Ansturm auf die Fränkische Schweiz: Bei der Jagd nach dem schönsten Foto leidet die Natur

30.4.2021, 12:41 Uhr
Ansturm auf die Fränkische Schweiz: Bei der Jagd nach dem schönsten Foto leidet die Natur

© Foto: Berny Meyer

Die Sinterterrassen in der Fränkischen Schweiz sind ein Naturschauspiel und von Corona bedroht. Im übertragenen Sinn. Während der Pandemie drängt es die Menschen in ihrer Freizeit – auch aus Mangel an Alternativen – in die Natur. Sie kommen ihr stellenweise aber viel zu nah. Und ignorieren auch Schutzmaßnahmen, wie jene bei den Kalkterrassen, die vom Bachlauf der Lillach geprägt sind.

Um sie zu schützen, hat der Bautrupp des Naturparks Fränkische Schweiz-Frankenjura Geländer angebracht. Besucher sollen die Terrassen mit Abstand bewundern, die fragilen Kalktuff-Formationen aber nicht betreten. "Sonst gehen sie schnell kaputt", sagt Julia Dummert. Sie ist eine von vier Naturparkrangern. Doch das Geländer hilft nur begrenzt. "Die Leute ducken sich durch." Auf der Jagd nach dem besten Foto.

Vorgegebene Wege werden verlassen

Dafür verlassen die Menschen auch in Naturschutzgebieten die vorgegebenen Wege, so Dummert. Erlaubt ist das nicht. Trotzdem entstehen immer wieder neue Trampelpfade.

Die langfristigen Folgen des Andrangs für die Flora und Fauna in der Fränkischen Schweiz sind unklar. "Die Natur erholt sich von Trittschäden natürlich wieder, aber je öfter auf Stellen getreten oder mit dem Rad abseits der Wege gefahren wird, desto schwieriger ist es", sagt Dummert. "Bei der Menschenmenge wie derzeit, hat die Natur keine Zeit, sich zu erholen."

Ansturm auf die Fränkische Schweiz: Bei der Jagd nach dem schönsten Foto leidet die Natur

© Foto: Berny Meyer

Auch die Tiere scheuen vor den menschlichen Besuchern zurück. Die Verhaltensregeln in geschützten Gebieten wie rund um das Walberla sind übersichtlich: Hund anleinen, Müll nicht hinterlassen, keine Pflanzen pflücken, auf den Wegen bleiben. "Die meisten Regelungen wären auch außerhalb der Naturschutzgebiete sinnvoll", sagt Dummert.

"Ich möchte keine Verbote"

Müssen und können Verbote die Natur retten? Kirchehrenbachs Bürgermeisterin Anja Gebhardt (SPD) ist da skeptisch. "Wir müssen den Leuten im Augenblick den Freiraum geben. Nicht nur die Natur ist gestresst, sondern auch viele Menschen sind am Limit angekommen. Ich möchte deshalb keine Verbote aussprechen müssen." Der Bautrupp der Gemeinde sammele regelmäßig den von Besuchern rund ums Walberla übriggelassenen Müll auf. "Es ist noch nicht so, dass Stellen komplett vermüllt sind", sagt sie.

Ihr Bürgermeisterkollege Bernd Drummer in Wiesenthau sieht das ähnlich. Ein Mülleimer auf dem Weg zum und zwei Behälter am Wanderparkplatz in Schlaifhausen seien regelmäßig voll, weshalb Müllreste auch neben den Eimern liegen. "Doch die Leute werfen nichts in das Gelände." Wenig Verständnis hat Drummer für hinterlassene Pizzaschachteln oder volle Mülltüten. Dahinter vermutet der Bürgermeister Wohnmobilisten. "Die beste Variante wäre es, den Müll wieder mit nach Hause zu nehmen."

Hinweisschilder als Lösung?

Eine Lösung könnten für Drummer Hinweisschilder sein, die auf Regeln und Rücksicht nehmen aufmerksam machen. Bis der Druck wieder nachlasse. "Es wird wieder weniger werden", ist er sich sicher. Sobald Lockerungen in Kraft treten, die Menschen wieder verreisen und übernachten können. Matthias Helldörfer, Leiter der Tourismuszentrale Fränkische Schweiz, rechnet in der Zeit nach der Pandemie gar mit einer Delle für den heimischen Tourismus.

Bis der Druck nachlässt, spielen die vernünftigen Wanderer eine wichtige Rolle, wie die Bergwacht Forchheim beobachtet. Die hatte sich jüngst über menschlichen Kot direkt vor und hinter ihrer Berghütte am Fuße des Walberlas gewundert und geärgert. Doch auch für das Toilettenproblem sind Lösungen in Sicht.

Müll mitnehmen

Plogging kommt jüngst in Mode; hinter dem Begriff versteckt sich ein Mischmasch zweier englischer Wörter. Er beschreibt das Müllaufsammeln während des Joggens oder Laufens. "Die Leute nehmen verstärkt fremden Müll mit", hat Thomas Obeth von der Bergwacht beobachtet.

Auch sonst zeigt er sich eher optimistisch, was die Aufgaben seiner Retter betrifft. Im Landkreis verzeichne die Bergwacht zwar mehr Einsätze, das halte sich aber noch im Rahmen. Fußvertreten, Waldarbeiten, stürzende Moutainbiker: "Die Unfallursachen sind immer die gleichen. Überschätzen gehört glücklicherweise nicht dazu, so vernünftig sind die Leute."

Druck wird wohl hoch bleiben

Auch wenn das Wetter für das 1. Mai-Wochenende wohl nicht ganz mitspielt: "Es gibt Traditionalisten, die auch ohne Walberlafest auf den Berg hochgehen und ihr Bier trinken", weiß Obeth. Oder andere geschützte Naturgebiete erkunden.

Dass der Druck in der kommenden Sommersaison hoch bleibt, erwarten alle von uns Befragten. Deshalb arbeiten die Naturparkranger an einem Besucher-Lenkungskonzept. "Wir versuchen die Menschen so zu lenken, damit erst gar keine Schäden in der Natur entstehen", sagt Rangerin Dummert. Gelingen soll das mit mehr Aufklärungsarbeit oder dem Rückbau von Trampelpfaden in sensiblen Gebieten. "Wir wussten, dass diese Aufgabe auf uns zukommt. Sie ist durch die Pandemie aber größer geworden, als gedacht."

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