Altersarmut in Forchheim: Dunkelziffer ist hoch

8.8.2019, 08:11 Uhr
Altersarmut in Forchheim: Dunkelziffer ist hoch

© Foto: imago/Udo Gottschalk

  Um sie soll es in diesem Artikel gehen. Denn in der öffentlichen Wahrnehmung tauchen sie nur selten auf, bewältigen den Kampf ums Geld im Alltag oft für sich selbst.

So wie Ursula G., die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. 967 Euro hat sie im Monat zum Leben – und gilt damit staatlicherseits nicht als arm. Denn Grundsicherung, die staatliche Sozialleistung im Alter, erhielte sie nur, wenn ihr Monatseinkommen unterhalb der durchschnittlichen Schwelle von 838 Euro läge. Dem gegenüber hat zum Beispiel der paritätische Wohlfahrtsverband in seinem Armutsbericht für das Jahr 2018 veröffentlicht, dass die Armutsschwelle bei Alleinlebenden pro Monat bei 1086 Euro liegt.

Sparen, sparen, sparen

Zu viel für staatliche Hilfe, zu wenig für einen unbeschwerten Alltag. So bleibt Ursula G. nur eines übrig: sparsam leben. In Zeiten, in denen die Mieten steigen, ist das nur bedingt möglich. 480 Euro beträgt die Warmmiete für ihre Ein-Zimmer-Wohnung im Forchheimer Osten. Dazu kommen Fixkosten für Strom, Telefon, GEZ-Gebühren. Ihr kleines Auto hat sie verkauft und ist auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen. "300 Euro bleiben mir im Monat zum Leben", sagt sie. Zehn Euro pro Tag, wenn man es herunter rechnet.

Ursula G. ist keine Ausnahme. Sie gehört zu den rund 20 Prozent der Rentnerinnen, die deutschlandweit als armutsgefährdet gelten. Damit ist ihr Anteil höher als der von Männern über 65 Jahren. Von ihnen leben 15 Prozent an der Schwelle der Armut oder darunter.

Betrachtet man den Bezug von Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung, so ist die Quote insgesamt zwar etwas niedriger, doch gibt es auch hier den Unterschied zwischen Frauen und Männern. So haben laut Statistischem Landesamt zum Stichtag 31.12.2017 im Landkreis Forchheim insgesamt 469 Personen Grundsicherung bezogen. 232 von ihnen hatten zu diesem Zeitpunkt bereits das Rentenalter erreicht. 125 davon waren weiblich, 107 männlich.

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Die Anton-Landgraf-Stiftung will Senioren in Not unbürokratisch und anonym helfen. _________________________________________________

Das sagen die Zahlen. Die persönlichen Geschichten dahinter erfährt man selten.

Manchmal jedoch flackern sie auf. Zum Beispiel bei der Frauentags-Aktion, zu der die Nordbayerischen Nachrichten am 8. März diesen Jahres aufgerufen hatten. In der Zeitung war damals ein Fragebogen abgedruckt, unter der Überschrift "Frauen – sagt, was Euch nervt!". Dem damit verbundenen Aufruf folgten auch einige Leserinnen aus dem Landkreis Forchheim. In manchen Antworten, die meist anonym eingingen, spiegelt sich die Angst vor der Altersarmut wider.

So schreibt eine Leserin unter die Frage "Wenn Sie es in der Hand hätten: Was würden Sie als Erstes ändern?": "Rente für Kindererziehung erhöhen/ Rente für Elternpflege/ Rente für Ehrenamt." Sie fügt an: "Habe selbst 305 Euro Rente". Eine andere Leserin, Mutter von drei Kindern, macht darauf aufmerksam, dass sie wegen der Familienpause zu Hause geblieben ist. Dadurch habe sie heute, mit 67 Jahren, weniger Rente: "Hätte ich als Lehrerin weiter gearbeitet, wäre meine Rente doppelt so hoch", schreibt sie und fordert Altersarmut bei Frauen zu verhindern.

Letztlich findet eine 64-jährige NN-Leserin, die durch schwere Krankheit arbeitsunfähig geworden ist, drastische Worte: "Endlich für die durch Krankheit verarmten Menschen und armen Senioren ein menschenwürdiges Auskommen zu verschaffen und sie nicht an den Tafeln abspeisen", fordert sie von der Politik. Weiter schreibt sie: "Ich habe schon lange den sozialen Tod, schämt Euch!"

Eins führt zum anderem

Geringes Einkommen, Auszeiten wegen der Kindererziehung, Teilzeitarbeit, Krankheit, Scheidung, Tod des Ehepartners. Die Gründe, in die Altersarmut zu rutschen, können vielfältig sein. Auch bei Ursula G. kam eines zum anderen. Die gelernte Bankkauffrau und Mutter von zwei Kindern arbeitete in einem Nürnberger Verlag als Abteilungsleiterin, hatte ein gutes Auskommen. Weil sie geschieden war, arbeitete sie Vollzeit, um ihren Lebensunterhalt als Alleinerziehende finanzieren zu können.

Mit Mitte 40 jedoch erkrankte sie. Das chronische Leiden zwang sie, ihren Job aufzugeben. Zwei Kinder in der Ausbildung, die Tochter lebte damals noch bei ihr, und der stete Gedanke "Ich schaffe das, ich werde wieder gesund und dann kann ich wieder arbeiten" ließen Ursula G. in die Schuldenfalle rutschen. "Immer wieder habe ich bei der Bank die Kredite aufgestockt", erzählt sie. Am Ende half nur der Weg in die Privatinsolvenz. Heute ist Ursula G. 64 Jahre alt, bis vor einem Jahr hat sie durch private Putzjobs versucht, ihr monatliches Einkommen aufzubessern.

Inzwischen zwingt ihre Gesundheit sie dazu, mit dem klar zu kommen, was sie hat. "Große Sprünge kann man damit nicht machen", sagt sie. Trotzdem ist sie stolz: "Ich habe immer versucht, es allein zu schaffen, habe nie Hartz IV bekommen."

"Scham spielt bei vielen eine Rolle", weiß auch Werner Lorenz, der beim Caritasverband für den Sozialladen zuständig ist. So sei es unter den derzeit 641 Kunden, die einen Berechtigungsschein für den Sozialladen haben, ein "verhältnismäßig kleiner Kreis von Leuten im Rentenalter". 28 Betroffene insgesamt weise seine Statistik aus. "Es ist zwar spekulativ, aber nicht aus der Luft gegriffen, aber es gibt mit Sicherheit in der Stadt und im Landkreis deutlich mehr, denen es finanziell nicht gut geht."

Armut wird sich verschärfen

Unter den jetzigen Bedingungen verspreche die Zukunft dabei nicht viel Gutes, wendet er ein: "Dass sich das Thema Altersarmut noch verschärfen wird, kann man heute schon an der Statistik ablesen." All jene, die wegen Teilzeitjobs oder prekärer Arbeitsbedingungen schon jetzt Transferleistungen vom Staat bekämen, würden in der Altersarmut landen. "Das betrifft nicht nur Frauen, das betrifft alle", sagt er.

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