Brexit: Firmen im Landkreis Forchheim rechnen vor allem mit mehr Bürokratie

18.1.2021, 06:00 Uhr
Brexit: Firmen im Landkreis Forchheim rechnen vor allem mit mehr Bürokratie

© Foto: Garethfuller/PA Wire/dpa

Vor etwa einem Jahr hat sich die NN bei Firmen des Landkreises zum Thema Brexit und Geschäftsabwicklung mit Großbritannien umgehört. Damals war die Lage noch relativ entspannt, bis Ende 2020 galt eine Übergangsfrist.

Diese ist nun beendet, der Brexit vollzogen. Was bedeutet das für exportorientierte Unternehmen im Landkreis Forchheim? Sind die Firmen im Landkreis, die Handelsbeziehungen zur britischen Wirtschaft haben, gut vorbereitet? Wurden bestehende Handelsverträge geändert? Was ist, wenn ein Mitarbeiter aus Großbritannien stammt oder von dort anreisen muss? Wir haben nachgefragt: 

Mit dem Schlimmsten rechnen

Die Firma EMCC RAŠEK in Unterleinleiter hat seit vielen Jahren sehr gute Wirtschaftsbeziehungen zu Kunden und Lieferanten in Großbritannien. "Wir beziehen von dort Messgeräte und Fachdienstleistungen und liefern als Dienstleister Prüf-, Kalibrier- und Zertifizierungsdienstleistungen", erklärt Geschäftsführerin Nathalia A. Rašek-Abach. Die Zusammenarbeit mit den dortigen Partnern sei immer hervorragend gewesen. "Wir bedauern außerordentlich, dass es zum Brexit kam."

Hin und wieder entsendet die Firma für Prüfdienstleistungen Mitarbeiter für eine gewisse Zeit zu britischen Kunden. Jetzt, nachdem der Brexit vollzogen ist, ändert sich erst einmal nichts bei der Einreise, aber im Herbst treten auch hier Änderungen in Kraft. Dann müssen die Mitarbeiter bei der Einreise nach Großbritannien zum Beispiel einen Reisepass vorlegen. Sicher ist nach Auffassung von Rašek-Abach, dass alles noch bürokratischer und zeitaufwendiger werden wird. "Wir haben bisher nicht erlebt, dass irgendetwas einfacher wird – daher rechne ich schon mal mit dem Schlimmsten an Bürokratie, was kommen kann."

Brexit: Firmen im Landkreis Forchheim rechnen vor allem mit mehr Bürokratie

© Foto: Christoph Maderer

Aber EMCC sieht sich gut vorbereitet. "Durch unsere jahrelange Erfahrung mit Drittländern wie Brasilien, Türkei oder Südkorea sind wir präpariert, von daher erschreckt uns hier wenig", sagt die Geschäftsführerin. Im Wesentlichen sende ihr Unternehmen Messmittel zur vorübergehenden Verwendung per Carnet – ein vertraglich anerkanntes Zolldokument – an Drittländer und hole diese auf diesem Weg auch wieder zurück. "Das alles ist, je nach Zielland, mit relativ großem Aufwand verbunden." Durch den Brexit erwarte sie einen Aufwand vergleichbar mit der Schweiz oder Norwegen – in der Hoffnung, dass die Politiker auf beiden Seiten halbwegs vernünftig bleiben.

Relativ gelassen

Mit mehr bürokratischem Aufwand rechnet auch die Neunkirchener Achsenfabrik NAF AG. "Gerade in der Übergangsphase wird sicherlich die eine oder andere Lieferung nicht mit den gewohnten Zeit-Abläufen möglich sein, mit Verzögerungen rechnen wir", sagt Sprecher Peter Illig. Aktuell hat NAF nur einen Lieferanten, der durch den Brexit betroffen ist. "Wir haben uns aber in Absprache mit dem Zulieferer gut bevorratet, Engpässe sind für uns keine zu erwarten."

In Schottland gebe es nach Angaben von Peter Illig einen Kunden, der betroffen ist: "Eine Belieferung mit unseren Achsen für seine Fahrzeuge kann aber nach wie vor problemlos erfolgen. NAF bleibt gelassen: "Als weltweit aktiver Lieferant für Fahrzeugbauer mussten wir mehrfach beweisen, dass wir uns den neuesten Vorgaben anpassen können. Ähnlich, wie das auch bei anderen Handels-Sanktionen, wie beispielsweise mit Russland, seit Jahren der Fall ist", so Illig.

Und immer wieder Corona

Aus Sicht von Tatjana Leich, International Sales Manager bei Toni Dress in Forchheim, kam der Deal relativ spät zustande. Aus diesem Grund sei die Vorbereitungsphase für ihr Unternehmen sehr knapp ausgefallen. "Unsere Zollabteilung brachte sich jedoch kurzfristig durch eine intensive Schulung mit dem Deutschen Modeverband auf den neuesten Stand. Einer unserer Logistik-Dienstleister hat zudem ein sehr gutes Handout erarbeitet, mit dem wir die nötigen Vorbereitungen treffen konnten", erklärt Leich.

Die Wirtschaftskontakte von Toni Dress nach Großbritannien seien gut. Durch seine britische Vertriebsagentur konnte der Modehersteller vor allem in den letzten Saisons viele Einzelhandelskunden dazugewinnen. "Natürlich müssen wir diese auch unter den gegebenen Bedingungen problemlos mit unseren Hosen und Oberteilen beliefern." Nicht zu vergessen sei auch Corona. "Ein erstes aussagekräftiges Fazit über den Umgang mit den neuen Brexit-Bestimmungen können wir erst nach Corona ziehen."

Geschult vorbereitet

Das Exportgeschäft des Messe- und Regeltechnik-Herstellers Walz in Effeltrich betrifft überwiegend asiatische Kunden. "Es kommt zwar ab und zu vor, dass wir nach Großbritannien liefern, aber im Vergleich zu den anderen Ländern sind diese Sendungen eher gering, die allgemeine Brexit-Problematik betrifft uns eigentlich nicht", sagt Erich Keim, zuständig für den Bereich Order Processing. Außerdem stehe die Wirtschaft am Jahresanfang in den ersten Zügen des Brexits, deshalb könne man noch keine verlässlichen Angaben machen. Die Mitarbeiter haben sich in Schulungen bei der IHK Oberfranken oder an spezialisierten Wirtschaftsakademien auf den Brexit vorbereitet.

Standort in Oxford

Ebenfalls gut vorbereitet ist Siemens Healthineers: "Wir waren auf alle Szenarien vorbereitet", erklärt Press Officer Heiko Jahr. "Im Bereich der Gesetzgebung und Regulierung von Medizinprodukten haben wir alle angemessenen Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass der Zugang zum EU-Markt für unsere Fabriken im Vereinigten Königreich, die Medizinprodukte und Reagenzien herstellen, aufrechterhalten wird."

Thorsten Opderbeck vom Bereich Communications fügt hinzu, dass es bei Siemens Healthineers selbstverständlich einen Austausch von Waren und Dienstleistungen mit Großbritannien gibt. Auch Dienstreisen von Mitarbeitern gebe es. Eine der Siemens Fertigungsstätten in England ist die Magnete-Fabrik in Enshyn (Oxford). Dort werden Magnete für die Magnetresonanztomographen entwickelt und gefertigt.

Nur indirekt betroffen

Die Gebr. Waasner Elektrotechnische Fabrik hat als Zulieferer für elektromechanische Bauteile nach Angaben von Geschäftsführer Michael Waasner nur wenige Geschäftskontakte nach Großbritannien.

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"Da wir auch vorher schon in Drittländer geliefert haben, sind wir für das entsprechende Vorgehen gut vorbereitet. Das Thema Brexit betrifft uns eher indirekt, zum Beispiel bei internationalen Anlieferungen, wo Schiffe in Häfen in Großbritannien derzeit viel länger verweilen als vorher."

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