Kritik an Oliver Tissots Kostüm in Veitshöchheim

"Fastnacht in Franken": Warum manche Zuschauer bei diesem Auftritt an eine Nazi-Uniform dachten

André Ammer

Region und Bayern

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22.2.2022, 13:37 Uhr

© Ralf Wilschewski/BR, United Archives/imago images

"Entsetzt" von Tissots Outfit, der bei seinem Auftritt in Veitshöchheim unter anderem eine Schirmmütze mit der Aufschrift "Lachwacht" trug, zeigte sich ein Leser, der sich an unsere Redaktion gewandt hat. Seiner Auffassung nach ähnelt die Aufmachung des Wortakrobaten stark einer SA-Uniform und sei "eine Instinkt- und Geschmacklosigkeit sondergleichen". Die Verantwortlichen des Bayerischen Rundfunks und des Fastnachtsverbands Franken müssen seiner Ansicht nach erklären, "wie sie ihren Humor in Verbindung bringen können mit den schändlichen Taten der SA". Seine Empörung habe er bereits der Intendantin des BR und der Sendeleitung in Nürnberg zur Kenntnis gebracht.

Ein anderer Fernsehzuschauer aus der Region hatte sich direkt an Tissot gewandt und ihm empfohlen, für die Zukunft eine etwas bessere Kostümwahl zu treffen. Vor allem sollte der Humorist das Frühjahr zur Schrank-Entrümpelung nutzen und die alte SA-Uniform seines Opas entsorgen - so hatte es der fränkische Fastnachts-Fan in seiner Mail an den Künstler formuliert, in der er sich gleichzeitig als großer Bewunderer von Tissots Wortakrobatik outete.

Überrascht von diesen Reaktionen

Tissot hat sich gefreut über diese Mail, die im Gegensatz zu anderen Reaktionen freundlich und auch mit einem Augenzwinkern formuliert war. Auf der anderen Seite zeigt er sich überrascht von der Tatsache, dass manche Zuschauer glaubten, sein bei der jüngsten Prunksitzung in Veitshöchheim getragenes Kostüm stehe in einem thematischen Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus.

Tatsächlich sollte die Aufmachung des Kabarettisten die Polizeiuniform darstellen, die Louis de Funès in seiner Paraderolle als "Gendarm von Saint Tropez" trägt. In insgesamt sechs Klamaukfilmen verkörperte der französische Schauspieler den ordnungsbesessenen und cholerischen Dorfpolizisten Ludovic Cruchot, der zum Beispiel Nudisten an einem abgelegenen Strand dingfest machen will und dabei wiederholt scheitert.

"Ich wäre nie darauf gekommen, dass man die Gendarmen-Klamotten als Nazi-Uniform interpretieren kann, aber wenn es passiert, muss ich meine eigenen Klischees überdenken", sagt Tissot. Nazis verbinde er mit Armbinden, Kragenspiegeln, Reiterhose und Stiefeln, während bei seiner Aufmachung zusätzliche Accessoires wie eine Signalkelle am Gürtel und eine an der Jackentasche baumelnde Detektivlupe zusätzliche Hinweise auf seine Rolle als Polizist geben.

Kostüm war eine Idee des BR

Die Uniform war übrigens eine Idee des Bayerischen Rundfunks und wurde dem Nürnberger Wortverdreher von einer Kostümbildnerin des Senders zur Verfügung gestellt. Als er die Kluft bei den Proben zum ersten Mal angezogen hatte, habe er seinen Kollegen Peter Kuhn gefragt, was dieser sehe. "Und Peter hat ohne Zögern 'Der Gendarm von Saint Tropez' geantwortet", erinnert sich Oliver Tissot.

Der BR kann die Irritationen ebenfalls nicht nachvollziehen. Tissots Louis-de-Funès-Persiflage sei von allen Beteiligten und dem Publikum vor Ort unzweifelhaft als solche verstanden worden, heißt es auf Anfrage unserer Redaktion - auch weil das Uniformkostüm deutlich sichtbar ironisiert worden sei mit Ringelsocken, viel zu kurzer, schlecht sitzender Krawatte, Aufkleber etc.. "Insbesondere dadurch wird die Interpretation einer Nähe zur SA-Uniform klar konterkariert – zumal der Beitrag inhaltlich keinerlei Bezüge zur NS-Zeit hat", heißt es in der Stellungnahme des Senders.

Auch wenn der Nürnberger Humorist es bedauert, dass manche Zuschauer die beige Uniform anscheinend eher "an unsägliche Zeiten statt an beschwingliche Filmabende mit Louis de Funès" erinnert hat, amüsiert es ihn auch ein wenig, dass einer der Kritiker dieses Bühnen-Outfit als "Überschreitung der Political Correctness" interpretiert. Denn genau das war eigentlich Tissots Intention. "Ich dachte, dieses Kostüm trägt perfekt meiner Rolle zur 'Political Correctness' Rechnung, da das Thema oft zu Überreaktionen im Stile von Funès führt", sagt er.

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