Busunternehmen fürchten: "Ohne Hilfe gehen die Lichter aus"

15.6.2020, 17:13 Uhr
Tagesausflüge oder auch Mehrtagesfahrten mit dem Bus waren in „Vor-Corona-Zeiten“ durchaus beliebt. Doch nun fürchten viele Unternehmer um ihre Existenz.

© Stefan Sauer, dpa Tagesausflüge oder auch Mehrtagesfahrten mit dem Bus waren in „Vor-Corona-Zeiten“ durchaus beliebt. Doch nun fürchten viele Unternehmer um ihre Existenz.

Es ist ein Gefühl, das zwischen freudiger Erwartung und Verzweiflung schwankt: "Seit Mitte Januar haben wir Corona gespürt, seit Februar stagnieren die Buchungen", sagt Alexander Herrmann, Geschäftsführer von Stöcklein Reisen GmbH.

Seit 30. Mai dürfen Bus-Unternehmen wieder sogenannte "Freizeitreisen" anbieten. Bei Stöcklein stand für Mittwoch, 17. Juni, etwa eine Bus-Reise nach Helgoland auf dem Programm. Doch um allen Corona-Regeln gerecht zu werden, dürfen in einem klassischen 12 Meter langen Bus nur elf Personen mitfahren, schließlich muss der Mindest-Abstand von 1,50 Meter gewährleistet sein. Und, es dürfen keine Gruppen befördert werden. Wobei auch ein Ehepaar, das gemeinsam mit einem befreundeten Ehepaar verreisen will, bereits als Gruppe gilt.

Dass man damit nicht wirklich Umsatz generieren kann, steht außer Frage. Hinzu kommt auch, dass wegen der Corona-Pandemie auch die Schulen keinen regulären Schulbetrieb fahren und schon gar keine Schulausflüge mit dem Bus mehr auf dem Stundenplan stehen. "Die Touristik ist aktuell ein schwieriges Geschäft", bilanziert Herrmann.

Die beiden Reisebüros der Stöcklein Herrmann GmbH in Bamberg und in Forchheim haben aufgrund der Coronakrise Insolvenzantrag gestellt. Die insgesamt sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Reisebüros haben dabei den Vorruhestand angetreten oder sind "anderweitig untergekommen". Kunden, die Pauschalreisen über die beiden Reisebüros gebucht hatten, sind über eine Insolvenzversicherung versichert, werden schadensfrei gehalten und sind schriftlich über die Schließung informiert worden, das betont Alexander Herrmann.

Arbeit wird fortgeführt

"Die Reisebüro Stöcklein-Herrmann GmbH hat nichts mit der Stöcklein Reisen GmbH in Hausen zu tun. Beide GmbHs sind voneinander völlig unabhängig. Das operative Geschäft der Stöcklein Reisen GmbH ist vorrangig der Omnibusverkehr und die Vermittlung von Busreisen. Und diese Arbeit wird in jedem Falle fortgeführt. Deshalb freuen wir uns auf Ihre Buchung und bedanken uns im Voraus für Ihre Treue", heißt es im Internet-Auftritt der Firma Stöcklein Reisen GmbH mit der Überschrift: "Insolvenz von Stöcklein Reisen GmbH in Hausen ist purer Unsinn". Das Büro in Hausen ist montags bis freitags geöffnet.

Demo in Berlin

"Auch gesunde Busunternehmen können ein dreimonatiges Komplettverbot von Busreisen sowie langfristige Einschränkungen in der Hauptsaison nicht mit den minimalen Hilfen des Bundes überstehen", heißt es in einer Presseinformation, in der der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo), seine Landesverbände, die Gütegemeinschaft Buskomfort (gbk) und der RDA Internationaler Bustouristik Verband eine Großdemo im Rahmen des 2. Aktionstags am Mittwoch, 17. Juni in Berlin sowie eine Klage auf Schadensersatz ankündigen.

"Wenn jetzt nicht schnell echte Hilfe kommt, gehen in der Bustouristik reihenweise die Lichter aus. Das würde die gesamte Struktur im öffentlichen Personenverkehr massiv schädigen. Schülerverkehr, Vereinsfahrten, Kultur-Events, Klassenreisen, Schienenersatzverkehr und nicht zuletzt auch die Mobilität im ländlichen Raum – all das steht auf dem Spiel", sagt bdo-Hauptgeschäftsführerin Christiane Leonard.

Ein "Licht am Ende des Tunnels", sagt Alexander Herrmann von Stöcklein Reisen GmbH, seien "die vielen Stammkunden, die uns zur Seite stehen" und die für die ausgefallenen Reisen Gutscheine annehmen, die buchen und umbuchen. "Die Menschen wollen verreisen und möchten raus", spürt Herrmann. Und jetzt sei genau die richtige Zeit, sich für "Danach" die besten Reisen zu sichern.

Christine Polster kennt sie gut, die Sorgen der Busunternehmer in Corona-Zeiten, "tagsüber grübeln und nachts nicht schlafen". "Die Reisebüros und Reisebusse sind schwer getroffen", sagt die Unternehmerin aus Gößweinstein, deren Familie jahrelang auch ein Busreiseunternehmen betrieben hatte. Dass sie mittlerweile nur noch "feste Linien" fahren, ist in der Corona-Zeit für Polster ein Vorteil. Für den VGN fährt ihre Bus-Flotte Routen vom Egloffsteiner Busbahnhof oder vom Forchheimer Bahnhof in Richtung Obertrubach. Außerdem werden mit den Polster-Fahrzeugen chronisch Kranke und Dialyse- Patienten chauffiert. "Wir sind gut weggekommen", sagt sie.

"In Bayern ist das Virus anspruchsvoller, es steigt nur in Reisebusse. Das Virus fährt nicht Bahn und nicht Flixbus und steigt auch nicht in den Flieger", sagt Kerstin Fleischmann mit einer gehörigen Portion Sarkasmus. Anders, so die Tochter des Familien-Unternehmens Gumann-Reisen in Igensdorf, könne sie mit der momentanen Situation nicht umgehen.

"Wir haben Kurzarbeit angemeldet, Soforthilfe beantragt und den Lockdown mitgemacht", doch mittlerweile ist "die Logik für mich nicht mehr vorhanden", sagt Fleischmann. "Wir arbeiten für Null", rechnet Fleischmann vor, die mit Umsatzeinbußen im sechsstelligen Bereich rechnet.

Auf mehrere Standbeine hat die Firma Gumann ihr Unternehmen aufgebaut, doch die Ausflugsfahrten der Vereine, die Schulfahrten, die Schulausflüge und auch die Reisen brechen seit Monaten weg. Mit dem Linienverkehr könne man sich noch einigermaßen über Wasser halten.

Doch hängen auch "zehn Mann mit ihren Familien" an dem Bus-Unternehmen. Zwar bekämen die Fahrer Kurzarbeitergeld, doch die zusätzlichen Einnahmen, wie etwa Trinkgeld, Wochenendzuschläge oder die Einnahmen aus dem Getränkeverkauf fielen für die Busfahrer komplett weg.

"Wir haben keine Wahl"

"Die Demo in Berlin ist notwendig", sagt Fleischmann, die am liebsten selbst in die Hauptstadt zur Kundgebung mit dem Bus anreisen würde, wären da nicht ihre beiden kleinen Kinder, "die kann ich nicht ab früh um vier mitnehmen". Der Blick in die Zukunft? "Wir müssen weiter machen, wir haben keine Wahl", sagt Kerstin Fleischmann. "Selbst wenn wir einen Bus verkaufen wollten, kauft uns den doch keiner ab."

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