Es trifft häufig die Falschen

4.12.2019, 18:34 Uhr
Es trifft häufig die Falschen

© Foto: Ralf Rödel

Die SPD-Politikerin kennt die Fälle, sie landen häufig auf ihrem Schreibtisch im bayerischen Landtag. Hiersemann gehört dem Petitionsausschuss an, jenem Gremium, an das sich Menschen in höchster Not wenden, wenn sie sich falsch behandelt fühlen, wenn sie mit dem Staat und seinen Entscheidungen hadern. Vieles von dem, was bei ihr landet, bewegt die 59-Jährige, selbst wenn sie oft nur wenig bewegen kann. Vor allem drei Schwerpunkte habe die Arbeit, sagt sie: Gnadengesuche Inhaftierter, die sich zu unrecht verurteilt sehen oder über persönliche Katastrophen ins Chaos gestürzt sind; Bauangelegenheiten, die meist aber in die Zuständigkeit von Kommunen fallen; und Asylfälle.

Das war an sich schon immer so. Doch in den vergangenen Monaten, sagt Alexandra Hiersemann, habe die Zahl der Petitionen gerade von Flüchtlingen deutlich zugenommen. Und das, obwohl die Zahl der Flüchtlinge seit einiger Zeit kontinuierlich sinkt. Für Hiersemann zeigt sich darin "grundsätzlich die Problematik, wie der Staat mit ihnen umgeht": härter und weniger nachsichtig.

Als Beispiel wählt sie den Fall eines jungen Afghanen, der seit Jahren in Oberfranken lebt, seinem alten Glauben den Rücken gekehrt hat und zum Christentum gewechselt ist. Für manche, auch in der Verwaltung und selbst an Gerichten, ist so ein Wechsel nicht glaubwürdig. Sie halten ihn für vorgeschoben, weil Konvertiten nicht in ihre Heimat abgeschoben werden können – dort wären sie in Lebensgefahr, weil sie dort als Verräter gelten.

Ernsthafter Wille

Hiersemann empört diese Haltung. Der Pfarrer müsse den Konvertiten unterweisen, sich intensiv mit ihnen auseinandersetzen, sie taufen; die Betroffenen selbst engagierten sich häufig in ihrer neuen Gemeinde. Anders als manche in der CSU bezweifelt sie nicht den ernsthaften Willen der Konvertiten, so wie in die Kirchenoberen nicht bezweifeln.

Oft genug, berichtet die SPD-Politikerin, sickere der Wechsel der Glaubensgemeinschaft bis in die Heimat durch. "Wir hatten vergangene Woche den Fall eines jungen Iraners, dessen Vater ihm Schreckliches angedroht hat." Sie kennt das Schicksal einer Nigerianerin, die sich hier als lesbisch geoutet hat, ein Fall, der in Nigeria durch die Presse gegangen war. "Die Behörden bei uns wollten ihr nicht glauben, dass sie lesbisch sei, weil sie doch Kinder hat", sagt Hiersemann.

Dass sich die Betroffenen dennoch auf den Listen derer finden, die mit Abschiebeflügen in ihre Heimat zurück sollen, empört Hiersemann. Sie kann die Linie Bayerns in dieser Frage ohnehin nur schwer nachvollziehen. "Dass Straftäter abgeschoben werden, dagegen sage ich nichts. Aber es trifft eben nicht nur solche." Zunehmend müssten auch junge Flüchtlinge mit einer Abschiebung rechnen, wenn ihr Antrag abgelehnt ist, selbst wenn sie einen Ausbildungsplatz in Aussicht hätten oder bereits mit der Ausbildung begonnen haben. Ihre Berater wenden sich zwar häufig an den Landtag.

"Oft genug erreicht uns die Petition aber erst am Morgen, während der Flug bereits für den Abend anberaumt ist", sagt Hiersemann. Rein rechtlich verhindert eine Petition den Flug nicht. Allerdings verzichten die Behörden in der Regel darauf, bis der Landtag entschieden hat. Und der votiert meist mit seiner Mehrheit von CSU und Freien Wähler gegen die Petenten.

Nicht immer folgt das Innenministerium diesem ablehnenden Votum, sondern nimmt die jungen Menschen doch noch vom Flieger. So wie es bei jenen umdenkt, die sich in Pflegeberufen ausbilden lassen oder eine andere Lehrstelle haben. "Wir hören trotzdem immer wieder von Fliegern, in denen der geringere Teil tatsächlich Straftäter sind", sagt Alexandra Hiersemann. "Ich verstehe das nicht. Warum müssen wir die abschieben, die eine Ausbildung antreten könnten oder das schon haben? Ich frage mich, warum das nötig ist."

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