Ab zehn Grad minus friert’s die Kuh

13.3.2020, 18:39 Uhr
Ab zehn Grad minus friert’s die Kuh

© Roland Huber

  Hat doch der TV-Spot mit der Realität so rein gar nichts zu tun. Trummer weiß wovon er spricht, mit einem Stall in Kasberg und einem in Pommer zählt er mit insgesamt 350 Tieren zu den ganz großen Milchvieh-Haltern im Landkreis, der uns einen Vormittag lang hinter die Stalltür blicken lässt.

Der kalte Wintermorgen ist perfektes Wohlfühlwetter für die Kälbchen, die die Besucher mit einem lauten "Muh" begrüßen. Jede der Mini-Kühe wohnt in einem eigenen Mini-Iglu auf dem Aussiedlerhof von Bernd Trummer in Pommer.

Bereits wenige Stunden nach der Geburt werden die Kleinen in den Iglus untergebracht, und zwar jedes für sich allein. Drei Wochen bewohnen die Minis ihre Iglus, "das ist eine sensible, kritische Zeit", weiß Trummer. Säuft das Tier auch richtig? Bewegt es sich? In ihren Einzel-Iglus sind die Kleinen besser zu beobachten, als in der Gruppe. Direkte Nähe zu den anderen Krippenkindern haben die Kälbchen trotzdem: Die Iglus stehen in Reih und Glied nebeneinander, man kann sich begucken und beschnuppern.

Ob es den vierbeinigen Krippen-Kindern in ihren Iglus draußen am Hof nicht zu kalt ist, wollen wir wissen, während in der Luft die Schneeflocken tanzen. Da muss Trummer lachen. Das Rind fühlt sich bei minus zehn bis plus zehn Grad am wohlsten, lernen wir. "In freier Wildbahn stehen die Tiere ja auch draußen", sagt er, außerdem haben die Kühe sich in der kalten Jahreszeit ihr Winterfell angelegt. Sind die Krippenkinder größer, verlassen sie ihre Iglus und kommen in einen separaten Mini-Stall; bevor sie dann schließlich mit einem Alter von zehn Wochen in den Hauptstall wechseln.

Kalt ist’s in dem Außenklimastall, als Trummer das große hölzerne Tor öffnet und 130 Augenpaare neugierig blinzeln. "Früher waren die Ställe dunkle Löcher", erzählt Trummer, oft waren die Ställe direkt an die Wohnhäuser angebaut. Kein Umfeld, in dem die Tiere, das weiß man heute, sich wohlfühlten. Denn Kälte hat die Kuh am allerliebsten. Weswegen der Trummersche Stall auch oben ein Stück weit offen ist. Doch zu kalt darf’s dann auch wieder nicht sein: "Ab zehn Grad minus friert’s die Kuh", lernen wir. Hochsommer, kann die Kuh nicht leiden. "Ab 25 Grad haben die Kühe Stress und geben weniger Milch."

Rund 5000 Liter Milch gibt das Trummersche Fleckvieh in zwei Tagen, dann holt der Laster einer Privatmolkerei aus der Oberpfalz die Milch ab. Verarbeitet wird die Milch aus Pommer zu Grünländer Käse.

Die Firma, die den "Käse mit der grünen Seele", wie es in der Werbung heißt, produziert, hat ganz klare Vorgaben an ihre Produzenten. "Grünländer schreibt uns vor, dass nur Futtermittel verfüttert werden dürfen, die nachweislich nicht gentechnik-verändert wurden", sagt Trummer. Das Futter der Tiere kommt deswegen aus eigenem Anbau, das zugefütterte Soja aus Europa und nicht aus Südamerika. Ebenfalls zu den Statuten zählt die Laufstallhaltung. Die Tiere in Trummers Stall können sich frei bewegen, laufen, gucken, lümmeln, lassen sich an riesigen Bürsten den Rücken massieren. "Das ist immer die Entscheidung des Tieres", sagt Trummer, "bei uns hängt kein Tier an einem Strick". All das, was wir an diesem Tag im Kuhstall sehen und lernen sei "bayerischer Standard", erzählt er und, darauf legt er besonders Wert, "keine industrielle Produktion", wie etwa bei Milchvieh-Betrieben in Deutschlands Osten, wo bis zu 2500 Tiere im Stall stehen.

Trummer betreibt konventionelle Wirtschaftsweise. Erst vor zwei Jahren, erzählt er, habe man die Umstellung auf Bio geprüft, doch aufgrund hoher Umbaukosten und fehlender Nachfrage nicht umgesetzt. "Bio ist nicht rentabel, wenn alle Bio fordern, aber nur wenige tatsächlich auch Bio im Einkaufswagen haben", sagt Trummer (siehe auch untenstehendes Interview). Das manifestiert sich auch an Zahlen: Laut einer Umfrage wollen 84 Prozent der Deutschen Ökolebensmittel kaufen, der Marktanteil liegt aber nur bei acht Prozent (wir berichteten).

Doch viele Tiere machen auch viel Arbeit: Zweimal täglich werden die Tiere der Rasse "Simmentaler Rind" gemolken, "am Tag stehen wir rund fünf Stunden für Melken und Kälbertränken im Stall", sagt Trummer und zwar an sieben Tagen in der Woche, 365 Tage im Jahr. "Die Kuh macht keine Siemensschicht", sagt er.

"80 Prozent der Herde machen 20 Prozent Arbeit", sagt Trummer in Bezug etwa auf Melken und Zufriedenheit der Tiere. Damit im besten Falle alle Kühe zufrieden und gesund sind, dafür sorgt modernste Technik, die auch vor der Kuhstalltür nicht Halt macht: An der Stalldecke montierte Kameras erlauben dem Bauern künftig einen Blick über WLAN von seinem Smartphone direkt in seinen Kuhstall in die "Geburtsstation" der Abkalbe-Box.

Auf einem PC-Monitor in Trummers Büro flimmert das "Herden-Management-System". In bunten Farben ist auf einem kreisrunden Diagramm der Kuhstall abgebildet, jede einzelne Kuh hat dabei eine eigene Nummer. Einige Kühe tragen spezielle Halsbänder, für eine "Aktivitäts-Wiederkaumessung". Dabei misst ein Sensor am Halsband das Aktivitätsprofil der Kuh und misst auch ihre Wiederkauschläge. Im Klartext: Kaut die Kuh zu wenig, bewegt sie sich zu wenig, dann kann das ein Indiz sein, dass das Tier krank ist.

Und auch das Futter-Verhalten der Kuh wird erfasst: Durch einen Knopf im Ohr der Kuh wird dem Tier am Futter-Automaten exakt die ganz persönliche Menge an Kraftfutter zugeteilt, abhängig davon, wieviel Milch die Kuh gibt.

Die Biogasanlage gleich nebenan liefert Strom für rund 1000 Haushalte, die Abwärmenutzung aus der Biogasanlage heizt 18 (von insgesamt 41) Wohnhäuser in Pommer. Mit der Abwärme werden Scheitholz, Hackschnitzel, Getreide und Körnermais getrocknet. Trummer baut Gras und Mais für seine Kühe an, auf seinen Feldern gedeihen Weizen, Dinkel, Sommergerste, Wintergerste und Triticale, das ist eine Kreuzung aus Roggen und Weizen.

Mit der romantischen TV-Idylle, in der der Bauer mit der Mistgabel durch die Flur streift und "Bauern als Deppen in Gummistiefeln eine Frau suchen", so Trummer, hat die Realität nichts zu tun. Recht hat er.