Experten: Regen ist für Felder und Wald "Rettung im letzten Moment"

16.6.2020, 06:00 Uhr
Endlich Wolken über den Zuckerrübenfeldern: Die Pflanzen sind gerade im Wachstum und brauchten nach der langen Trockenheit dringend Wasser.

© Julian Stratenschulte, dpa Endlich Wolken über den Zuckerrübenfeldern: Die Pflanzen sind gerade im Wachstum und brauchten nach der langen Trockenheit dringend Wasser.

Reichen die aktuellen Niederschläge schon aus, um die Defizite der vergangenen Wochen und Monate wieder auszugleichen? "Moment mal, ich muss kurz aus dem Fenster schauen", sagt der Leiter des Wasserwirtschaftsamts Nürnberg, Ulrich Fitzthum, gestern Mittag am Telefon. Seine Auskunft ist eindeutig: "Der momentane Landregen müsste dazu noch wochenlang fortdauern."

Zwischen 40 und 60 Liter pro Quadratmeter hat es am Wochenende in der Region geregnet. Wo vorübergehend Starkregen niederging, war es etwas mehr. Der Spitzenwert wurde in Bammersdorf bei Forchheim mit rund 80 Liter gemessen. Für eine erste grobe Entwarnung nach einer beängstigend langen Trockenphase hat das erst mal gereicht. Oder wie Ulrich Fitzthum sagt: "Für die Landwirtschaft und den Wald war es Rettung im letzten Moment."

Es ist "ein guter Anfang"

Dem kann Ottmar Braun, mittelfränkischer Geschäftsführer des Bauernverbands (BBV), nur zustimmen. Mais, Zuckerrüben, Kartoffeln und Hopfen sind gerade mitten in der Wachstumsphase und hatten schon viel zu lange auf Wasser verzichten müssen. Der Regen kam jetzt gerade noch rechtzeitig. "Es war zumindest ein guter Anfang", sagt Braun und hätte nichts dagegen, wenn der gleichmäßige Landregen noch etwas weiterginge.

Auch wenn mancherorts Gewitter niedergingen, waren die Niederschläge aus Sicht der Bauern bisher sehr schön dosiert. Das Wasser weichte allmählich den Boden auf und kann dadurch auch in etwas tiefere Schichten eindringen. Allzu starke Wolkenbrüche blieben aus. Wären sie auf den harten ausgetrockneten Boden getroffen, wäre ein Großteil des Wassers an der Oberfläche abgelaufen und in Bächen oder Flüssen gelandet. Obendrein hätte das noch zu Erosion auf den Feldern geführt. Sprich: das Wasser hätte nährstoffreichen Boden weggespült.


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Auch den Grünlandbauern kommen die Niederschläge gelegen. Der erste Grasschnitt ist so gut wie überall erfolgt, das Heu – mit durchschnittlichem Ertrag – wurde trocken eingebracht, vor dem zweiten und dritten Schnitt muss jetzt Wasser vom Himmel fallen. Ein zu trockener Sommer würde ansonsten zu Futterknappheit führen.

Ausfälle müssen die Bauern in diesem Jahr auf jeden Fall bei der Wintergerste hinnehmen. Schuld ist zur Abwechslung mal nicht die Trockenheit. Das Getreide, das in ein paar Wochen als erste Feldfrucht zur Ernte ansteht, hat unter den Frostnächten der Eisheiligen stark gelitten. "Laternenblütigkeit", sagt Braun, nenne man den dadurch verursachten Schaden. Die Ähren sind zwar ausgebildet, enthalten aber kein Korn. Auf 20 bis 80 Prozent schätzt der BBV-Mann die in der Region zu erwartenden Ausfälle bei der Wintergerste.

Defizit aus dem Frühjahr bleibt bestehen

Gebannt ist durch die Regenfälle der vergangenen Tage fürs Erste die zuletzt sehr hohe Waldbrandgefahr. Entsprechend zufrieden ist mit dem verregneten Wochenende Johannes Wurm, Chef des staatlichen Forstbetriebs Nürnberg. Für größere Euphorie und Zuversicht sieht der Experte aber noch keinen Grund.

"Da kommt es schon darauf an, wie es im Rest des Jahres weitergeht." Von Januar bis einschließlich April seien schließlich gut 90 Prozent weniger Niederschläge als im sonst üblichen Durchschnitt gefallen. Dieses Defizit ist noch lange nicht ausgeglichen. Wurm: "Jetzt ist in den Wäldern gerade mal der Oberboden durchfeuchtet, für tiefere Bodenschichten hat das noch nicht gereicht."

Entsprechend müssen sich die Forstleute weiter Sorgen um den Zustand des Waldes machen. Die großen Kiefernbestände im Reichswald sind vor allem durch die trockenen Jahre 2018 und 2019 sichtlich geschwächt.

Umbau zum Mischwald geht voran

Den Schädlingspopulationen von Pracht- und Borkenkäfer geht es dagegen umso besser, weshalb die Forstarbeiter zuletzt kaum mehr nachkamen, das befallene Holz aus dem Wald zu bringen. Umso mehr zahlt sich da aus, dass man laut Wurm in der hiesigen Region schon seit vier Jahrzehnten dabei ist, den sogenannten Waldumbau voranzutreiben. Aus der historisch bedingten Kiefernmonokultur soll sukzessive ein widerstandsfähigerer Mischwald werden.


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Dass die zurückliegende Trockenheit nicht mehr nur ein Wetterphänomen, sondern Folge der Klimaveränderung ist, dafür sprechen die Statistiken der Wasserwirtschaftsbehörden. "Wir haben seit zehn Jahren ein Niederschlagsdefizit", sagt Amtsleiter Fitzthum. Die aktuellen Regenfälle könnten deshalb nur den Pegel des oberflächennahen Grundwassers wieder etwas ausgleichen. "Tiefer gelegene Grundwasserspeicher reagieren darauf noch nicht." Einziger Trost: Das Trinkwasser wird in der Region so schnell nicht ausgehen.


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