Folge des Bienen-Volksbegehrens

Angst vor Artenschutzgesetz: Landwirte fällen Bäume in Fränkischer Schweiz

5.5.2019, 19:26 Uhr
Stark beschnittene und auch gefällte Kirschbäume am Walberla. Rund 30 Bäume sollen betroffen sein, ihr Stammdurchmesser 30 bis 70 Zentimeter betragen.

© Heinrich Kattenbeck Stark beschnittene und auch gefällte Kirschbäume am Walberla. Rund 30 Bäume sollen betroffen sein, ihr Stammdurchmesser 30 bis 70 Zentimeter betragen.

Sie haben die Säge ausgepackt: In den vergangenen Tagen haben Landwirte teils jahrzehntealte Obstbäume auf Streuobstwiesen in verschiedenen Orten in der Fränkischen Schweiz gefällt. Dabei werden noch Monate bis zum alternativen Gesetzesentwurf eines Artenschutzgesetzes vergehen. Das Landratsamt schlägt Alarm, der bayerische Umweltminister versucht zu beruhigen, die Landwirte sind ratlos. Ins Rollen gebracht haben das zwei Dinge: die umstrittene Biotopkartierung und das Volksbegehren „Rettet die Bienen!“. Fragen und Antworten im Überblick.

Warum greifen die Landwirte zur Säge?

Einer der Hauptgründe dürfte darin liegen, dass die Landwirte verunsichert sind, was sie erwartet. Das bestätigt Willi Schmidt, Landwirt, Brenner, Bio-Hofbesitzer und Eigentümer mehrerer Streuobstwiesen in der Fränkischen Schweiz. „Keiner sagt, was auf uns zukommt“, so Schmidt im Gespräch mit den Nordbayerischen Nachrichten. Mehrere NN-Leser berichten von dutzenden gefällten Bäumen in Walkersbrunn, Schlaifhausen, Leutenbach, Mittelehrenbach, Kirchehrenbach oder Pretzfeld.

Was hat die Verunsicherung ausgelöst?

Die sogenannte Biotopkartierung des Freistaates und das Volksbegehren „Rettet die Bienen!“.

Was hat es mit der Biotopkartierung auf sich?

Die Kartierung diente dazu, die Flächen im Freistaat zu untersuchen und zu prüfen, welche Gebiete möglicherweise als Biotop gelten. Kartierungen gibt es seit vielen Jahren, sie dienen generell dazu, Flächen quasi auf einer Karte in bestimmte Kategorien einzuteilen. „Eine Kartierung ist notwendig, der Landwirt soll für den Erhalt von Biotopflächen auch eine hohe Summe erhalten“, sagt Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) im Gespräch mit den Nordbayerischen Nachrichten. Das garantiere den Schutz wertvoller Landschaftsflächen. Eine finanzielle Unterstützung gibt es dafür schon heute.

Welche Folgen befürchten Landwirte in der Fränkischen Schweiz?

Dass der Freistaat an einer Biotopkartierung arbeitet, hatten die Landwirte beiläufig erfahren. Aufgeschreckt worden sind sie erst durch eine Mitteilung des Landesamtes für Umwelt (LfU). Das Amt teilte mit, dass eine aktuelle Biokartierung der Streuobstwiesen des Landkreises ab Januar 2019 im Internet einzusehen ist. Die Kartierung war von 2014 bis 2018 erfolgt, ohne dass die Grundstückseigentümer als Betroffene informiert waren.

Der Unmut unter den Landwirten und im Bayerischen Bauernverband vor Ort war groß darüber. Von einem „heftigen Eingriff in unser Eigentum“, sprach der oberfränkische Präsident des Bayerischen Bauernverbands Hermann Greif. Der Status als Biotop bedeute für die Landwirte, dass sie strenge Vorschriften beim Düngen, Spritzen oder beim Ersetzen von Bäumen befolgen müssten. Landwirt Willi Schmidt aus Mittelehrenbach: „Wir Landwirte haben Angst, am Zustand unserer Streuobstwiesen nichts mehr ändern zu können, dass wir ein Stück weit enteignet werden, weil wir nicht mehr frei über unser Eigentum bestimmen können.“

"Nicht korrekt ausgeführt"

Warum hat der bayerische Umweltminister die bisherige Biotopkartierung gestoppt?

Minister Glauber hat die Kartierung der Streuobstwiesen, die im Internet öffentlich zugänglich war, gelöscht. „Und das bleibt auch so“, versichert er. Nach einer Prüfung habe man festgestellt, dass von 3600 Aufnahmen der Kartierung 2000 nicht korrekt ausgeführt wurden.

Was ist bei der Kartierung falsch gelaufen?

Einer der Fehler war es laut Glauber, dass auch intensiv bewirtschaftete Flächen zu Biotopen erklärt wurden, darunter Streuobstwiesen. Nach den Kartierungsrichtlinien könnten Streuobstbestände Biotope sein, „aber das kann nicht für die in Franken intensiv bewirtschafteten Flächen gelten“, sagt Glauber. „Das sind de facto keine Biotope.“ Intensiv genutzte Streuobstwiesen sind in der Regel solche, die der Landwirt regelmäßig pflegt, bewirtschaftet und wo er das Obst von den Bäumen erntet.

Zuständig für die Kartierung sei ein externes Ingenieurbüro gewesen, so Glauber. Das Gegenteil davon sind extensive Streuobstwiesen, also nachrangig genutzte. Landwirte ernten dort nicht vom Baum, sondern stellen mit dem Fallobst Lebensmittel her. In Bayern und gerade im Bereich der Fränkischen Schweiz haben sie eine besondere Bedeutung, weil sie seit Jahrhunderten die typische Kulturlandschaft rund um die Orte prägen und ein wichtiger Lebensraum für die heimische Tier- und Pflanzenwelt sind.

Umweltminister fordert 15 Prozent

Welche Rolle spielt das Volksbegehren „Rettet die Bienen!“

Im erfolgreichen Volksbegehren „Rettet die Bienen!“ ist die Rede davon, extensiv genutzte Streuobstwiesen ab einer Fläche von 2500 Quadratmetern als Biotop aufzunehmen. Das Begehren sieht vor, dass bis zum Jahr 2027 auf insgesamt 13 Prozent der Offenlandfläche im Freistaat Biotopverbünde geschaffen werden. Umweltminister Glauber fordert 15 Prozent und hat Blühflächen, Hecken oder die Donauauen dafür im Blick. Er garantiert den Landwirten: „Unterhalt und Bewirtschaftung der Streuobstwiesen müssen weiter vollumfänglich zulässig sein.“

Welche Probleme befürchten Landwirte, deren Streuobstwiesen unter die Kategorie „Biotop“ fallen?

Dies träfe auf extensiv genutzte Streuobstwiesen zu. Für die Landwirte ist aber unklar, wie „extensiv“ definiert werde. Landwirte verweisen darauf, dass auf diesen Flächen aus dem Fallobst Säfte oder Brände hergestellt werden. Damit arbeitet auch Biobauer Willi Schmidt. Bäume, die nicht mehr tragen, müssten gefällt werden dürfen, um eine neue Kultur anzupflanzen, so Schmidt. Alte Hochstammbäume ersetzen Landwirte verstärkt mit Mittel- oder Niedrigstammbäumen. „Das spart uns bei der Ernte oftmals die große Leiter und rund 50 Prozent Kosten.“

Wie realistisch ist Glaubers Vorschlag?

Der Vorschlag sei am runden Tisch in München von Vertretern des Volksbegehrens, Parteien und Landwirten unterstützt worden. Demnach geht Glauber auch davon aus, dass sein Vorschlag im Landtag am Ende die Zustimmung erhält und in ein Gesetz mündet. Am Schluss haben aber die Abgeordneten das Sagen.

Auf Vogelnester prüfen

Wann wird das Volksbegehren zum Gesetz?

Am 8. Mai beginnt der Landtag mit dem Gesetzgebungsverfahren. Der Gesetzentwurf, also das Volksbegehren selbst, muss unverändert bleiben. Es kann aber, wie von Glauber vorgeschlagen, ergänzt werden. Eine Abstimmung vor der Sommerpause gilt als wahrscheinlich.

Was können Landwirte in der Zwischenzeit tun, worauf müssen sie achten?

„Sie sollen ihre Säge eingepackt lassen“, sagt Umweltminister Glauber. „Ich appelliere an die Landwirte, die Beratungen im Landtag abzuwarten.“ Das Landratsamt teilt mit, dass „die aktuelle gesetzliche Rechtslage ein Fällen der Obstbäume nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässt. Aufgrund des Artenreichtums eines Streuobstbestands wird darauf hingewiesen, dass es verboten ist, wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen, zu verletzen, zu töten.“ Landwirte müssen vor dem Fällen prüfen, ob beispielsweise Vogelnester vorhanden sind oder Vögel bereits brüten. Ist das der Fall, „ist das Fällen nicht zulässig“. Für Verstöße können Bußgelder fällig werden. Bestimmte Maßnahmen können als Straftat gelten.

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