Am Wöhrgarten: Bürgerentscheid in Hausen spaltet das Dorf

8.3.2019, 17:00 Uhr
Am Wöhrgarten: Bürgerentscheid in Hausen spaltet das Dorf

© Repro: Google Maps

Auf der Straße, beim Bäcker, über WhatsApp oder am Laternenmasten mit Plakaten: die Hausener diskutieren dieser Tage über wohl kein anderes Gemeindethema so ausführlich wie über das Baugebiet "Am Wöhrgarten".  Befürworter und Kritiker haben mit ihren Positionen nicht zueinander gefunden. Ein Kompromiss war nicht zu erzielen. Jetzt muss der Entscheid klären, wie es in Hausen weitergehen soll.

Während sich die Kritiker generell gegen eine Bebauung östlich der Industrie- und Kaimstraße aussprechen, sieht der Gemeinderat darin mehrheitlich die Möglichkeit, Hausen weiter zu entwickeln. Mit 8:4 Stimmen ist das Gebiet mit dem Aufstellungsbeschluss im November 2017, gegen drei Stimmen der UWG–Fraktion und einer SPD–Stimme, abgesegnet worden.

Während im Januar 2018 eine 1500 Quadratmeter große Teilfläche zum geplanten Gebiet hinzukam und erste kritische Stimmen aus der Bürgerschaft zu hören waren, erhöhte sich die Zustimmung auf 10:3 Stimmen. Friedrich Nolting, Anwohner in der Industriestraße, hat daraufhin zusammen mit weiteren Bürgern eine Interessengemeinschaft (IG) gegründet und Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt. War das erste noch wegen formaler Mängel abgelehnt worden, konnte die IG im zweiten Anlauf rund 700 Bürger und Unterschriften hinter sich vereinigen.

Die drei strittigsten Punkten im Überblick:

Naturschutz

Am Wöhrgarten: Bürgerentscheid in Hausen spaltet das Dorf

© Foto: Rothenbacher

IG-Sprecher Friedrich Nolting will die Natur erhalten und spricht den landwirtschaftlichen Flächen samt Bewässerungssystem einen Kulturstatus zu. "Es ist in Hausen eine alte Tradition, dass beregnetes Land nicht bebaut wird." Deshalb habe er für das Begehren Unterstützung gerade von alteingesessenen Hausener Bürgern erhalten. Auch Zweiter Bürgermeister Bernd Ruppert (CSU) spricht von "guten Ackerflächen". Diese würden aber "nicht mehr extensiv genutzt". Lisa Dormann, 35, unterstützt die Ziele der IG. Sie sagt: "Natur ist immer schützenswert, ob ein ganz besonderer Käfer da ist oder nicht."

Die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt hat keine Bedenken. Pressesprecher Holger Strehl: "Es handelt sich um kein Biotop, sondern Ackerflächen." Zu Wort gemeldet hat sich auch Vollerwerbslandwirt Elmar Kupfer. Er hat nach eigener Aussage die meisten vom Baugebiet betroffenen Flächen gepachtet. Er ist von der Sorge der Kritiker überrascht: "Seit Jahren kommt es immer wieder zu Beschwerdeanrufen wegen Ruhestörung, wenn ich meine Felder am Abend beregne." Er glaubt, dass das Argument, die Landwirtschaft zu schützen, nur ein Vorwand ist.

Der Sprecher der sechs Eigentümerfamilien, Matthias Zeißner sagt: "Die Baugebietsfläche macht nur einen sehr kleinen Teil der Beregnungsflächen in Hausen aus, bewässerte Landwirtschaft wird es in Hausen auch weiterhin in großem Umfang geben." Die Grundstücksbesitzer selbst haben den Anstoß für die Entwicklung des Gebietes gegeben.

Lage

Vertreter und Unterstützer der IG sehen sich mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würden sich nur deshalb engagieren, weil sie weiterhin einen freien Blick von ihren Grundstücken aus haben wollen. Tatsächlich wohnen die in der Öffentlichkeit hörbaren Kritiker wie Dormann, IG–Sprecher Nolting oder einzelne Gemeinderäte im unmittelbaren Bereich des neuen Baugebietes. Für Nolting ist dieser Vorwurf "nur eine Vermutung und außerdem nicht entscheidend". Schließlich versuche die IG für die nachkommenden Generationen im Dorf das Land zu erhalten. Zudem erhalte die IG Unterstützung von Bürgern, die im Ortskern wohnen.

Auf Teilen dieser noch freien Fläche soll das neue Wohngebiet entstehen.

Auf Teilen dieser noch freien Fläche soll das neue Wohngebiet entstehen. © Philipp Rothenbacher

Die Lage betont auch Dormann. In ihrer Kindheit habe sie mit Freunden die Fläche zum Spielen genutzt. Davon sollen ihrer Meinung nach auch ihre Kinder profitieren. Für Hanne Gillert, Anwohnerin in der Industriestraße, ist die Fläche ein "beliebter Naherholungsbereich, der von Radlern, Wanderern und Joggern genutzt wird."

Investor

Die Kritiker befürchten, dass das Bauland in die Hände einer Investorenfirma fallen könnte. Damit greife das Argument der Gemeinde, Wohnraum für Hausener Bürger zu schaffen, nicht mehr. Die IG bemängelt, dass es kein Baulandmodell gebe, das Hausener Bürger bevorzuge. Die sechs Eigentümerfamilien haben sich zu einer Investorengesellschaft zusammengeschlossen. 40 Prozent der Fläche geben sie kostenlos an die Gemeinde ab, die restlichen 60 Prozent bleiben in ihrem Besitz. Die Gemeinde verkauft ihren Anteil an Bauwillige und will für einen Teil der Bauplätze Kriterien und somit ein Baulandmodell einführen, sagt Ruppert. Die Erschließungskosten tragen Eigentümer wie Gemeinde anteilig nach der Anzahl der späteren Bauplätze.

Am Wöhrgarten: Bürgerentscheid in Hausen spaltet das Dorf

© Foto: Erlwein

Einen Investor im Hintergrund gebe es nicht, sagt Ruppert, schränkt aber auf Nachfrage ein: "Es ist nicht auszuschließen, ob Teile der Grundstücke, über die die Eigentümer verfügen, an einen Investor verkauft werden könnten." Es könne sein, dass Besitzer Flächen zusammenschließen und diese gebündelt verkaufen. Matthias Zeißner: "Ich weiß definitiv nichts von derartigen Plänen. Die Masse der Eigentümer wird sicherlich nicht an einen Investor verkaufen." Die IG bezweifelt das, weil einige der Eigentümerfamilien bereits über baureife aber unbebaute Grundstücke im Innenort verfügen.

Was wo am Sonntag passiert:

Sprechen sich die Bürger am Sonntag mehrheitlich gegen das Baugebiet aus, ist die Gemeinde ein Jahr an das Votum gebunden (sogenannte Bindefrist). Bei der Abstimmung müssen mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigen ihre Stimme abgeben — in Hausen sind das zirka 600 Kreuze bei rund 3000 Berechtigten. Bei Stimmengleichheit gilt die Frage als mit "Nein" beantwortet. Das Ergebnis kann nur durch einen neuen Entscheid geändert werden, außer die Sach- und Rechtslage ändert sich grundlegend.  Ihre Stimme abgeben können die Bürger am Sonntag, 10. März, zwischen 8 und 18 Uhr,  in der Grundschule in Hausen und im Kindergarten in Wimmelbach.

Eine Fläche von 3,35 Hektar umfasst das geplante Baugebiet "Am Wöhrgarten" in Hausen. Das sind 33 500 Quadratmeter — fast fünf Fußballfelder. Auf dem Gelände zwischen Industriestraße, Kaimstraße und dem Hirtenbach können maximal 88 Wohneinheiten mit 33 Häusern entstehen. Anfangs war von 111 die Rede. Nachdem Kritik zu den Plänen laut wurde, ist der Bebauungsplan abgespeckt worden.

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