Fall Peggy: Das Rätsel von Lichtenberg

6.5.2011, 09:38 Uhr
Fall Peggy: Das Rätsel von Lichtenberg

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„Wer nicht an Engel glaubt, der ist dir nie begegnet.“ Der Grabstein auf dem Friedhof von Nordhalben ist neben Fotos die einzige Erinnerung an die kleine Peggy aus Lichtenberg (Landkreis Hof). Am 7. Mai 2001 wurde die Neunjährige auf dem Heimweg von der Schule zum letzten Mal gesehen. Seither ist sie spurlos verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.

Wiederholt keimte in den vergangenen zehn Jahren die Hoffnung auf, das Mädchen könne noch leben. Denn bis heute wurde das Kind weder lebend noch tot gefunden. Bürgermeisterin Elke Beyer (SPD) erinnert sich noch an die wochenlangen Suchaktionen in der kleinen Gemeinde an der ehemaligen innerdeutschen Grenze. „Kaum ein Lichtenberger wird das je vergessen.“ Der Fall Peggy ist für die meisten der 1150 Bewohner noch immer nicht abgehakt, auch wenn ein Tatverdächtiger verurteilt wurde. „Wir stellen nach wie vor infrage, dass Ulvi K. wirklich der Täter ist“, sagt Beyer.
 

Gelände abgesucht
Wochenlang durchkämmten Hunderte von Polizisten und freiwillige Helfer damals immer wieder das teils unwegsame Gelände. Experten suchten schwer zugängliche Höhlen und Grotten ab. Taucher waren ebenso im Einsatz wie Hundeführer und Hubschrauber mit Wärmebildkameras. Selbst Tornados der Bundeswehr flogen das Grenzgebiet zwischen Oberfranken und Thüringen ab. Doch auch die hochauflösende Fototechnik der Aufklärungsflugzeuge brachte keine verwertbaren Ergebnisse, erinnert sich Klaus Bernhardt, der damalige Pressesprecher der Polizei in Hof.

In der Gemeinde wurden wenige Tage nach Peggys Verschwinden sämtliche Mülltonnen geleert, in der Hoffnung persönliche Gegenstände des Mädchens zu finden. Die „Sonderkommission Peggy“ ging rund 5000 Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Im gesamten Bundesgebiet wurden 25.000 Plakate mit dem Bild der Neunjährigen und ihrem roten Schulranzen aufgehängt – alles ohne Erfolg.
 

Suchaktion mit Plakaten
Selbst in der Türkei wurden Plakate geklebt. Der frühere Lebensgefährte von Peggys Mutter stand im Verdacht, die Kleine in sein Heimatland entführt zu haben. Er wurde Ende Juli 2001 festgenommen, aber noch am selben Tag wieder auf freien Fuß gesetzt.

Wenig später schienen die Ermittlungen dann doch noch von Erfolg gekrönt. Ein geistig behinderter Gastwirtssohn gestand, sich an Peggy und drei weiteren Kindern sexuell vergangen zu haben. Doch für den Zeitpunkt des mutmaßlichen Mordes hatte der junge Mann ein Alibi.

Immer wieder tauchten Hinweise auf, dass die Neunjährige noch leben könnte. Im Spätherbst wurde ein stark einsturzgefährdetes Haus abgetragen, in dem Peggy des öfteren gespielt haben soll.

Suchhunde schlugen an
Leichensuchhunde schlugen an, allerdings nur auf die Ausdünstungen einer alten Sickergrube. Im August 2002 durchwühlten die Beamten unterhalb der Burg von Lichtenberg Erd-, Reisig- und Laubhaufen, die dort seit Peggys Verschwinden aufgeschüttet worden waren. Gefunden wurden aber lediglich eine alte Schuhsohle und ein roter Geldbeutel.

Ende Oktober 2002 meldeten die Behörden die Festnahme des mutmaßlichen Mörders des Mädchens. Es handelte sich um jenen geistig behinderten Gastwirtssohn, der bereits im Sommer 2001 im Verdacht stand. Es folgte ein monatelanger Indizienprozess. Am 30. April 2004 verurteilte das Landgericht Hof den mittlerweile 26-Jährigen wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Die Richter waren davon überzeugt, dass Ulvi K. Peggy am 7. Mai 2001 getötet hat, um den vier Tage zurückliegenden sexuellen Missbrauch des Mädchens zu vertuschen.
 

Massiv unter Druck gesetzt?
Doch die Zweifel an der Schuld des 26-Jährigen blieben, bei Prozessbeobachtern wie bei vielen Bewohnern von Lichtenberg. Eine Bürgerinitiative bildete sich, sprach von einem „Skandal-Urteil“, wollte ebenso wie Ulvi K.'s Verteidiger eine Wiederaufnahme des Verfahrens erreichen. Es gab auch Vorwürfe gegen die Ermittler, sie hätten den Gastwirtssohn massiv unter Druck gesetzt und gedemütigt.

Zuletzt zog ein Zeuge seine Aussage zurück, die maßgeblich zum Schuldspruch beigetragen hatte. Trotzdem bleibt die Akte für die Staatsanwaltschaft geschlossen.