Blinde Skaterin geht an den Start

2.9.2011, 16:59 Uhr
Blinde Skaterin geht an den Start

© Günter Distler

Inlineskaten, das war für Martha Kosz lange das, was nur die anderen Kinder, die nicht blind waren, machten. Elf oder zwölf Jahre war sie alt – genau erinnert sie sich nicht mehr –, als sie plötzlich selbst auf den schnellen Rollen stand. „Meine Kusine war zu Besuch und mein Vater hat uns einfach Skates gekauft“, erinnert sich die Nürnbergerin. „Der Fahrtwind, die frische Luft“, das alles habe sie schon damals fasziniert – und nie mehr losgelassen.

Martha Kosz ist von Geburt an blind. Heute ist sie Deutsche Speedskate-Meisterin im Halbmarathon in der Klasse B1 – vollständig blinde Sportler treten dort gegeneinander an.

Ein bis zweimal die Woche trainiert die junge Frau. Das war nicht immer so. Anfangs war Skaten das, was es für viele andere auch ist: ein Freizeitsport. Dann – das ist 13 Jahre her – trat Martha Kosz an ihren Internatsleiter im Nürnberger Bildungszentrum für Sehbehinderte, Volker Springhart, heran. „Ich hab‘ ihm vorgeschlagen, mit Blinden Inlinern zu fahren“, so Kosz. „Er hielt es für unmöglich.“

Wettkampf mit Sehenden

Volker Springhart ließ sich dennoch darauf ein. „Wir hatten aber zu kämpfen, bis wir die richtige Technik raushatten“, erzählt er. Schließlich stellte sich die einfachste auch als die beste Variante heraus: Springhart nimmt Kosz einfach an die Hand, so wie es einst ihre Kusine getan hatte.

Kosz und Springhart trainieren beim Roll- und Eissportverein des 1. FCN, kurz Speed-Team Nürnberg – einer Gruppe, in der die Sehbehinderten gleich willkommen waren. „Wir finden immer Begleitfahrer, wenn wir welche brauchen“, sagt Springhart. Rund zehn sehbehinderte Sportler zählen mittlerweile zum Speed-Team.

Kosz und vier andere sehbehinderte Athleten nehmen nun am Fränkische-Schweiz-Marathon teil. Die deutsche Szene der blinden Skater ist nicht besonders groß, Nürnberg ist ihr Zentrum. Vier der fünf Teilnehmer treten für das Speed-Team aus der Noris an. Das Besondere: Sie fahren keineswegs ihr eigenes Rennen, sondern treten beim regulären Speedskate-Wettbewerb an.

Wenn Martha Kosz an den Start geht, wird ihr diesmal Jana Ziemainz als Begleitfahrerin zur Seite stehen. Volker Springhart nämlich fühlt sich mit seinen 68 Jahren zu alt, um noch mitzuhalten. „Langsam geht es an die Grenze“, sagt er.

Der Marathon-Rekord der B1-Skater liegt bei zwei Stunden und fünf Minuten. „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, aber super wäre es“, so Kosz. Die schnellsten sehenden Skater brauchen rund eineinhalb Stunden.

„Nur ankommen musst du halt“

„Vor den Abfahrten habe ich ein bisschen Angst“, sagt Martha Kosz. Trotz einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 20 Kilometern pro Stunde habe sie sich allerdings noch nie schwer verletzt – trotz zahlreicher Stürze. Bleibt sie am Sonntag davon verschont, wird Martha Kosz automatisch zur deutschen Marathon-Meisterin gekrönt werden: Sie ist nämlich die einzige blinde Sportlerin, die in ihrer Altersklasse von 16 bis 30 Jahren antritt. „Nur ankommen musst du halt“, sagt Volker Springhart und lächelt seinen Schützling an. Ob sie ankommt, lesen Sie am Montag in den Nordbayerischen Nachrichten.

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