Das herzbewegende Ende einer langen Ära

31.12.2015, 12:00 Uhr
Das herzbewegende Ende einer langen Ära

© Athina Tsimplostefanaki

Auch wir Medienvertreter mussten bei dieser Pressekonferenz am 9. Dezember im Gewölbekeller des Rathauses heftig schlucken. Franz Stumpf erzählte, wie er gehofft hatte, den Prostata-Krebs besiegt zu haben, wie er geglaubt hatte, die Chemotherapie im Sommer habe gewirkt und wie er erkennen musste, dass es nicht so war. Er kam, wie immer, zu spät.

Schon einige Male habe ich seine pragmatische und nicht gerade sensible Art kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen, kritisch kommentiert oder mich gewundert, warum die Opposition das so hinnimmt. Diesmal war ich dankbar, dass er versucht hat, auch den Krebs abzuhaken, locker über Themen sprach, die er gerne weiter beackert hätte. Es brachte ein wenig Normalität in diese Pressekonferenz, in der alle um Fassung rangen. Aber am Ende muss auch Franz Stumpf, der gerne zu 110 Prozent funktioniert, zugeben, dass sich nicht alles beherrschen lässt. Dass er wegen des Krebses sein geliebtes Amt im März 2016 aufgeben wird, trieb ihm die Tränen in die Augen. Nichts zeigt deutlicher die tragische, menschliche Komponente dieses Rücktritts, der politisch einen Neuanfang für die Stadt bedeuten kann.

Alles durcheinandergewürfelt

Das herzbewegende Ende einer langen Ära

© Horst Linke

Seit dem 9. Dezember herrscht Wahlkampf. Der OB will keinen Nachfolger empfehlen. Sein typisch spitzbübischer Kommentar dazu: „Natürlich bin ich der Meinung, dass es keiner so gut machen kann wie ich.“ Mit seinem Rücktritt wiederholt sich die Geschichte. 1961 legte Andreas Steinmetz auf Anraten seiner Ärzte das Oberbürgermeisteramt nieder. Während Steinmetz die Aufbaujahre nach dem Zweiten Weltkrieg prägte, sein Nachfolger Karlheinz Ritter von Traitteur sich bis 1990 um den Ausbau der Infrastruktur und die Altstadtsanierung kümmerte, wird Oberbürgermeister Franz Stumpf als der Wirtschaftsförderer Forchheims in die Geschichte eingehen. So viel steht bereits fest.

Er hat aus der Industriearbeiter-Stadt einen Ort gemacht, an dem Konzerne wie Siemens Expansionspläne vorantreiben, der als Zentrum für die Logistikbranche gilt und der mit dem Gründerzentrum Teil des Medical Valley geworden ist. Zahlreiche Gewerbegebiete sind unter seiner Ägide ausgewiesen worden und Unternehmer loben immer wieder die unkomplizierte Art, sich hier anzusiedeln.

Forchheim wächst, nicht nur was die Zahl der Arbeitsplätze betrifft, die Stadt trotzt derzeit noch dem demografischen Wandel. Über 31 000 Bürger wohnen in der Stadt. Und es sollen mehr werden. Die Bertelsmann Stiftung spricht von drei Prozent Wachstumspotenzial bis 2025. Dazu müssen aber Baugebiete ausgewiesen werden, ein Thema, das 2015 Bürger und Stadträte gleichermaßen beschäftigt hat.

Vor allem die CSU, aber auch die FDP mahnen, dass Forchheim endlich Vollgas geben muss. Die Statistik scheint ihnen Recht zu geben. Demnach ist Hallerndorf in den vergangenen 14 Jahren um 27,7 Prozent gewachsen, Eggolsheim immerhin um 19,5 Prozent und Forchheim nur um 3,2 Prozent. Das erste Aber: Die Zahlen müssen immer in Relation zur Gemeindegröße gesehen werden.

Wohnungen für Betuchte

Das zweite Aber: Mein subjektiver Eindruck ist ein anderer, gerade wenn ich 2015 Revue passieren lasse. Natürlich ist das Angebot für die, „die ein Fünferla mehr in der Tasche haben“, wie der OB zu sagen pflegt, üppiger. Allein schon am Mietwohnungsmarkt. Da wuchsen auf dem alten Hallenbad- und Krankenhausgelände Häuser aus dem Boden, das Klosterareal ist bezugsfertig, 2016 geht es mit dem Brauhaus-Carree weiter; die zirka 115 Lofts und Penthäuser im Wiesent-Center sollen 2017 bewohnbar sein. Ist erst der Umzug der SpVgg Jahn in trockenen Tüchern, wird auch der Sportplatz zum Wohnviertel mit mehreren hundert Wohneinheiten.

Wer jedes Fünferla zwei Mal umdrehen muss, für den gab es ebenfalls gute Nachrichten: Die GWS baut öffentlich geförderte Wohnungen im Osten der Stadt (ehemaliger Hornschuchpark) und nach dem so genannten Forchheimer Modell mit der WVG zwei Häuser im Stadtnorden. Die Zielgruppe sind vor allem anerkannte Flüchtlinge. Auch das sind Neubürger, die zum Wachstum der Stadt beitragen. Ein Anfang ist gemacht.

Auseinandersetzung kommt

Im Oktober hat das Bauamt einen Mehrstufenplan vorgestellt, um den Bauwilligen Perspektiven zu geben. Auf dem kürzesten Verwaltungsweg (das will etwas heißen) sollen alle potenziellen Baugebiete auf den Weg gebracht werden. Da sind umstrittene Flächen dabei wie in Reuth der „Obere Schulweg“ gegen den eine Bürgerinitiative kämpft; längst bekannte wie „Point- und Stampfäcker“ (Kersbach), „Weichselgarten“ (Buckenhofen) und „Hasenäcker“ (Burk). Dazu kommen 57,7 Hektar Neuland mit dem „Schleifwegäcker“ (Kersbach), „nördlich Weingartssteig“ (Buckenhofen), „Beim Heiligen Graben“ und der „Schönen Marter“ (Burk). Auch wird da sicher noch politisch gerungen werden müssen.

Zählt man alle potenziellen Wohngebiete zusammen, die auf dem Masterplan der Verwaltung stehen, dann kommt man auf gute 132 Hektar. Genug Platz zum Wachsen.

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