„BEM“ in Forchheim: Dreier auf der Bühne

23.11.2014, 16:20 Uhr
„BEM“ in Forchheim: Dreier auf der Bühne

© Roland Huber

Sirenengleich lockt die lockige Saxophonistin die Männer an. Nicht nur den schüchternen Pianisten, der dank Tanga und Tango in ihre musikalischen Strudel gerät. Auch den machohaften Tubisten, der aus dem ungleichen Duo ein veritables Trio macht. Eine klassische Dreiecksgeschichte, in der die Instrumente als Fetische beinahe mehr Zärtlichkeit erleben dürfen als die sie spielenden Menschen.

Der Mann am Klavier, mal glotzäugig, dann delirierend, zuletzt wie der schlafwandelnde Cesare aus dem ebenfalls stummfilmigen Dr. Caligaris Cabinet umhertorkelnd, hat es nicht so mit Frauen. In seiner schlüpfrigen Phantasie dreht sich alles um Unterwäsche. Aus der Ferne beobachtet er die reizenden Trägerinnen der Reizwäsche, nähert sich ihnen nur mit den Händen auf den Tasten, mit chopinhafter Sanftheit.

Der Mann mit der Tuba hat den längsten - Atem, natürlich. Im amourösen Dialog mit protzigem Disco-Goldkettchen und Schlangenlederschuhen zieht er die Blicke auf sich. Vielleicht auch, weil er sein Instrument mit einer seltenen Fingerfertigkeit beherrscht. Im Zentrum des Geschehens aber steht das Saxophon, das zuerst mit dem Klavier harmoniert, dann von der Musik des draufgängerischen Nebenbuhlers eingenommen ist. Derweil gerät alles aus der Fuge. Die Gefühle und die Töne spielen verrückt - ein emotionales Chaos, das bis in den letzten Akkord durchschlägt. Im Dunkel der Hinterbühne kommt es nach einem hechelnden Accelerando zur orgiastischen Vereinigung beider Instrumente, die in atemlos ausgestoßenen Tönen kulminiert.

„BEM“ spielt mit allen denkbaren Klischees: mit buschig aufgemaltem Brusthaar des gegelten Latino-Lovers; mit einem jungenhaften Liebhaber, dem noch kein Bart gewachsen ist und der deshalb mit Farbe Männlichkeit vorgaukeln muss; mit perückenden Diven, die sich als mordlüsterne Transvestiten entpuppen.

In die Garderobe gezerrt

Dazu Astor Piazzollas schwärmerische Melodien aus seinem Tango „La Muerte del Angel“ oder die langsamen aus dem unvergesslichen „Oblivion“ oder die schwunghaften aus dem „Libertango“: Lateinamerikanische Leidenschaft, eine wilde Mixtur aus Liebe und Eifersucht, ergreift die Bühne und die Musiker auf ihr. Tänzerisch umkreisen sich die drei Protagonisten der Trioperette, bis der tubende King Kong seine weiße Frau in die Garderobe gezerrt hat.

Nach der Pause sind die anmutig lebhaften Klänge aus der Musik, sind die großen Gefühle aus den Gesichtern gewichen. Kein flinker Foxtrott, kein sexappealiges Saxophon, kein Hormonrausch am tiefen Blech mehr. Der Ehe-Alltag hat die leicht beschürzte Saxophonistin und den unterhemdigen Tubisten unter anderen Vorzeichen eingeholt. Das Saxophon liegt unter Staub begraben, aus dem Radio tönt, wie eine ferne Erinnerung, „Time of my life“. Dissonanzen, schrille Klänge und heftige dynamische Ausbrüche lassen das Publikum am Ehestreit teilnehmen. Nur noch selten badet das Trio in großen Gefühlen. Weil die Erfahrung gezeigt hat, dass eine menage a trois selten ein gutes Ende hat, nimmt der inzwischen wegen der Zurückweisung verrückt gewordene Pianist, verkleidet als femme fatale, sich seine Enttäuschungen vor. Nicht ohne dazu die „Habanera“ aus Georges Bizets „Carmen“ auf einer höhnenden Hohner-Melodica rachedurstig zu intonieren.

Zuerst den Nebenbuhler, dem er wie einst Hamlets Onkel Claudius Gift einträufelt, allerdings nicht ins Ohr, damit er das Finale, einen Totentanz, nicht überhört. Danach seine erotische Phantasie, der er im buchstäblich letzten Akt hinter dem Vorhang den Notenhals bricht. Der dramatischen Zuspitzung fällt zuletzt der Pianist selbst zum Opfer, der mit dem Ruf des Komturs aus Mozarts „Don Giovanni“ für seine Taten ins Reich der Schatten entführt wird.

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