Bamberger Puppendoktor hört nach 20 Jahren mit humanitärer Arbeit auf

9.6.2019, 11:27 Uhr
Die Puppendoktore Ute und Günter Geier haben sich in ganz Deutschland einen Namen gemacht.

© Hubert Bösl Die Puppendoktore Ute und Günter Geier haben sich in ganz Deutschland einen Namen gemacht.

In den rund 20 Jahren seines Engagements ist Günter Geier 110 Mal in Richtung Balkan aufgebrochen, um den Menschen zu helfen, die unter den Balkanrkiegen gelitten haben. Mit viel Unterstützung von außen, Enthusiasmus und manchmal nicht ganz konventionellen Methoden, hat er ein Netzwerk aufgebaut, das er nun schweren Herzens hinter sich lassen muss.

Als Günter Geier das letzte von einem ganzen Stapel an Fotoalben zuschlägt, ist ein Schmunzeln auf seinem Gesicht zu erkennen. Mehrere Stunden lang hat er Anekdoten von seinen Reisen in ferne Gefilde erzählt. Den fröhlichen Erinnerungen mischen sich jedoch immer wieder schmerzvolle Szenerien bei. Es ist ein bunt zusammengesetztes Kaleidoskop aus einzelnen Ereignisse und nicht immer ungefährlichen Aktionen, die ihn nachhaltig bewegen und die er nicht mehr vergessen wird.

Anfang der 90er Jahre

Ein beschaulicher Abend Anfang der 90er Jahre: Über das Fernsehen erfahren Günter Geier und seine Frau Ute, die sich schon zuvor bei „Aktion Sorgenkind“ und „Krebshilfe Jena“ engagiert hatten, von den schlimmen Zuständen in der rund 1000 Kilometer entfernten Region. "Sofort war uns klar: Wir müssen helfen", so Ute Geier.

Von da an traten neben dem Kinderspielzeug, das Günter Geier mit Passion repariert, Kinder in den Fokus seines Lebens. "Den Kindern, die weder Schuld an ethnischen Konflikten, noch am kriegerischen Treiben der einzelnen Gruppen trugen, muss geholfen werden", sagt er.

Die Medien hatten ihm die Lage der Kleinen näher gebracht und machten seine Hilfsaktionen publik. Schon der erste Spendenaufruf brachte einen ganzen Lkw an Gütern zusammen, im Laufe der Jahre wurde es immer mehr. Namhafte Bamberger Unternehmen, Institutionen wie „Ein Herz für Kinder“ und Privatpersonen, die bis zuletzt anonym immens große Summen für den guten Zweck spendeten, gesellten sich dazu.

"Viel Logistik erforderlich"

Oft hätten die zur Verfügung gestellten Hilfsgüter die gesamte Garage seines kleinen Anwesens, den Keller, Wohnraum und sogar Nachbargebäude in Beschlag genommen. Unentwegt stapeltens ich Lebensmittel, Waschmaschinen und sonstige dringend benötigte Gegenstände. "Viel Logistik war erforderlich", erklärt Geier den wochenlangen Aufwand hinter einem solchen Vorhaben, das ihn in gezählten Kilometern gut fünfmal um die Erde geführt hat.

Mit bis zu drei Sattelschleppern hat er sich mehrmals im Jahr aufgemacht. Reibungslos verlief das allerdings nicht immer. „Einfach runterbringen, ausladen und wieder nach Hause fahren, das geht nicht“, betont er. Immer wieder sei er unterwegs nicht nur auf Hindernisse gestoßen, sondern konnte durch so manchen Zufall auch außerplanmäßige Spenden mit in das Krisengebiet nehmen.

So habe er vor vielen Jahren beim Zoll eine ganze Ladung Hemden entdeckt, die vorschriftsgemäß verbrannt werden sollten. "Ein Unding", erinnert er sich noch heute kopfschüttelnd. Einige hartnäckige Telefonate und Besuche später, konnte er das Blatt doch noch wenden. 17 Heime wurden daraufhin persönlich mit den Textilien versorgt.

„Man muss alles gerecht verteilen.“ Und das gehe eben am besten durch eigenes Anfahren – mitten hinein ins Kriegsgebiet. Ein Schutzengel sei aber immer mit an Bord gewesen, resümiert er heute erleichtert. Denn brenzlig war es nicht nur einmal. Manchmal habe er nicht daran geglaubt, unversehrt nach Hause zurückzukehren.

Dramatisches Erlebnis

Besonders dramatisch war zum Beispiel das Zurückbringen eines sechsjährigen Jungens. Noch vor Kriegsausbruch war die Mutter des Jungen nach Deutschland gereist. Hier musste sie dann feststellen, dass mittlerweile der Krieg ausgebrochen war, der eine Rückkehr in ihre Heimat unmöglich machte. Eines Tages sei die Mutter vor Geiers Tür gestanden, erzählt er. Das Internationale Rote Kreuz konnte ihren Sohn ausfindig machen und Günter Geier fackelte nicht lange.

Schnell wurde ein Leihwagen organisiert und los ging die 19-stündige Fahrt nach Bosnien. Die Angst habe ihn stets begleitet, gesteht er offen. Oftmals musste er schmieren, diverse Tricks anwenden, blickte in den Lauf von Maschinenpistolen oder sah schrecklich verstümmelte Leichen am Wegesrand - nicht nur während dieser Fahrt. Schließlich konnte er das Kind wohlbehalten nach Franken bringen und wieder mit seiner Mutter zusammenführen.

Transporte in Höhe von sechs Millionen Euro

Neben vielen bedrückenden Momenten, hat er aber auch grenzenlose Freude erlebt. Ganze Röntgen- und Ultraschallgeräte eines Bamberger Arztes haben ihren Weg in die Ferne gefunden. Ein Kleinbus zum Transport der Schulkinder wurde ebenso gespendet wie Komplett-Ausstattungen für Kommunionen. Auf seinen Fahrten bewegte er Werte um die sechs Millionen Euro.

Spontane Hilfe, wie das neue Eindecken eines Waisenhausdaches durch Hirschaider und Seußlinger Firmen, die für ein Wochenende ins Krisengebiet gefahren waren, kamen zustande wie rauschende Kinderfeste, die bunte Farben in den tristen Kriegsalltag gebracht haben. Oftmals halfen pure Zufälle, günstige Fügungen und Mund-zu-Mund-Propaganda.

Strahlende Kinderaugen

„Schön waren die strahlenden Kinderaugen, die man gesehen hat, wenn sie etwas bekamen“, beschreibt er die vielen Momente, wenn er zum Beispiel frische Kiwis oder andere Leckereien aus den Lkw auslud. Meist herrschte eine bedrückte Stimmung bis hin zur Apathie, eingebettet in eine triste und völlig zerstörte Umgebung. Die Not besteht bis heute. Nach wie vor sei Korruption eines der größten Probleme.

Aufgeben kam für Geier trotzdem nicht in Frage, er hat immer weiter gemacht. Doch nun kommt der 79-Jährige gesundheitlich an seine Grenzen. Zunächst stehe jetzt erst einmal die eigene Gesundheit im Vordergrund. "Was bleibt, ist grenzenloser Dank, den ich allen Helfern aussprechen möchte", so Geier. Auch seiner Frau, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre.

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