Biscarrosse: 40 Jahre Partnerschaft mit großen Sprachbarrieren

9.3.2016, 11:55 Uhr
Biscarrosse: 40 Jahre Partnerschaft mit großen Sprachbarrieren

© Foto: Udo Güldner

Biscarrosse: 40 Jahre Partnerschaft mit großen Sprachbarrieren

© Udo Güldner

Einer der 35 Jugendlichen, die Deutschlehrer Pierre Giraud mitgebracht hatte, ist Florian Botella (15). Für ihn wie für seinen Austauschpartner Tom Tröltzsch (14) war es eine Premiere. Florian wurde neun Tage zu einem Familienmitglied, er erlebte Deutschland hautnah. Nicht in einer Jugendherberge oder in einem Hotel.

Nur „die Sprache, mit der wir an das Herz des anderen herankommen“, wie es Susanne Heydenreich ausdrückte, die seit 1981 den Schüleraustausch organisiert, machte dem Schüler Schwierigkeiten. Der Schüler aus Parentis-en-Born, einem 6000-Einwohner-Dorf nahe Biscarrosse, hatte Deutsch als Fremdsprache gewählt, weil ihm die Alternative Spanisch nicht gefallen hatte.

Tom Trötzsch aus Heroldsbach erzählt: „Wir haben in den neun Tagen nur wenige Gemeinsamkeiten herausgefunden. Etwa dass wir beide keinen überbackenen Käse, dafür aber Popmusik mögen.“ Im Klassenzimmer saßen beide nebeneinander, „damit ich Florian immer wieder erklären konnte, worum es gerade ging“

Denn der Unterricht ging weiter, viel Rücksicht auf die Gäste wurde nicht genommen. „Viel verstanden habe ich dabei nicht,“ so Florian. Nur zwei Begründer und bedeutende Motoren des Schüleraustausches fehlten: die Deutschlehrer Dominique Lafargue und Jean-Claude Harband, die inzwischen im Ruhestand sind. Was auffällt sind die sehr guten Französisch-Kenntnisse der deutschen Schüler und die kaum vorhandenen Deutsch-Fertigkeiten der Franzosen. „Das erklärt sich aus dem unterschiedlichen Schulsystem,“ so Susanne Heydenreich.

Andere Methoden

In Frankreich gebe es nach fünf Jahren Grundschule weitere vier Jahre Collège, eine Art Mittelschule. Erst danach komme das Lycée, das dem Gymnasium entspreche. „Die Austauschschüler hier sind noch am Collége. Außerdem legen wir hier in Deutschland mehr Wert auf Konversation.“ Dem Spaß an gemeinsamen Aktivitäten freilich tat die Sprachbarriere keinen Abbruch. Florian und Tom nutzten die, wegen des proppenvollen Tagesplanes eher spärliche, Freizeit für Bowling, Schlittschuhlaufen oder für Brettspiele.

Dass sich aus vier Jahrzehnten so manche Anekdote erzählen lässt, bewies Reinhard Heydenreich, der erste und bisher einzige Vorsitzende des Partnerschafts-Komitees, das seit über 25 Jahren den Schüleraustausch unterstützt. Bis 2007 war er Französisch-Lehrer am Herder-Gymnasium. Er weiß aus Zeiten zu berichten, als es zwischen Tours und Bordeaux noch keine Autobahn gab und die Anreise über 1500 Kilometer entsprechend langwierig und mühsam gewesen sei.

Er schilderte die früher üblichen zweitägigen Ausflüge in die Umgebung Biscarrosses: „Das war ein Glück für die Schüler, aber die Hölle für uns Lehrer. Wir haben dann nächtelang die Liebespärchen gesucht.“ Das sei zwar auch Völkerverständigung gewesen, aber doch sehr stressig. Und mancher habe sich da auch verlaufen. „Diese Verbindung so lange durchzuhalten, das soll uns erst einmal einer nachmachen. Das ist doch sensationell.“

Über ihr gemeinsames Hobby, die Musik, haben Annika Popp (15) aus Forchheim und Marie Anselme (14) aus Parentis-en-Born zueinander gefunden. Beide spielen seit Jahren Querflöte: „Da habe ich Marie zu meiner Lehrerin mitgenommen und wir haben zusammen geübt.“ In Frankreich beginnt der Schulunterricht später am Tag und dauert bis in den Nachmittag. Der Französin Marie ist in Forchheim vor allem der Religionsunterricht aufgefallen: „So etwas gibt es bei uns nicht.“

Dafür gab es als Überraschung einen Hip Hop-Kurs in Bamberg: „Nicht ganz unser Musikgeschmack, aber es hat Spaß gemacht.“ Landrat Hermann Ulm wünschte sich mindestens weitere zehn Jahre Schüleraustausch, um das halbe Jahrhundert voll zu machen und „langjährige Freundschaften über die Grenzen hinaus.“ Im Mai steht der Gegenbesuch im Südwesten Frankreichs an.

Keine Kommentare