Fasten trotz Corona: Was Verzicht für die Psyche tun kann

17.2.2021, 06:04 Uhr
Bei so manchem ist auch das eigene Körpergewicht ausschlaggebend, in der Fastenzeit zu verzichten. 

© Erwin Wodicka, Gina Sanders - stock.adobe.com Bei so manchem ist auch das eigene Körpergewicht ausschlaggebend, in der Fastenzeit zu verzichten. 

Eigentlich täte uns allen ein bisschen Verzicht doch gut. Essen gibt es an jeder Ecke zum Mitnehmen, Genussmittel wie Zigaretten und Alkohol sind überall zu bekommen, Unterhaltung und Reisen sind meist nur eine Online-Buchung entfernt. Eigentlich.


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Seit den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ist vieles nicht mehr möglich. Süßigkeiten, das Feierabendbier, Zigaretten und Fernsehen sind für einige Menschen die kleinen Freuden des Alltags, auf die man sich in diesen Zeiten besonders freut.

Fasten in Zeiten des Verzichts?

Eigentlich sind es aber auch genau diese Dinge, die die Menschen laut einer Umfrage der DAK Krankenversicherung aus dem Jahr 2020 während der Fastenzeit aus ihrem Alltag streichen wollen. Nach einem Jahr zwangsläufigem Verzicht von fast allem, was als Normalität angesehen wird, stellt sich die Frage: Was bringt Fasten während der Corona-Pandemie?

Eva-Maria Hesse ist Paar- und Familientherapeutin in Nürnberg. Sie weiß, welchem Stress viele Menschen und insbesondere Familien in den letzten Monaten ausgesetzt waren. "Wichtig ist es, beim Fasten ein klares Ziel zu formulieren. Dieses sollte möglichst positiv sein," so die Expertin. Das bedeutet, man solle sich zum Beispiel vornehmen, jeden Tag ein bisschen Sport zu machen, anstatt sich selbst zu sagen: "Ich werde nicht mehr so faul sein."

Mehr Achtsamkeit im Alltag

Wenn man etwas Liebgewonnenes nur aus Verzichtsgründen faste, könne das nur für noch mehr Stress sorgen. Es sei also wichtiger, sich in der jetzigen Phase etwas vorzunehmen, was einem gut tut, so Hesse. Fasten muss also nicht immer das Verbot vom liebgewonnenen Stück Kuchen am Nachmittag sein.

Handyfreie Zeit, ein Abendspaziergang, Spieleabende mit den Kindern oder einfach mehr Achtsamkeit im Alltag können Alternativen sein. "Wenn ich in mich hineinhöre und mich frage, wie ich mich fühle und was mir hilft, ist das oft automatisch eine Art Verzicht auf Dinge, die mir schaden."

Doch, warum fastet man überhaupt? Bevor der moderne Mensch die Tage zwischen Aschermittwoch und Ostern dafür nutze, schlechte Angewohnheiten ad acta zu legen, war es vor allem eine religiöse Tradition. Silvia Jühne ist Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde St. Jobst und erklärt, dass die Fastenzeit helfen kann, sich mehr auf die Beziehung zu Gott zu fokussieren. "In Zeiten des Verzichts kann ein Mehr an Spaziergängen in der Natur helfen, die Schöpfung wieder mehr wertzuschätzen."

Doch nicht nur im Christentum wird gefastet. Auch beim islamischen Fastenmonat Ramadan soll der Verzicht näher zu Gott führen und gleichermaßen durch die Erfahrung des Mangels an Essen dazu anregen, den Armen und Schwachen zu helfen. Im Judentum werden ebenfalls Fastentage begangen, an Jom Kippur wird beispielsweise für 25 Stunden weder gegessen noch getrunken, das soll die Gedanken zurück auf Gott lenken.

Heilfasten als Variante für Mutige

Wem das zu religiös ist, der kann sich immer noch Heilfasten als Option in Erwägung ziehen. Viele Menschen schwören darauf und nutzen die Zeit im Frühjahr dafür, sich dieser Herausforderung zu stellen. Obwohl dabei der gesundheitliche Aspekt im Vordergrund steht, kommt die Spiritualität dabei nicht zu kurz.

Rainer Knirsch muss es wissen. Schließlich hat der Heilpraktiker sich mit seinen Kollegen im Heilzentrum Helios unter anderem auf das Fasten spezialisiert. Dabei wird bewusst für fünf Tage auf Nahrung verzichtet, begleitet von sogenannten Abbau- und Aufbautagen. "Meistens ist unser Körper fast rund um die Uhr mit Verdauen beschäftig. Eine Fastenkur ist ein bisschen so, wie einen Reset-Knopf drücken," erklärt der 51-Jährige, der im Alter von 17 das erste Mal bewusst gefastet hat.

Fasten ist psychische Herausforderung

"Das Fasten ist eine körperliche und psychische Herausforderung", erklärt Knirsch, weswegen er eine professionelle Begleitung dringend empfiehlt. Wer aber wegen der Corona-Pandemie bereits psychisch angeschlagen ist, sollte es sich zweimal überlegen, ob nun der richtige Zeitpunkt ist. Schließlich sei Nahrungsverzicht eine zusätzliche Herausforderung für den Geist. Außerdem sei es beim Heilfasten wichtig, sich in sich zurückzukehren, zu reflektieren und zur Ruhe zu kommen. Im Homeoffice mit Kindern zuhause ist das nicht ganz so einfach.

"In solchen Fällen kann Intervall- oder Basenfasten eine Option sein." Auf nur ein Genussmittel zu verzichten, hält Knirsch ebenfalls für hilfreich. "Auf Alkohol zu verzichten ist zum Beispiel fantastisch, insbesondere, wenn dieser als Seelentröster dient."

Ob nun Alkohol, soziale Medien oder gleich eine Heilfastenkur inklusive Darmreinigung: Verzicht kann auch in der jetzigen Phase neue Energien frei werden lassen. Wer auf nichts verzichten will, kann ansonsten ja immer noch negative Gedanken durch positive Ersetzen - das geht garantiert ohne Magenknurren und schlechte Laune.

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