Beim Comeback bezwingt Adrenalin den Wadenkrampf

23.6.2014, 14:00 Uhr
Beim Comeback bezwingt Adrenalin den Wadenkrampf

© Rödel

„Du musst nach dem Wettkampf noch arbeiten“, versuche ich mich zu bremsen. Die ersten Bahnen nach dem Schwimm-Start gehe ich für meine Verhältnisse viel zu schnell an. Beim Training auf der 25-m-Strecke lässt sich durch das Abstoßen am Beckenrand ordentlich Raum gewinnen, nun wird es auf halber Strecke der 50 Meter zäh, von Außen betrachtet muss mein Kraulstil ziemlich wüst aussehen.

Drei von zehn Bahnen lege ich im langsameren Bruststil zurück, um wieder Kraft zu tanken. Nach 10:23 Minuten steige ich aus dem kühlen Nass und fühle mich sehr lebendig dafür, dass ich bereits um 6.30 Uhr aufgestanden bin.

Klebeband gesucht

In der Wechselzone ist die Routine das A und O. Doch ich war schon bei der Startvorbereitung überfordert. „Ist die vierte Disziplin“, klärt mich einer der etwa 100 Helfer freundlich auf, nachdem ich auf der Suche nach einem Klebeband für die Startnummer herumgeirrt bin. Die meisten anderen haben dafür einen Bauchgurt, den sie drehen können. Ich werde später mein Shirt wenden müssen. Denn es gilt: Beim Radfahren Nummer am Rücken, beim Laufen vorne.

Bei der Wettkampfbesprechung fällt mir dann auf, dass ich meinen Transponder für die Zeitmessung zusammen mit meinen Wertsachen in den sogenannten „After-Race-Beutel“ gepackt habe. Die Krönung der Misere: Geschlagene drei Minuten benötige ich, um mit den Füßen in meine Radhose zu kommen. Als ich endlich wieder unterwegs bin, sitzt die freilich auch nicht richtig. Zudem wäre die kurze Version bei Temperaturen um die 20 Grad angenehmer gewesen. Schwamm drüber.

Auf den vier Radrunden werden die Fahrer mehrfach gratis durchgeschüttelt, auf der Willy-Brandt-Allee halten sich die Straßenschäden immerhin in Grenzen. Neidisch muss ich auf der langen Gerade allerdings mehrfach tatenlos zusehen, wie Konkurrenten auf ihren sündteuren Hightech-Rennmaschinen an mir vorbeifliegen. Da kann ich mich noch so aerodynamisch in meinen Triathlon-Zeitfahrlenker hineinlegen. Im letzten Teilstück trete ich auf meiner einsamen Fahrt noch einmal kräftig in die Pedale und hole mir einige Positionen zurück.

In der zweiten Wechselzone geht dann nichts schief. Fahrrad und Helm sind schnell abgelegt, noch das Shirt herumgedreht, und schon bin ich wieder unterwegs. Zu verdanken ist dies meinem taktischen Schachzug, auf Klickpedale zu verzichten und die Laufschuhe bereits auf dem Rad zu tragen. Eine gefühlte Ewigkeit dauert es, ehe ich die 1-km-Marke passiere. Bereiteten mir im Training wenn überhaupt die Oberschenkel Probleme beim Wechsel vom Rad zum Joggen, so sind es nun die Waden. Links wie rechts deuten sich Krämpfe an. Da war wieder dieser Gedanke: „Du musst noch arbeiten.“

Doch das Adrenalin setzt sich spielend leicht durch. Zudem bin ich zeitweise abgelenkt und damit beschäftigt, meine provisorisch befestigte Startnummer nicht zu verlieren. Zurück im Stadion auf der Sportinsel, tragen mich die Musik und der Applaus des Publikums die letzten Meter ins Ziel. Wichtiger als die Zeit (1:22:53 Stunden, Platz 84) ist mir in diesem Moment mein abschließendes Überholmanöver. Die junge Dame hatte mich nach dem Schwimmen in der ersten Wechselzone überholt und war auf der Radstrecke bald nur noch am Horizont zu erkennen. Beim Laufen konnte ich zunächst aufschließen, musste abreißen lassen, kam wieder zurück. Comebacks sind für mich nicht nur im Sport das schönste überhaupt — beim Triathlon hat jeder genug Chancen, eines hinzulegen.

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