Sie bekommen oft den Frust der Menschen ab

"Belastet die Seele": Das leisten ASB und BRK um Forchheim in Pandemie-Zeiten

9.4.2021, 05:57 Uhr

© Archivfoto: Berny Meyer

Bei einer Katastrophe Ruhe zu bewahren, schnell zu agieren und die richtigen Schritte einzuleiten, darauf sind sie eingestellt. Das haben sie immer wieder trainiert: die Helferinnen und Helfer des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) und des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB). Doch auf das, was im Frühjahr 2020 auf sie zukam – darauf waren sie nicht vorbereitet. Schlicht die ganze Welt nicht.

Mit dem neuartigen Coronavirus hatte in dieser Form kaum jemand gerechnet und erst recht nicht damit, dass die Pandemie derartige Einschränkungen des öffentlichen Lebens mit sich bringen und – wie allein bis jetzt schon – rund 400 Tage anhalten würde. Selbst heute lässt sich noch nicht sagen, wie viele Wellen es noch geben wird.

Am 16. März 2020 wurde in Bayern der Katastrophenfall ausgerufen – ein bayernweiter Ausnahmezustand durch eine Pandemie, die genau dort angreift, wo die Gesellschaft am verwundbarsten ist: Im persönlichen Kontakt, im herzlichen Miteinander – weil jede Umarmung, jede nahe Zusammenkunft ein Infektionsrisiko beinhalten kann.

Mit Schutzanzügen versorgen

Selbst für die katastrophenerprobten Helferinnen und Helfer war alles anders als bisher bei Hochwasser-Einsätzen oder Naturkatastrophen: "Ein bayernweiter Ausnahmezustand, eine hochdynamische Flächenlage, bei der wir unsere Kapazitäten schnell hochfahren mussten und uns zuallererst einmal selbst mit Schutzanzügen versorgen, damit überhaupt gesichert ist, dass wir anderen helfen können", beschreibt es Sebastian Wolf, Bereitschaftsleiter des BRK Forchheim. Bis heute sind Anspannung und Arbeitsbelastung groß. "Als der Katastrophenfall ausgerufen wurde: Ich weiß es noch, als wäre es heute, obwohl es schon ein Jahr her ist", erinnert sich Wolf.

© Foto: BRK

Als Erstes galt es, Technik und IT einzurichten, Kommunikation und Koordination zu planen und Schutzanzüge, Desinfektionsmittel und weitere Materialien zu beschaffen. "Das waren Bedingungen, die wir so nicht kannten." Gerade in den ersten Wochen, aber auch noch heute nehme der Bereich Versorgung und Beschaffung viele Kapazitäten in Anspruch.

Ein Katastrophenschutz-Lager

Über mehrere Wochen wurde die Abstrichstelle des Gesundheitsamts mit Personal unterstützt, im Auftrag des Bezirksverbands wurden Logistikfahrten durchgeführt und im Auftrag des Landkreises wurde Schutzausrüstung an Ärzte verteilt. Es galt, Back-Up-Pläne zu erarbeiten, um bei möglicher Änderung der Lage schnell vorbereitet zu sein. Oberstes Ziel: dass die wichtigsten Dienste gesichert bleiben. "Am schlimmsten wäre gewesen, wenn der Rettungsdienst ausfällt oder ein Ausbruch in einem unserer Pflegeheime passiert", sagt Wolf, der seit 1987 beim Roten Kreuz ist, seit 2011 beim BRK Forchheim.

Behelfskrankenhaus planen

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Ständig wurden Informationen zur aktuellen Lage ausgetauscht. Zeitgleich mussten die Lagerkapazitäten ausgeweitet werden. Der Dachboden der Fahrzeughalle wurde zum Katastrophenschutz-Lager umgebaut. "Wir mussten von jetzt auf gleich agieren und erst mal die Strukturen für diese Krise schaffen", erinnert sich Gerlinde Mühlhuber, die seit 2009 ehrenamtlich beim BRK Forchheim aktiv und Bereitschaftsleiterin ist.

Die Helferinnen und Helfer übernahmen auch viele Aufgaben im Hintergrund, von denen die Bevölkerung kaum etwas mitbekam. Andere sind in der Zwischenzeit nahezu wieder in Vergessenheit geraten, wie die Planung eines Behelfskrankenhauses in der ersten Welle, die von der Regierung wieder verworfen wurde.

"Wie schwer wird es uns treffen?"

"Ganz am Anfang war die Unsicherheit groß und wir fragten uns: Wie schwer wird es uns treffen?", erinnert sich Wolf. Ein paar Wochen oder Monate wird die Krise dauern, dachte er – aber nicht, dass die Pandemie über ein Jahr anhalte. "In der ersten Welle sind wir noch gut weggekommen", meint er heute.

Der BRK-Krisenstab ist das Herz der Organisation der täglichen Krisenarbeit (siehe Infokasten) und aufgeteilt in die Bereiche S1 bis S6: Personal, Lage, Einsatz, Versorgung, Presse und Medien sowie Kommunikation. Bis auf wenige Ausnahmen sind hier alle ehrenamtlich im Einsatz.

"Haben alle einen Hauptjob, in dem wir etwas leisten und Familie"

Hauptberuflich arbeiten die Frauen und Männer zum Beispiel für große Firmen als Entwickler oder im Vertrieb, sind Werkstudenten oder bei der Sparkasse angestellt. "Für ihr Ehrenamt werden sie von der Arbeit freigestellt und die Unternehmen sind da bislang alle sehr kulant", berichtet Raimund Schulik, Leiter des Krisenstabs des BRK Forchheim. Es komme aber auch auf die Branche an. Bei manchen Berufen sei es je nach Arbeitszeit einfacher, öfter eher zu gehen, um danach noch ehrenamtlich im Einsatz zu sein.

Alle Ehrenamtlichen sind mehrfach pro Woche im Dienst. Die Belastung macht sich bemerkbar. "Wir haben alle einen Hauptjob, in dem wir etwas leisten, und Familie. Wir brauchen als Ausgleich auch ein wenig Freizeit", sagt Wolf. "Die Pandemie mit all ihren Auswirkungen samt Todesfällen, das Arbeitspensum über so eine lange Dauer, das belastet die Seele. Das macht was mit uns", sagt Schulik.

16 000 Zusatz-Arbeitsstunden

Knapp 16 000 Arbeitsstunden hat das BRK Forchheim in der Pandemie zusätzlich geleistet. "In Corona-Zeiten sind dafür nur Sanitätsdienste rund um Großveranstaltungen weggefallen", erklärt Wolf. Nur im Sommer habe sich die Lage ein wenig beruhigt, dafür im Herbst wieder verschlimmert.

"In der ersten Welle mussten wir von Null auf Hundert alles schnell hochfahren und haben viel geschultert. Dafür sind jetzt die Zahlen insgesamt höher, auch durch die Mutationen ist alles viel schnelllebiger, stressiger, dichter und die Belastung hoch", sagt Gerlinde Mühlhuber. "Die Arbeit wird nicht weniger. Wir kommen an die Grenze unserer Kapazitäten", sagt Schulik. "Nun befinden wir uns mitten in der Dritten Welle. Ich befürchte, dass es noch ein langer Weg ist." Er lobt seine Mitarbeiter: "Ich muss einen Riesen-Dank an meine Mannschaft aussprechen, die einfach immer verlässlich da ist." Auch gebe es eine "super Zusammenarbeit" mit dem ASB.

"Nicht so viel Verständnis wie am Anfang der Krise"

Einige Menschen hätten nicht mehr so viel Verständnis wie am Anfang der Krise. "Sie wollen ihr normales Leben zurück, das verstehe ich auch", sagt Schulik. Schlimme Beleidigungen hätten die Ehrenamtlichen zum Glück noch nicht erlebt, "nur" Unverständnis, Kopfschütteln und "mal einen blöden Spruch von der Seite".

© Foto: BRK

Manche klemmten bei den Testungen aber auch Zettel von innen hinter die Scheibe, auf denen "vielen Dank für euren Einsatz" stand: "So etwas freut einen schon sehr", sagt Marc Schneider, ehrenamtlich beim BRK. Beim Rettungsdienst kämen dagegen schon mal heftigere Wortlaute vor, weil die Menschen in Notsituationen sehr angespannt sind.

"Wir sind das Ventil und kriegen den Frust ab"

Der ASB ist bei den Teststationen im Einsatz und betreibt das Impfzentrum in Forchheim. "Manchmal arbeiten einige von uns sieben Tage am Stück. Das ist schon eine Belastung", erzählt Lukas Hänsch, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit beim ASB. "Wir haben schon versucht, möglichst viel auf Hauptamtliche zu verteilen", sagt er. Denn ohne sie über einen langen Zeitraum so viel zu leisten, sei schwierig.

Bei den Tests und den Impfungen beschwerten sich viele Menschen: "Da sind wir das Ventil und kriegen den Frust ab." Vieles sei verständlich, findet er. Eltern seien an der Schmerzgrenze, wenn das Kind zum dritten Mal zum Test müsse, andere, weil sie sich über fehlenden Impfstoff und Wartezeiten beklagen. "Wenn man acht Stunden lang Abstriche nimmt und jeder Zehnte schimpft, ist das schon schwer. Hut ab vor unseren Mitarbeitern, die mit einer Engelsgeduld im Einsatz sind und auch im Winter bei minus fünf Grad unter Heizpilzen an der Teststrecke stehen", so Hänsch.

Einige sehen die Tests als Dienstleistung

Die Ansprüche seien gestiegen, glaubt er. "Am Anfang war die Situation ungewohnt. Viele hatten Angst, sich mit diesem neuartigen Virus zu infizieren", erinnert er sich. Inzwischen seien viele geübter im Umgang mit der Pandemie, samt Hygieneregeln. Dafür sei die Belastung hoch, weil Lockdown und die Pandemie andauern. Einige sähen die Tests als Dienstleistung. "Manche wollen in den Urlaub und sind noch sauer, als ob wir ihnen Steine in den Weg legten", sagt Hänsch.

Aber der ASB hat auch eine Welle der Hilfsbereitschaft im Landkreis erlebt: "Wir haben sehr viele Anfragen von Menschen bekommen, ob wir Hilfe brauchen und, dass sie auch ihren Job dafür kündigen würden", berichtet Hänsch. In der Krise würden sich viele auf Hilfsbereitschaft zurückbesinnen. Und er ist stolz auf alle Mitarbeiter. "Der Zusammenhalt im Landkreis ist groß, größer als vor der Krise."

Hintergrund: So arbeitet ein Krisenstab in Pandemie-Zeiten

"Bitte nicht stören" steht auf einem Hinweisschild: Der BRK-Krisenstab ist das Herz der Organisation in Pandemie-Zeiten. Krisenmanagerin ist BRK-Kreisgeschäftsführerin Birgit Kastura, Leiter des Krisenstabs Raimund Schulik, sein Stellvertreter Jörg Hempel.

Der Stab ist in die Bereiche S1 bis S6 geteilt: Personal, Lage, Einsatz, Versorgung, Presse und Medien sowie Kommunikation. Im Bereich Personal sind Sebastian Wolf, Gerlinde Mühlhuber und Michael Ebner tätig, im Bereich Lage Martina Bergmann und Udo Braml. Michael Fees, Marc Schneider und Oliver Götz haben den Bereich Einsatz übernommen, Marcus Krüger, Daniel Weidenhammer, Stephan Ruhland und Sina Eckert den Bereich Versorgung. Johannes Hüppe ist für Presse und Medien zuständig und Matthias Bauer für die Kommunikation. Sie sind alle ehrenamtlich im Einsatz.

Ergänzend zu diesen Bereichen kommen noch Fachberater hinzu: für den Rettungsdienst Önder Sentürk, für die Pflege Karin Amon und für die sozialen Dienste Matthias Bauer. Zudem sind drei Sichter im Einsatz, Katharina Mundo, Michael Leipold und Ludwig Preusch, sowie die Chefärztin Dr. Elisabeth Sewald. Tag und Nacht ist der Krisenstab erreichbar, tagsüber ist immer jemand vor Ort. Sechs Tische, in Hufeisenform angeordnet, getrennt durch Plexiglaswände, bilden diese zentrale Kommandostelle, die die Lage im Blick behält und schnell koordinieren muss: Material bestellen, Personal einteilen, Logistikfahrten sowie Einsätze planen.

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