Afghanische Künstlerin stellt in Forchheim aus

14.10.2019, 06:00 Uhr
Nazireh Mohammadi mit Sohn Shahin und Ehemann Samad Sharifi sowie einem ihrer Bilder. Im Hintergrund sind weitere Gemälde zu sehen. Die afghanische Familie kam aus dem Iran nach Deutschland, in Shiraz galten sie als unerwünschte Ausländer und durften nur niedere Tätigkeiten verrichten.

© Foto: Udo Güldner Nazireh Mohammadi mit Sohn Shahin und Ehemann Samad Sharifi sowie einem ihrer Bilder. Im Hintergrund sind weitere Gemälde zu sehen. Die afghanische Familie kam aus dem Iran nach Deutschland, in Shiraz galten sie als unerwünschte Ausländer und durften nur niedere Tätigkeiten verrichten.

Seit vier Jahren lebt Nazireh Mohammadi mit ihrem Ehemann Samad Sharifi (38) und dem Sohn Shahin in Forchheim. Zuerst in den Gemeinschaftsunterkünften am Bahnhof und in der Jahnstraße. Nun seit gut einem Jahr in ihrer eigenen Wohnung. An die sind sie durch ihre Landsfrau Shakila Merzaei gekommen, die im Erdgeschoss seit fünf Jahren einen "Klein Preis Shop" betreibt. Und durch ihren "Papa" Dieter Ulmer aus Buckenhofen, der sich der Familie als ehrenamtlicher Pate angenommen hat. Die Räume hat Samad in Eigeninitiative renoviert, tapeziert, gestrichen, den Teppich verlegt. Sogar die Couchgarnitur hat er aufgepolstert und genäht. Das könnten im Iran, wo die Familie auch schon gelebt hat, fast alle Männer. Auch Nazireh ist kreativ, aber anders.

Sobald Nazireh ihrer Phantasie freien Lauf lässt und den Pinsel in die Ölfarben eintaucht, entstehen friedliche Landschaften. Ruhige Wasserflächen, idyllische Winterszenen und beschützende Wälder. Einiges scheint in und um Forchheim entstanden zu sein. Vielleicht bei Spaziergängen am Kanal entlang oder bei Besuchen auf der Sportinsel, auf der die Familie oft beim Grillen anzutreffen ist. Die Maltechnik erinnert an jenen Fernsehmaler Bob Ross, den Nazireh bereits in ihrer Heimat gesehen hat. Einiges wie die Segelschiffe, die im Persischen Golf kreuzen, sind Erinnerungen an eine Kindheit, die noch unbeschwert schien. Damals war die kleine Nazireh mit ihrer Mutter in Bandar Abbas zum Urlaub. Da begann die Liebe zur Kunst, zuerst zur Bleistiftzeichnung. An die Ölfarben kam sie erst in Deutschland, weil ihr Sohn Shahin einmal welche mit nach Hause brachte. Als Atelier dient das Wohnzimmer.

Gefesselt in einer Grube

Doch so leicht lassen sich die Dämonen der Vergangenheit nicht vertreiben. Auf der Leinwand tauchen sie unvermittelt wieder auf. Nur die fröhlichen Farben verhindern, dass der Betrachter von der Wucht der Geschehnisse getroffen wird. Obwohl sich da vor seinen Augen eine Steinigung abspielt. Das Opfer sitzt gefesselt in einer kleinen Grube. Nur die Gestalt, nicht aber das Gesicht ist zu erkennen. Im Hintergrund eine amorphe Masse Männer, die ihrer Pflicht mit Inbrunst nachkommt.

Solche Szenen hat Samad in Kabul selbst erleben müssen. Als er von der jungen Frau erzählt, die erst mit Steinen beworfen, dann aus einem der oberen Stockwerke eines Hauses gestürzt und schließlich vor aller Augen angezündet worden ist, weil sie es wagte, den Koran anzuzweifeln, da kommen Nazireh die Tränen. Ähnlich wie auf ihrem Gemälde, wo sie den Himmel regnen lässt. In kleinen Dörfern gebe es das auch heute noch, erklärt Samad.

Während seine Ehefrau sich um den Haushalt kümmert, Deutschkurse besucht und ihrem Sohn Shahin bald ein Geschwisterchen schenken wird, hat ihr Ehemann vor wenigen Wochen einen Ausbildungsplatz gefunden. Nach einem Praktikum bei einem Garten- und Landschaftsbauer und einem Ein-Euro-Job beim Pack Mer’s-Gebrauchtwarenhof.

Zwar hat er bereits als Flaschner im Iran gearbeitet, doch ohne ein Zeugnis zu haben. Sein Lehrmeister Michael Kröppel stellte ihn nach einem Praktikum vor die Wahl: als ungelernter Arbeiter loslegen oder noch einmal die Schulbank drücken, um Anlagenmechaniker zu werden. Für Samad Sharifi war klar, dass er in Deutschland eine Ausbildung mit Abschluss bräuchte. So lernt er nun, wie man Heizungen und Klimaanlagen einbaut, ein Badezimmer barrierefrei macht oder ein Dach richtig entwässert. Der Beruf macht ihm große Freude. Nazireh hat im Moment keine Zeit, sich wieder als Friseurin zu verwirklichen.

Kurze Wege, sichere Straßen

Es muss ein echter Kulturschock gewesen sein. Aus einer Millionenstadt wie Shiraz im Iran in ein kleines Provinznest wie Forchheim geworfen zu sein. Am liebsten würde Nazireh nach Berlin gehen. Die Großstadt mit all ihren Möglichkeiten lockt. Doch ihr Mann und der Sohn fühlen sich in Forchheim wohl. Der vierjährige Junge geht in die städtische Kindertagesstätte am Lindenanger. Die ist nur wenige Schritte entfernt. Der Ehemann schätzt die kurzen Wege, die sicheren Straßen und die Chancen zu lernen und zu arbeiten. Denn im Iran war das dem Ehepaar nicht möglich. Dort galten die afghanischen Flüchtlinge, selbst wenn sie wie Nazireh im Lande geboren sind, als unerwünschte Ausländer. Sie durften nicht in die Schule, keine Ausbildung machen und nur niedere Tätigkeiten verrichten. Davon erzählt ein Bild, das ein junges Mädchen mit einem Buch zeigt. Es muss mit anderen Kindern Schafe hüten, obwohl es viel lieber zur Schule ginge. Dieses Schicksal wird ihrem Sohn Shahin erspart bleiben. Denn die Martinschule kann er zu Fuß erreichen. Und Schafe gibt es in Forchheim längst keine mehr.

Die Ausstellung in der Hauptstraße 18 (ehemaliger Cecil Partner Store) wird am Freitag, 18. Oktober, um 18 Uhr eröffnet. Die Bilder sind bis einschließlich Donnerstag 24. Oktober, zu sehen. Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 14-18 Uhr; Sa. 10-14 Uhr; So. 14-17 Uhr. Die Ausstellung wird begleitet und unterstützt durch ehrenamtliche Helfer aus dem Awo-Projekt Get together und dem ehrenamtlich geführten Montagscafé.

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