Bund Naturschutz sieht Schutz des Lebensraumes Wiesent gescheitert

23.7.2018, 18:26 Uhr
Bund Naturschutz sieht Schutz des Lebensraumes Wiesent gescheitert

© Foto: Bund Naturschutz

Diese Behörden sind die zuständigen Institutionen. Für alle Bootsfahrer auf der Wiesent gilt die Verordnung der Regierung von Oberfranken über die Regelung des Gemeingebrauchs an der Wiesent und ihrer Nebengewässer vom 11. Mai 2005. Die BN-Kreisgruppe hatte vor der Verlängerung der Schifffahrtsgenehmigung (gewerblicher Kanubetrieb) für weitere drei Jahre vor dem Beginn der Kanusaison am 1. Mai darum gebeten, den Beginn der Saison auf den 15. Juni zu verlegen. Damit sollte der Schutz der Vogelbrutzeiten und der europäisch verankerte Schutz der Wiesent als Flora Fauna Habitat (FFH) -Gebiet gewährleistet werden (wir berichteten).

Im Rahmen der Schifffahrtsgenehmigung wurde neben den Fahrzeiten, der Kennzeichnungspflicht der Boote und einer Hochwasserregelung auch eine Niedrigwasserregelung festgesetzt. Ab einem Pegelstand der Wiesent (Messtelle Muggendorf) unter 125 cm dürfen im Mai und Juni keine Stechpaddel, sondern nur Doppelpaddel verwendet werden. Unter einem Pegelstand von 120 cm dürfen nur noch geführte Touren erfolgen. Das gewerbliche Kanufahren ist also nur mit einer "fachkundigen" Begleitung durch die Kanuverleiher zulässig. Unter einem Pegelstand von 115 cm besteht ein absolutes Befahrungsverbot für die gesamte Saison. Für die Pegelhöhen ist jeweils der Mittelwert des Vortages ausschlaggebend.

Im FFH-Gebiet leben Arten wie die Bechsteinfledermaus, das Bachneunauge, der Eisvogel und viele weitere gefährdete Arten. Der BN hat im Mai und Juni zahlreiche Gespräche mit Kanufahrern, die Touren über die kommerziellen Anbieter gebucht haben, geführt. Er kommt zu einer "ernüchternden" Bilanz: "Die Schifffahrtsverordnung wird missachtet und ignoriert. Der Patient Wiesent liegt auf der Intensivstation. Ein Kollaps ist nur noch eine Frage der Zeit."

Darüber hinaus kann der BN nicht nachvollziehen, wie die Vorgaben der Schifffahrtsverordnung umgesetzt werden sollen. Befahrungen ab einem Pegelstand unter 120 cm nur mit "fachkundiger" Begleitung? Es sei unklar, welche Fachkenntnisse die Begleitung der Touristen zu einem "fachkundigen Begleiter" werden lassen. Welche Konsequenzen trifft die Begleitperson, fragt der BN, wenn sich Teilnehmer nicht an die Regeln halten? Ein Verstoß gegen Regeln könne nämlich auch rechtliche Konsequenzen (Bußgeld bis zu 5000 Euro) nach sich ziehen.

Ein Interessenskonflikt

Der BN: Es müsse für alle klar erkennbar sein, welche Sach- und Fachkenntnisse eine Begleitperson haben muss. Der Status der Begleitperson muss auch rechtlich überzeugend dargestellt werden können. Außerdem gebe es einen Interessenskonflikt: Die Begleitpersonen sind bei den Verleihern angestellt und werden "mit hoher Wahrscheinlich keine Verstöße ahnden oder weitermelden", glaubt der BN.

Bei Gesprächen mit Kanutouristen wurde dem BN mitgeteilt, dass es zwar eine Einweisung von Seiten der Kanubetreiber hinsichtlich seichter Stellen und des richtigen Verhaltens auf dem Fluss gegeben habe (etwa: kein Ausstieg an nicht erlaubten Stellen), die Touristen aber in der Praxis diese Vorgaben nur schwer umsetzen konnten.

Denn: Man könne beim Fahren gar nicht erkennen, nach welcher Kurve oder nach welchem Gebüsch eine seichte Stelle kommt, um zu reagieren. Manchmal müssen Kanufahrer im Fluss aussteigen und die Boote bis zu einer tieferen Stelle ziehen. Man hält sich am Ufer fest, um auf die anderen zu warten. Mit dem Paddel wird geprüft, wie tief der Fluss ist.

Der BN fordert: Die behördliche Verordnung muss durchgesetzt werden. Die Mehrzahl der Touristen könne die Vorgaben in der Praxis gar nicht umsetzen, sie müsse auf die "Vorgaben" der Kanuverleiher vertrauen. Mit Bildmaterial beweist der BN, dass bei einem Pegelstand von 119 cm trotzdem Stech- statt Doppelpaddel von den Betreibern ausgegeben worden sind.

Der BN folgert, dass "die finanziellen Interessen gegenüber den Vorgaben des Artenschutzes im europäisch geschützten FFH-Gebiet der Wiesent überwiegen". Ein Beginn der Kanusaison erst ab dem 15. Juni für die nächste Saison sei weiter eine der zentralen Forderungen. Die Rechtsstaatlichkeit sei nicht mehr gewährleistet, wenn vorher "heiß" diskutierte Interessen und Argumente bei diesem sehr sensiblen Themengebiet in Verordnungen einfließen, die dann von behördlicher Seite veröffentlicht, aber nicht durchgesetzt werden, folgert der BN.

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