Der Klang, der Ritterfrauen erbeben ließ

12.6.2004, 00:00 Uhr
Der Klang, der Ritterfrauen erbeben ließ

© Gräßer

Da es gewitterte und goss, musste das sechsköpfige Ensemble „Nimmersêlich“ vom Innenhof der Kaiserpfalz in den Rathaussaal umziehen. Aber auch dort stimmte das Ambiente und das wirklich große Publikum hatte seine Freude an dem „sumer zeitt“ überschriebenen Programm. Mittelalterliche Tänze, Frühlings- und Sommerlieder versetzten in die Zeit der Minnesänger, der provenzalischen Troubadours und nordfranzösischen Trouvères.

„En mai quant li rossignolet“, das Lied der Nachtigall im Mai, hätte man dank der Wolkenbrüche draußen auch als „Regentropfen-Prélude“ deuten können. Die Eröffnungsnummer stammte aber nicht von Chopin, sondern der Dichtermusiker Colin Muset hatte es um 1230 zu Pergament gebracht. Kathrin Kläber und Viola Hänsel sangen im Duett, Robert Schuchardt begleitete auf der Quinterne, einem Vorläufer der Laute, die wiederum Martin Uhlig zupfte, während Sebastian Gomon auf der Schellentrommel für das rhythmische Fundament sorgte.

Instrumente nachgebaut

Die Leipziger Musiker haben sich zum Ziel gesetzt, einen möglichst authentischen Eindruck von der abendländischen Musik im 13. bis 15. Jahrhundert zu vermitteln. Darum spielen sie auf Nachbauten historischer Instrumente und schreiben sich aus alten Liederbüchern und Fragmenten ihre Arrangements. Die durchaus mögliche Nähe zum Original wird noch durch die Kleidung verstärkt: Männer wie Frauen sind in lange bunte Gewänder gehüllt, tragen Sandalen oder gehen barfuß.

Von Stück zu Stück wechselt die Besetzung, die ganze Vielfalt der mittelalterlichen Musik wird auf anschauliche Weise transparent. So wechselte Gomon zwischen diversen Hand- und Armtrommeln, griff auch mal zu Schlegeln und schnallte sich eine große Trommel um. Zwischendurch erläuterte er die Lieder und das ungewohnte Instrumentarium.

Zu den Höhepunkten im ersten Teil zählte gewiss die schlichte „Dansse Real“, ein anonymer Tanz aus dem Frankreich des 13. Jahrhunderts, der hier als Solo für Katharina Hölzel daherkam. Mit links spielte sie auf der Einhandflöte, in der rechten Hand begleitete sie die Melodie auf einer mit Stöckchen geschlagenen Trommel. Leider war nach etwa einer Minute und 17 Sekunden der harmonische Zauber schon vorbei. So lange dauert das Stück auf der ersten Nimmersêlich-CD, deren von der Produktionsfirma bislang gewährten Vorabexemplare sich sehr gut verkauften.

Im Folgenden, ebenfalls aus Frankreich stammenden und anonymen Stück wechselte Hölzel zur Pommer, einem Vorläufer der Oboe, mit angenehm näselndem Ton. Hänsel hingegen spielte hier auf dem Portativ: „Es sieht aus wie eine Orgel, es klingt wie eine Orgel, es ist eine Orgel“, erläuterte Gomon. Nur, dass man sie eben, wie der Name sagt, tragen kann.

Schuchardt gefiel hier mit einem Solo auf der Drehleier, einem bei uns so gut wie vergessenen Instrument, das aber beispielsweise in Schottland noch populär ist.

Das Konzert wurde eifrig beklatscht, und so durften auch zwei Zugaben nicht ausbleiben. Die meisten Darbietungen kreisten um die Liebe, genauer die mittelalterliche Minne. Nachdem im ersten anzüglichen Encore der Sittenverfall gefeiert worden war, gab es zum finalen Ausklang und Ausgleich ein Marienlied für das Seelenheil. Auch hier wiederum glänzte Katharina Hölzel mit quicklebendigem Flötenspiel. JÜRGEN GRÄSSER