Lebensmittel der Zukunft

Erlanger Gründer setzt auf Insekten-Mehl: "Das Lebensmittel der Zukunft"

18.7.2019, 12:31 Uhr
Sven Hochstrat (re.), Gründer und Geschäftsführer von Imago Insect Products, hat gemeinsam mit dem Erlanger Bäcker (Jonas Bornitzky) an den Rezepten für Dinkelbrot und Knäckebrot experimentiert.

© Thomas Tjiang, NZ Sven Hochstrat (re.), Gründer und Geschäftsführer von Imago Insect Products, hat gemeinsam mit dem Erlanger Bäcker (Jonas Bornitzky) an den Rezepten für Dinkelbrot und Knäckebrot experimentiert.

Geht es nach dem Erlanger Sven Hochstrat, würden sich Insekten viel häufiger auf dem deutschen Speiseplan finden. Es müssen ja nicht gleich frittierte Skorpione am Spieß sein, die in manchen Ländern auf Märkten angeboten werden. Hochstrats Unternehmen Imago Insects setzt lieber auf ein Mehl aus Grillen. Das kann Brot, einer Bolognese-Soße oder Müsli-Riegeln beigemischt werden. Mit einem Erlanger Bäcker experimentiert er in der Backstube, um optimale Rezepturen für Dinkelbrot und Knäckebrot sowie Müsli- und Schokoriegel zu kreieren. Für den hauptberuflichen Ingenieur ist klar: "Insekten sind das Lebensmittel der Zukunft."


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Er ist nicht der einzige, der Insekten als Lebensmittel anpreist: Das Osnabrücker Start-up Bugfoundation etwa produziert Burger, die aus zermahlenen Buffalowürmern hergestellt werden und in Supermärkten und bei der Kette "Hans im Glück" zu kaufen sind. Bold Food aus Bremen vertreibt ebenfalls Burger aus Buffalowürmern. Hinter dieser Bezeichnung verbergen sich die Larven eines Getreideschimmelkäfers, die eine niederländische Firma zu Mehl verarbeitet. Die Pforzheimer Firma Plumentofoods verkauft Insektennudeln, Swarmprotein aus Köln Sportlerriegel mit Insektenprotein.

Dabei löst die Vorstellung von Insekten auf dem Teller in Europa bei vielen noch ein entsetztes Schütteln aus. 20 Prozent der Menschen seien begeistert von der Idee, bei den anderen sei viel Überzeugungsarbeit notwendig, erklärt der Erlanger Sven Hochstrat. Seiner Erfahrung nach lehnen ein Drittel der Menschen essbare Insekten komplett ab und wollen sie auch nicht probieren.

Doch die kleinen Krabbler gelten als idealer Fleischersatz. Der Nährwert der Grillen kann sich sehen lassen. So liegt deren Proteinanteil, der alle essenziellen Aminosäuren enthält, mit gut zwei Dritteln fast dreimal so hoch wie bei Huhn, Rind oder Lachs. Zudem sind Grillen reich an Omega-3-Fettsäuren, Mineralien und Vitamin B12. Insekten sind optimale Futterverwerter. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) rechnet vor: Im Durchschnitt können Insekten zwei Kilogramm Futter in ein Kilo Insektenmasse umwandeln, wohingegen Rinder acht Kilo Futter für zwei Kilo Fleisch benötigen. Außerdem werde bei der Produktion von Insekten weniger CO2 erzeugt als in der konventionellen Viehhaltung.

Sein Grillenmehl bezieht Imago Insects von Zuchtfarmen in Thailand. Der Wasserbedarf der Grillen werde durch das Gemüse als Futter gedeckt. Hochstrats Partnerfirma füttere unter anderem mit Kürbis. Deren Geschmacksnote würden dann auch die Insekten annehmen. Ab Herbst, kündigt er an, werde sein Unternehmen auch ganze geröstete Insekten im Angebot haben.


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Hochstrat selbst ist seit Jahren Vegetarier, weil ihm Tierwohl und Nachhaltigkeit in der klassischen Fleischproduktion fehlen. Dagegen beißt er beherzt in frittierte Grillen. Mit dieser Haltung liegt er im Trend. Die FAO macht sich schon seit Jahren für den Verzehr von Insekten durch Menschen stark. Sie sieht angesichts der wachsenden Weltbevölkerung in den mehr als 1.900 bekannten essbaren Insektenarten einen Weg zur Nahrungssicherung. Gleichzeitig widerspricht die UN-Organisation dem Vorurteil, dass auf der Welt Insekten nur in Zeiten von Hungersnöten als Lebensmittel verzehrt würden. In Teilen von Asien, Afrika und Lateinamerika werden Insekten seit jeher gegessen. Sie tragen laut FAO zur Ernährung von rund zwei Milliarden Menschen bei.


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Hochstrat verspeiste seine ersten Insekten auf einer Asienreise als "Mutprobe". "Das hat nicht geschmeckt", gibt er zu. Aber eines Tages entdeckt er in Thailand leicht frittierte Mehlwürmer mit etwas Salz und Zucker. Daraufhin gründet er 2015 als einer der ersten europaweit eine Firma. Das war zu früh, wie er mit Blick auf den gescheiterten Start konstatiert. Damals sei er noch vom deutschen Lebensmittelrecht ausgebremst worden. Auch wenn man bis heute in Deutschland die Insekten nicht züchten darf: Als Zutaten für eine Bolognese-Soße oder Burger-Bratling sind sie mittlerweile erlaubt. Seit der Novel-Food-Verordnung der EU von 2018 zählen essbare Insekten zu neuartigen Lebensmitteln. Vor diesem Hintergrund hauchte Hochstrat gemeinsam mit seiner Frau der Firma neues Leben ein. Mittlerweile bieten in Deutschland mehrere Handelsketten in ihren Märkten Insektenprodukte an, und Gastronomen servieren neugierigen Gästen Insektengerichte.

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