Corona: So ist der Alltag auf der Intensivstation im Klinikum Forchheim

5.12.2020, 18:26 Uhr
Intensivstation bedeutet Intensivbetreuung: Covid-19-Patienten werden im künstlichen Koma 16 Stunden auf dem Bauch beatmet. Ihre Drehung ist sehr aufwändig. Oft verschlechtert sich dann der Zustand der Patienten erst einmal, erklärt Dr. Andrea Neumann. Dann müsse die Beatmung nachjustiert werden. Das gilt auch für andere Situationen. Man muss die Patienten immer im Blick behalten, sagt sie. 

© Foto: Yasin Akgul/XinHua/dpa Intensivstation bedeutet Intensivbetreuung: Covid-19-Patienten werden im künstlichen Koma 16 Stunden auf dem Bauch beatmet. Ihre Drehung ist sehr aufwändig. Oft verschlechtert sich dann der Zustand der Patienten erst einmal, erklärt Dr. Andrea Neumann. Dann müsse die Beatmung nachjustiert werden. Das gilt auch für andere Situationen. Man muss die Patienten immer im Blick behalten, sagt sie. 

Frau Dr. Neumann, Herr Braun, wie erleben Sie die momentane Situation?

Horst Braun: Mit einer gewissen Anspannung. Auf der Isolierstation liegen gerade sieben Patienten, bei denen eine Infektion mit dem Coronavirus festgestellt wurde. Wir auf der Intensivstation behandeln jetzt schon drei Covid-19-Patienten gleichzeitig. Bei der ersten Infektionswelle im Frühjahr hatten wir Glück. Da hatten wir insgesamt fünf Patienten und es kam einer nach dem anderen. Somit war die Belastung für uns nicht so hoch. Aber jetzt sieht es so aus, dass wir über einen längeren Zeitraum mehrere Covid-Patienten gleichzeitig auf der Station haben werden. Dadurch wächst natürlich die Belastung.

Sind das solche Fälle, von denen man mehrfach hört: älter und mit Vorerkrankungen?

Horst Braun: Eine Patientin ist zwar über 80, stand aber bisher noch voll im Leben. Durch ihre Covid-Erkrankung ist ihre Atmung nun so schlecht geworden, dass sie lebensbedrohlich erkrankt ist. Die anderen beiden Patienten sind beide Mitte 70. Sie haben bereits zu Hause versucht, die Erkrankung zu bewältigen. Doch dann ging es jedem von ihnen peu a peu schlechter. Der eine muss nun seit Sonntag beatmet werden, die andere seit Montag.

Dr. Andrea Neumann ist Funktionsoberärztin und hygienebeauftragte Ärztin der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Klinikum. Die 58-Jährige hat in Würzburg Medizin studiert und nach ihrer Facharztausbildung 16 Jahre in einem Traumazentrum in Mecklenburg-Vorpommern gearbeitet. Seit 2012 ist sie im Klinikum Forchheim .

Dr. Andrea Neumann ist Funktionsoberärztin und hygienebeauftragte Ärztin der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Klinikum. Die 58-Jährige hat in Würzburg Medizin studiert und nach ihrer Facharztausbildung 16 Jahre in einem Traumazentrum in Mecklenburg-Vorpommern gearbeitet. Seit 2012 ist sie im Klinikum Forchheim . © Foto: Jana Schneeberg

Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die Infektionszahlen im Landkreis?

Dr. Andrea Neumann: Wir haben schon die Hoffnung, dass sich die Zahl der Schwerkranken bei uns nicht ins Unendliche steigert, sondern auf einem Maß bleibt, mit dem wir umgehen können. Das Problem ist, dass die Covid-Patienten lange beatmet werden müssen. Das sind oft zwei, drei, vier Wochen. So lange ist das Intensivbett blockiert. Bei anderen Formen von Lungenentzündung, beispielsweise bei einer Grippe, sind die Patienten oft nach ein bis zwei Wochen soweit, dass sie auf die Normalstation verlegt werden können. Das haben wir bei Covid-Patienten nicht. Wenn die beatmet werden müssen, ist das von längerer Dauer. Das erlebt man momentan in allen Krankenhäusern. Also kommt auch eine Verlegung nicht ohne weiteres in Frage.

Wie sieht es mit der personellen Ausstattung aus?

Horst Braun: Im Pflegeteam arbeiten wir auf der Intensivstation in jeder Schicht zu dritt oder zu viert. Mit dieser Besetzung können wir maximal acht Patienten versorgen. Unter der Voraussetzung, dass es unter uns Pflegekräften keine Krankheitsausfälle gibt. Sollte es mehr als acht Intensivpatienten geben, wird es personell absolut problematisch.

Horst Braun ist 61 Jahre alt und hat am Klinikum Forchheim die Ausbildung zum Krankenpfleger gemacht. Nachdem er anschließend in Erlangen die Fachweiterbildung zum Intensivpfleger absolvierte, kehrte er 1992 ans Klinikum Forchheim zurück. Seit 1997 leitet er nun hier die Intensivstation auf pflegerischer Ebene. 

Horst Braun ist 61 Jahre alt und hat am Klinikum Forchheim die Ausbildung zum Krankenpfleger gemacht. Nachdem er anschließend in Erlangen die Fachweiterbildung zum Intensivpfleger absolvierte, kehrte er 1992 ans Klinikum Forchheim zurück. Seit 1997 leitet er nun hier die Intensivstation auf pflegerischer Ebene.  © Foto: Jana Schneeberg

Dr. Andrea Neumann: Das Problem bei den steigenden Fallzahlen ist das Personal. Wir haben genügend Beatmungsmaschinen, aber auch auf ärztlicher Ebene sind wir zu wenig, um viel mehr zu leisten. Oft bin ich allein mit einem Assistenzarzt, um die acht Patienten zu versorgen. Das ist gerade so zu schaffen. Wenn weitere Intensivbetten freigemacht werden, müsste ein Anästhesist mit dazu kommen, der Patienten übernimmt. Die Kollegen sind von uns im Frühjahr eingearbeitet worden, aber die sind zum Teil schon lange raus aus der Intensivmedizin. Sie wären also eine Hilfe, aber wirklich ersetzen können sie uns nicht.

Können Sie bei der Behandlung aus Ihren Erfahrungen im Frühjahr profitieren?

Dr. Andrea Neumann: Im Frühling war das Problem, dass Covid-19 eine völlig neue Erkrankung war. Jeden Tag gab es neue Literatur, durch die wir uns über die besten Behandlungsmöglichkeiten informieren mussten. Das haben wir oft abends zu Hause gemacht. Dazu kamen die Engpässe bei Masken und Schutzkitteln, die uns große Sorgen bereitet haben. Wir hatten wirklich Angst um uns und um die anderen Patienten. Inzwischen sind wir hier aber gut ausgestattet. Auch bei der Behandlung wissen wir jetzt viel mehr.

Horst Braun: Was wir gelernt haben: Wichtig ist die Bauchlagerung, die wir konsequent durchführen, weil damit die Belüftung der Atemwege besser wird.

Was ist der Unterschied zwischen einem Covid-Patienten und anderen Patienten in Bezug auf die Behandlung auf der Intensivstation?

Dr. Andrea Neumann: Covid-19-Patienten werden im künstlichen Koma 16 Stunden auf dem Bauch beatmet. Ihre Drehung ist sehr aufwändig und oftmals verschlechtert sich dann der Zustand der Patienten erst einmal. Dann muss man die Beatmung nachjustieren. Das gilt auch für andere Situationen. Man muss die Patienten immer im Blick behalten.

Horst Braun: Die Genesung von Covid-Patienten ist ein langer Prozess. Je länger sie beatmet werden, desto länger ist die Entwöhnungsphase. Dazu kommen die Folgeschäden. Wir hatten einen Patienten im Frühjahr, der das Klinikum trotzdem zu Fuß und aus eigener Kraft verlassen konnte. Er musste aber auch nicht so lange beatmet werden. Eine andere Patientin mussten wir drei Wochen beatmen, die hatte es schwerer. Einen weiteren Patienten mussten wir in eine größere Klinik verlegen, weil es ihm so schlecht ging, dass wir ihn nicht mehr behandeln konnten.

+++ Die Corona-Lage im Landkreis Forchheim: Das ist der aktuelle Stand +++

In welchem Fall ist das nötig?

Horst Braun: Dann, wenn ein Patient wegen Lungenversagens eine ECMO-Therapie benötigt. Dabei wird das Blut außerhalb des Körpers in einer Maschine mit Sauerstoff angereichert. Diese Möglichkeit haben wir hier nicht.

Was bedeutet die Pflege eines Covid-19-Patienten auf der Intensivstation für Sie als Pfleger?

Horst Braun: Viel Aufwand birgt vor allem die hohe Standardhygiene, die wir beachten müssen, um zu vermeiden, dass wir zusätzliche Keime mit rein- oder raustragen. Die Lagerung der Patienten ist außerdem sehr personalintensiv. Und mit der FFP-2-Maske zu arbeiten, die wir inzwischen standardmäßig im Dienst tragen, ist sehr anstrengend.

Sie behandeln ja auch die anderen Patienten weiter. . .

Horst Braun: Richtig. Das ist ein Problem. Zwar wurden alle geplanten Operationen, die einer postoperativen Intensivüberwachung bedürfen, abgesagt. Aber Notfälle, welche dringend operiert werden müssen und hinterher auf der Intensivstation überwacht werden müssen, kann man nicht planen oder verschieben. Momentan probieren wir, immer ein Bett freizuhalten.

Dr. Andrea Neumann: Im Moment planen wir das erstellte Konzept aus dem Frühjahr umzusetzen. Dabei wird der Aufwachraum mit vier weiteren Intensivbetten ausgestattet und die Bettenkapazität so erweitert.

Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die wachsende Anzahl derjenigen, die Corona anzweifeln und die Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie für unnötig halten?

Horst Braun: Mit Unverständnis. Die Leute sollten mal hierher kommen und sehen, wie schlecht es den Patienten geht. Natürlich gibt es viele glimpfliche Verläufe. Aber einige trifft es eben doch hart. Das Virus sieht man nicht, riecht man nicht, hört man nicht. Trotzdem ist es da.

Dr. Andrea Neumann: Das sehe ich auch so. Es sind eben nicht nur die Ältesten und diejenigen mit Vorerkrankungen, die bei uns auf der Intensivstation landen.

Was würden Sie sich wünschen für den Winter?

Horst Braun: Dass die Leute vernünftig sind, dass die Infektionszahlen nicht weiter steigen und dass wir dadurch vielleicht wieder so glimpflich durch die zweite Welle kommen wie durch die erste.

Dr. Andrea Neumann: Das hoffe ich auch, und dass wir alle gesund bleiben.

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