Ausrichtung einiger Mitinitiatoren noch erschwerend hinzukommt: "Unsere DGB-Kundgebungen sind keine Parteiveranstaltungen; das ist bei dieser Aktion anders."

Tatsächlich haben den Aufruf unter anderem die beiden Linken-Politiker Lukas Eitel und Johannes Pöhlmann unterzeichnet, Letzterer wird auch dezidiert als ErLi-Stadtrat ans Mikrofon treten. Den Vorwurf, es handle sich am 1. Mai um eine reine "Parteiveranstaltung", will Hauptorganisator Winfried Fleischmann aber nicht gelten lassen. Der Gewerkschafter vom IG Metall-Seniorenarbeitskreis spricht von einem "überparteilichen Parteienbündnis", das "aus Eigeninitiative" eine Veranstaltung auf die Beine gestellt habe. Diese sieht Fleischmann als "Ergänzung" zur DGB-Online-Kundgebung, und nicht als Abspaltung.

Seiner Meinung nach hat der DGB die 1. Mai-Kundgebung im März "voreilig abgesagt". Nun, da sich die Situation entspannt hat und Demonstrationen unter Auflagen wieder erlaubt sind, hätten sich einige Gewerkschafter "ihren" Tag der Arbeit gerade in einer Zeit von Massenkurzarbeit und Pflegenotstand nicht nehmen lassen wollen. Dass an den DGB-Veranstaltungen in der Regel am Tag der Arbeit bundesweit tausende Menschen teilnehmen und dass das in Zeiten einer Seuche unverantwortlich wäre, sagt Fleischmann aber nicht.

Demo mit Mundschutz

Stattdessen erläutert er das Sicherheitskonzept: Markierungen auf dem Boden zeigen, wo die höchstens 50 Demonstranten mit gebührendem Abstand voneinander stehen dürfen. Weitere Teilnehmer müssen sich jenseits der durch Flatterbänder abgetrennten Zone aufhalten. "Wir ermutigen jeden, zusätzlich Mundschutz zu tragen", sagt Fleischmann, "der Gesundheitsschutz hat bei uns oberste Priorität". Dass es bei der Veranstaltung auch nicht, wie sonst am Tag der Arbeit, Essens- und Getränkestände gibt, versteht sich von selbst.

Hier geht´s zum Podcast. Gast: Der mittelfränkische DGB-Vorsitzende

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