Bach in der Matthäuskirche Hetzelsdorf „verbrasst“

27.5.2014, 17:35 Uhr
Bach in der Matthäuskirche Hetzelsdorf „verbrasst“

© Udo Güldner

Eigentlich sollten es nur Fingerübungen werden für seine erste Sinfonie. Doch was Johannes Brahms 1873 der musikalischen Öffentlichkeit präsentiert, geht weit über ein kammermusikalisches Kabinettstückchen hinaus und wird als „Nullte Sinfonie“ eingeordnet. Seine „Variationen über ein Thema von Joseph Haydn“ stoßen tonsprachlich bereits an die Grenzen spätromantischer Möglichkeiten. Und sie sind für den großen Konzertsaal konzipiert.

Zwar noch keine Zwölfton-Komposition, wohl aber auf Arnold Schönberg und Anton Webern hinweisend, verarbeitet Brahms eine Melodie aus Haydns Bläser-Divertimenti, in denen der Wiener Klassiker einen burgenländischen Wallfahrer-Choral zu Ehren des heiligen Antonius aufgegriffen hat. Das Ensemble Hundshaupten „verbrasst“ Brahms nicht nur eine jazzige Seite, die zwölf Musiker und ihr Dirigent Bernhard Joerg legen die komplexe Architektur des Themas und seiner acht Variationen bloß.

Mit emotionaler Präzision und enormem Tempo schaffen sie es, die in der Orchesterfassung oft gehörte Süßlichkeit und Behäbigkeit wortwörtlich wegzublasen. Da klingt die 5. Variation in ihrer unruhigen 6/8-Bewegung fast, als ob mexikanische Mariachi-Musiker sich der temperamentvollen Takte angenommen hätten. Ihr ganzes Können dürfen Christian Bauer, René Hurtienne, Simone Spaeth ud Peter Gunreben (Trompeten), Dietrich Kawohl, Stefan Schmidt, Wolfram Weltzer und Martin Weber (Posaune), Charly Hopp und Gabi Lüdenbach (Horn) sowie Berthold Gunreben (Tuba) in Jim Parkers „A Londoner in New York“ hören lassen.

So wie George Gershwin die Geräusche der Pariser Großstadt aus Sicht eines Amerikaners geschildert hatte, so hört man beim Briten die „Echoes of Harlem“, klettert das „Chrysler Building“ tänzerisch empor und freut sich in „Grand Central“ über den ganz großen rhythmischen Bahnhof.

Schatzgräber an der Orgel

Einen kleinen Schatz zu heben gilt es mit Georg Schäffner. Er tastet sich nicht nur an Johann Sebastian Bachs „C-Dur Toccata und Fuge“ heran, die sonst eher im Schatten ihrer größeren d-Moll-Schwester steht, sondern auch an Leon Boellmanns „Suite Gothique“. Ein romantisches Gebet an die Jungfrau Maria („Priere à Notre Dame“) entweicht als innig-zärtliche Melodie den Orgelpfeifen.

Virtuoserer Griffe mit Händen und Füßen bedarf die „Toccata“, deren mollige Stimmung durch einen eindrucksvollen Dur-Dreiklang im Finale aufgehellt wird (picardische Terz).

Schäffner hatte das Ensemble Hundshaupten als musikalischer Leiter mitbegründet und dann den Stab nach einem Jahrzehnt an Carl Friedrich Meyer und später Bernhard Joerg weitergereicht. Schade, dass es nur ein einziges Stück mit seinen früheren Kollegen präsentiert. Richard Strauss’ „Feierlichen Einzug“, der — obwohl weltliches Werk — bestens in die kirchliche Umgebung passt und dass der Spätromantiker speziell für Blechbläser komponiert hat.

Grüße aus St. Lorenz und Sebald

Mit Dieter Wendels „Noris Promenade“ geraten Nürnberger Sehenswürdigkeiten ins Blickfeld des Ensemble Hundshaupten. Zuerst die Kaiserburg, die majestätisch über allen Tönen thront, dann das Spielzeugmuseum, das kleinen und großen Kindern süße Träume verspricht. In St. Sebald und St. Lorenz dominieren naturgemäß kirchenmusikalische Klänge von der Gregorianik bis zu Pachelbels weltberühmtem Kanon.

Als Wendels Noten, der übrigens Landesposaunenwart Bayerns ist, ins Jazzstudio geraten, setzt sich Bernhard Joerg erstmals hin. Aber nur, um auf dem Cachon, einem Holzkasten, den Bigband-Sound perkussiv mitzumischen. Als Höhepunkt der Suite geht es ins Opernhaus, in dem Mozart, Meistersinger und Musical die Bühne bevölkern.

Bereits am kommenden Donnerstag um 19 Uhr ist die Matthäuskirche wieder Schauplatz eines Konzertes. Dann für die traditionelle „Bläserserenade am Himmelfahrtstag“ mit dem Posaunenchor Hetzelsdorf. Der Eintritt ist frei.

Keine Kommentare