Unter der Erde

Baustelle in Forchheims Innenstadt: Archäologen kommen Festungsgraben auf die Spur

30.9.2020, 06:00 Uhr
Die Fläche, die die Archäologen an der Birkenfelder Straße untersuchen, ist deutlich größer als ursprünglich geplant. Zunächst war von rund 800 Quadratmetern die Rede, nun müssen sie mehr als 3300 Quadratmeter unter die Lupe nehmen.

© Udo Güldner Die Fläche, die die Archäologen an der Birkenfelder Straße untersuchen, ist deutlich größer als ursprünglich geplant. Zunächst war von rund 800 Quadratmetern die Rede, nun müssen sie mehr als 3300 Quadratmeter unter die Lupe nehmen.

Zentimeter für Zentimeter trägt Robert Reichert aus Wroclaw den gelben, lehmigen Sandboden ab. Mit einer Schaufel kommt der polnische Facharbeiter der Vergangenheit immer näher. Nachdem die Bagger in den letzten Wochen die grobe Vorarbeit geleistet haben, ist nun behutsame Handarbeit gefragt. Sein slowakischer Kollege Michal Richtarik aus Považská Bystrica bringt den Aushub weg. Schließlich soll kein Befund übersehen werden, soll kein Fund verloren gehen.

Zu ersteren zählt Ernst etwa die Pflugspuren, die er außerhalb der barocken Bastion gefunden hat. Als dunkle Linien zeichnen sie sich im hellen Untergrund deutlich ab und erzählen von der landwirtschaftlichen Nutzung des Geländes unmittelbar vor dem Festungsgraben. Noch in Grenzen hält sich das bisher geborgene Fundmaterial. Das sind zahlreiche Keramikscherben, sehr gut erhaltene Tierknochen oder Metallteile wie Nägel, die aus dem 15. bis 18. Jahrhundert stammen. Näheres dazu kann Ernst sagen, wenn er die gesäuberten und katalogisierten Fundstücke ausgewertet hat. Das kann aber noch dauern, wie Ivonne Weiler-Rahnfeld vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in Schloss Seehof meint. Schließlich ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht ganz klar, wie lange noch mit Spaten und Spachtel gegraben werden muss, zumal die Arbeiten ja erst am Anfang stehen.

Derweil erzeugen drei Bagger und ein Radlader am anderen Ende der Baugrube eine ständige Lärmkulisse. Dennoch müssen Ernst und sein Stellvertreter Martin Flämig aus Halle an der Saale die Ruhe bewahren. Mit großer Genauigkeit schneiden sie unterschiedlich große Rechtecke aus dem Erdboden. Der ist durch Schnüre, die an Zimmermannsnägeln entlanglaufen, in ein dichtes Gitternetz unterteilt. Alles wird genau dokumentiert, mit Bleistift und Papier, aber auch mit dem Fotoapparat.

Wehranlage wurde verfüllt

So ist man auch dem Festungsgraben auf die Spur gekommen, der knapp ein Drittel des Gebietes durchzieht. Im 19. Jahrhundert wurde die Wehranlage allerdings verfüllt. Was Untergrund und was Füllmaterial ist, lässt sich manchmal mit bloßem Auge sehen. Manchmal braucht es auch Fingerspitzengefühl. Und ganz früher, erklärt Ernst, glaubten manche Archäologen sogar den Unterschied erschmecken zu können. Das mache heute aber keiner mehr.

Auch der starke Regen der letzten Tage hat den Archäologen Kopfzerbrechen bereitet. Mit Plastikplanen, beschwert mit Holzklötzen, haben Gerhard Pastirčák und Oliver Renáčaus Bratislava versucht, die Niederschläge von der Ausgrabungsebene fernzuhalten. Die Fläche ist indes deutlich größer als ursprünglich geplant. Zunächst war von rund 800 Quadratmetern die Rede, nun müssen Ernst und seine Mitarbeiter mehr als 3300 Quadratmeter untersuchen – in gleicher Mannstärke. Eine Mammutaufgabe für den Münchner, der seit seinem Studium vor 34 Jahren in Bamberg lebt. Zuletzt erforschte er in Forchheim, was sich unter der Oberfläche des Klosterareals befand.

Mit dem Auftauchen der Reste des Reuther Tor-Vorwerkes hat Ernst gerechnet. In der Literatur taucht das "St. Andonius Werk" nur einmal auf, wie Stadthistoriker Reinhold Glas bestätigt. Und zwar auf dem Festungsplan von 1789, den der Artillerie-Leutnant und Ingenieur Leopold Maria Westen gezeichnet hat. "Im älteren Festungsplan von 1750, den der Artillerie-Hauptmann Paul Neusel angelegt hat, wird das Festungswerk ohne speziellen Namen als Außen-Werk oder Contre Garde der Reuther Tor-Bastion bezeichnet.

Dieses Vorwerk war das letzte große Projekt an der Festung Forchheim und ist durch Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn 1746 begonnen und durch seinen Nachfolger Philipp Anton von Franckenstein ein Jahr später fertiggestellt worden. Bereits 1741 soll sich der Architekt Balthasar Neumann wegen dieses Objekts in der Stadt aufgehalten haben. Glas vermutet, dass es nach dem Abbruch des Reuther Tores 1876 auch zum Abriss des zugehörigen Vorwerkes gekommen sein kann. Allerdings schweigen die schriftlichen Quellen dazu bislang.

Mächtige Sandsteinquader sind es, die bis zu vier Meter in die Tiefe reichen. Dort unten kann der Mittelalter- und Neuzeit-Archäologe sogar das Fundament der Festungsmauer sehen. Leider ist nicht der ganze Verlauf erhalten. Lücken klaffen. Vielleicht aber gelingt ihm der Nachweis, dass sich auch an dieser Stelle Kasematten befunden haben. Von derlei ist in den Büchern nämlich nichts zu lesen. Man darf gespannt sein.

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