Abholzen für Artenvielfalt

5.2.2021, 16:20 Uhr
Abholzen für Artenvielfalt

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Abholzen für Artenvielfalt

© Foto: Daniel Schenk

"Da wurde ein riesiges Stück Wald platt gemacht, nur ein Baum steht da noch", entrüstet sich ein Wanderer, der bei Leutenbach regelmäßig hoch zum Walberla läuft und nun dort oben eine Fläche entdeckt hat, auf der die Bäume, hauptsächlich Buchen, gefällt wurden. "Das war so ein romantischer schöner Wald. Das ist ein Drama, das jetzt mitanzusehen", findet der aufmerksame Mann.

Was ist passiert? Die Nordbayerischen Nachrichten hakten bei Leutenbachs Bürgermeister Florian Kraft nach, der gleich sagt: "Das ist alles vollkommen im Rahmen der normalen Bewirtschaftung." Er verweist an Förster Daniel Schenk vom Forstrevier Neunkirchen, der im Auftrag der Gemeinde den Wald oberhalb von Leutenbach am Walberla bewirtschaftet. Der Forstexperte weiß sofort, um welche Fläche es geht.

"Ja, das schaut erst mal fürchterlich aus", bestätigt Schenk. "Aber das ist kein Kahlschlag, sondern nur ein kräftiger Einschnitt mit sehr positiven Folgen für die Artenvielfalt." Weiter erklärt er: Dort oben im Naturschutzgebiet Ehrenbürg werde eine uralte Form der Waldbewirtschaftung gepflegt, die sogenannte Mittelwaldbewirtschaftung. Früher sei diese Form der Waldnutzung in der Region weit verbreitet gewesen, weil die Menschen viel Brennholz benötigt haben. Später gab es Ölheizungen und daher sei diese Art der Waldbewirtschaftung extrem zurückgegangen und in der Folge veränderte sich aber auch die Struktur des Waldes und viele Pflanzen- und Tierarten verschwanden zusehends.

Aus Gründen des Arten- und Naturschutzes sei vor rund zwölf Jahren die Mittelwaldnutzung auf dem Walberla wieder eingeführt worden (wir berichteten immer wieder darüber). Um das Projekt zu unterstützen, gibt es sogar das Förderprogramm "Vertragsnaturschutzwald", zu dem auch spezielle Fachkonzepte zur Waldpflege gehören, wie der Förster erläutert.

Bäume treiben wieder aus

Bei der traditionellen Mittelwaldbewirtschaftung werden die Bäume und Gehölze im Wald im Turnus von zehn bis 30 Jahren nur auf Stock gesetzt. Das bedeutet, dass der Hauptstamm mit Wurzel erhalten bleibt. Der Großteil der Bäume, vor allem Linden, Haselnüsse und Hainbuchen, würden diesen radikalen Rückschnitt gut verkraften und dann wieder problemlos frisch austreiben. Bewusst lasse man im Mittelwald einzelne, schön gewachsene Bäume, sogenannte Überhälter, stehen, die – wie früher – später als Bauholz genutzt werden können.

Das radikale Auslichten habe zur Folge, dass kleinere Pflanzen am Boden "mehr Luft zum Atmen haben", so Schenk: In der Folge gedeihen wieder viel mehr Arten – bei Pflanzen und bei Tieren. So können sich im Mittelwald wieder seltene Schmetterlingsarten wie der C-Falter und die Spanische Flagge entwickeln, Pflanzen wie das Stattliche Knabenkraut oder auch Insekten wie der Kleine Eichenbock.

Doch diese positiven Aspekte für die Natur kämen erst Jahre nach der Abholzaktion so richtig zum Tragen, weiß Schenk. Gerade im Leutenbacher Raum gebe es eine ganz spezielle Rarität. "Hier wächst eine endemische Mehlbeerart, die vom Aussterben bedroht ist. Wenn die Buche drüber wächst, geht diese Mehlbeersorte verloren. Durch das künstliche Licht, das wir durch das Ausholzen schaffen, können solche seltenen Arten aber wieder wachsen."

Für die Bewirtschaftung des Mittelwaldes auf dem Walberla gebe es ein genaues Konzept. "Wir haben lange und sorgfältig geplant", so Schenk. So habe man vor dem Abholzen gemeinsam mit Jana Wiehn und Andreas Niedling vom Landschaftspflegeverband die Bäume angeschaut und gekennzeichnet. Man lege großen Wert darauf, Exemplare, in denen Spechte, Greifvögel oder Eulen nisten, stehen zu lassen. Auch Bäume mit Faulstellen seien für das ökologische Gleichgewicht wichtig, weil hier viele Insekten und Pilze gedeihen.

Um die Natur und die Vogelbrut möglichst wenig zu stören, habe man sich mit dem Abholzen sehr beeilt. Doch der Schnee im Januar habe die Arbeiten beeinträchtigt. Inzwischen sei die Maßnahme aber beendet. Um Wanderer und Spaziergänger über den ökologischen Sinn der Waldarbeiten aufzuklären, sollte im Januar eine Informationstafel aufgestellt werden. Aber auch das habe die Witterung verzögert, so der Förster. Das soll nun aber bald nachgeholt werden, damit sich niemand mehr unnötig Sorgen machen müsse.

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