Debatte um Niedrigwasser der Wiesent: Der Faktencheck

5.9.2019, 05:56 Uhr
Debatte um Niedrigwasser der Wiesent: Der Faktencheck

© Foto: Patrick Schroll

Tierquälerei. So hatte der Ebermannstädter Stadtrat Bernhard Hübschmann (NLE) das bezeichnet, was im Sommer entlang der Wiesent passiert ist. Niedrigwasser hatte zu einer angespannten Situation geführt: im Wasser für die Fische und an Land zwischen den Menschen in der Stadt. Fragen an die Betroffenen und die Antworten dazu:

Warum ist es im Sommer zu einem bedrohlich niedrigen Wasserstand gekommen?

Zunächst war es der rechte Wiesentarm, in dem im Frühjahr lediglich ein Rinnsaal übrig blieb, weil die Turbine der Herbstmühle über mehrere Wochen repariert worden war. Im Zeitraum Juli ist es am linken Wiesentarm zu Niedrigwasser gekommen. Die Wiesent ist unter die Marke von 50 Zentimetern gefallen. Hans Hemmerlein, Leiter des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes (WWA) Kronach führt das auf die Trockenheit vom Vorjahr zurück, die noch immer ihre Auswirkungen zeige. "Das ist nicht nur in Ebermannstadt, sondern auch andernorts der Fall." NLE-Stadtrat Bernhard Hübschmann sah in einer Stadtratssitzung aber auch ein "hausgemachtes Problem".

Das Wiesentwasser fließt durch zwei Kraftwerke, die von privaten Eigentümern betrieben werden. Sie "beeinflussten" den Wasserstand laut Hübschmann, ließen für den Gewinn von Kilowattstunden mehr Wasser durchlaufen, als es dem Fluss zuträglich sei, so sein Argument. "Tierschutz muss vor Stromerzeugung gehen", sagte er. Hemmerlein vom Wasserwirtschaftsamt sieht das anders. "Die Kraftwerksbetreiber versuchen, rechtliche Vorgaben einzuhalten." Dazu zählt eine Mindesthöhe beim Pegelstand. "Nachdem was bei uns aktenkundig ist, haben sie diese rechtlichen Vorgaben erfüllt", so Hemmerlein.

Weshalb ist ein Mindestpegel wichtig?

Es geht darum, die im Wasser lebenden Fische und Kleinlebewesen zu schützen. Darauf machte Annegret Bieler vom WWA die Stadträte aufmerksam. Auf einen touristischen Nebeneffekt verwies Stadtrat Hübschmann. Bei zu niedrigem Wasser drehe sich das Wasserrad auf Höhe der "Chantonnay-Promenade" nicht. Das ergebe kein schönes Bild.

Warum hat es infolge des Niedrigwassers in der Stadt übel gerochen?

Laut Bürgermeisterin Christiane Meyer (NLE) haben sich Bürger über einen unangenehmen Geruch beschwert. Er kam von Algen, die auf Steinen eine Heimat gefunden haben. Durch das Niedrigwasser sind die Algen an die Oberfläche geraten. Kommen sie mit der Luft in Kontakt, verströmen sie vorübergehend ihren Geruch.

Die Stadt wollte sich das Fischereirecht am linken Wiesentarm sichern, sieht in ihm ein "wesentliches städtebauliches Element". Was hatte die Stadt mit dem Bereich vor?

Die Stadt wollte das Vorkaufsrecht ausüben, als bekannt wurde, dass ein Privatmann das Recht kaufte. Ziel der Stadt: "Im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zur Verbesserung des Flussökosystems und der Lebensbedingungen für die heimische Flora und Fauna beizutragen." Das sagt Bauamtsleiter Herbert Bloß. Gleichzeitig wollte die Stadt einen "wichtigen Grünzug" städtebaulich entwickeln. Das Gebiet wolle man "mit seiner sehr hohen Aufenthaltsqualität erhalten". Bloß spricht von einem "Naturerleben mitten in einer Stadt".

Welche Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger verspricht sich Ebermannstadt, wenn die Stadt den linken Wiesentarm städtebaulich entwickeln könnte?

Biber, Wasseramsel, Eisvogel oder die Bisamratte lassen sich hier in ihrem Alltag erleben, so Bloß. "Gerade in den heißen Sommern werden Grünzüge und Gewässer in den Städten immer wichtiger, um das Mikroklima zu beeinflussen." Die Stadt plante, die Aufenthalts- und Lebensräume zu erhalten. Als alleiniger Eigentümer sei das einfacher, als sich mit einem Dritten, der eventuell andere Vorstellungen habe, auseinanderzusetzen.

Worin sieht die Stadt Probleme, wenn das Fischereirecht in privater Hand ist?

"In der Regel steht bei einem privaten Eigentümer eher der wirtschaftliche Aspekt beziehungsweise die Freizeitnutzung des Gewässers im Vordergrund und damit das Recht, es nach seinen Vorstellungen zu nutzen", so Bloß. Dies könne im Konflikt mit den Anforderungen von Naturschutz und Landschaftspflege stehen. Eine Nachfrage der NN beim Eigentümer der Herbstmühle, wie ein Fischsterben künftig vermieden werden könne, blieb wiederholt unbeantwortet.

Die Stadt veranstaltete einen Runden Tisch mit Fischern, Naturschützern, Wasserwirtschaftsamt und Kraftwerksbetreiber, um in Zukunft Niedrigwasser zu vermeiden. Wie geht es jetzt weiter?

"Alle wollen eine Verbesserung der Situation", fasst WWA-Leiter Hemmerlein zusammen. Im Notfall solle eine bestimmte Wassermenge so verteilt werden, damit sie für alle Belange (Tiere, Umwelt, Kraftwerksbetreiber) ausreiche. Das WWA strebe an, gegebenenfalls bautechnisch einzugreifen. Hemmerlein betont, dass dies nur im Einverständnis mit den Privatbesitzern funktioniere. Hierzu gebe es bereits erste positive Rückmeldungen.

Welche Flächen sind bereits im Besitz der Stadt?

Laut Bloß sei die Stadt bereits Eigentümerin des Fischrechts flussaufwärts, vom Streichwehr bis zum Freibad. Mit dem Vorhaben, auch die "zahlreichen kleinen privaten Fischereirechte" in die öffentliche Hand bekommen, hätte die Stadt eine zusammenhängende Uferlänge von mindestens zwei Kilometern entwickeln können. Erst ab dieser Länge, so sagen es Experten, zeigten Maßnahmen zur Gewässerentwicklung nachhaltige Wirkung.

Welche Maßnahmen waren geplant?

Die Population heimischer Fischarten zu stabilisieren, beispielsweise durch "einen ganzjährigen Verzicht auf Befischung von bestimmten Fischarten" wie beispielsweise Äsche.

Woran ist der Kauf gescheitert?

Dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen, die von der Stadt und die vom Landratsamt – der dort angesiedelten und zuständigen Unteren Naturschutzbehörde hatte die Stadt den Stadtratsbeschluss weitergeleitet. Die Ansichten kurz zusammengefasst: Das Landratsamt sagt, die Stadt auf die ablaufende Frist zur Ausübung des Vorkaufsrecht aufmerksam gemacht zu haben. Eine Bitte der Stadtverwaltung, die Frist zu verlängern, musste aus gesetzlichen Gründen abgelehnt werden.

Knackpunkt laut dem Amt: die naturrechtliche Begründung, warum die Stadt und letztlich nicht ein Privatmann die Rechte kaufen sollte, kam zu kurzfristig, um sie zu prüfen. Ebermannstadts Bürgermeisterin Christiane Meyer (NLE) sieht indes die Untere Naturschutzbehörde als Fachbehörde in der Pflicht. Sie kritisiert, dass die Stadt erst sechs Wochen nach dem Kauf durch einen Privatmann von der Sache informiert worden sei, seitdem und in der Zwischenzeit bereits die Frist gelaufen sei. Für Meyer trägt demnach das Landratsamt die Verantwortung für die gescheiterte Ausübung des Vorkaufsrechts.

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