Diagnose am Monitor: Zur Videosprechstunde mit dem Arzt

11.6.2021, 05:27 Uhr
Diagnose am Monitor: Zur Videosprechstunde mit dem Arzt

© Foto: Eduard Weigert

Dank Corona verlagerten sich nicht nur geschäftliche Meetings, sondern auch ärztliche Sprechstunden in den digitalen Raum: Seit im Frühjahr 2020 aufgrund der Ansteckungsgefahr in einigen Bundesländern ein Kontaktverbot galt, wurde die Begrenzung auf 20 Prozent Digitalanteil aufgehoben, vorausgesetzt, der Arzt kannte den Patienten. 

"Die Pandemie hat gezeigt, dass das Interesse an Videosprechstunden deutlich gestiegen ist", sagt Dr. Anja Schramm, Expertin für digitales Versorgungsmanagement bei der AOK Bayern. Daher bietet die AOK in einem Modellversuch Videosprechstunden an. Patienten benötigen dafür eine stabile Verbindung ins Internet sowie ein Gerät mit Kamera, Mikrofon und Lautsprecher. Damit der Datenschutz gewährleistet ist, muss der Anbieter des Videodienstes besondere Standards erfüllen. So ist sichergestellt, dass alles, was zwischen Arzt und Patient gesprochen wird, tatsächlich vor Lauschern geschützt ist.

In Forchheim entsteht ein digitales Wartezimmer

Vom Onlineportal der Krankenkasse oder von der App "meine AOK" wird der Patient auf die Seite des Videodienstleisters Zava weitergeleitet und muss – wenigstens beim ersten Mal – den Selektivvertrag bestätigen. Zu den momentan möglichen Indikationen gehören Atemwegserkrankungen wie Bronchitis, Asthma oder grippale Infekte, erläutert Dr. Schramm: "Diese Erkrankungen lassen sich in der Regel fallabschließend behandeln." 

Zunächst sind 20 Hausärzte an dem Modellversuch beteiligt. Wer sich als Patient für die Sprechstunde per Video interessiert, kann einen von ihnen wählen und dann den Termin für die Online-Sprechstunde vereinbaren. Zu diesem Termin bekommt der Patient dann einen Einwahlcode via Videodienstleister. Er sollte sich ein paar Minuten vor dem Termin einwählen, seinen vollständigen Namen eintragen und kommt dann zunächst in ein digitales Wartezimmer. Ist er an der Reihe, wird er zur Sprechstunde weitergeleitet. Per Video können sich Arzt und Patient sehen und miteinander unterhalten.

Die Krankschreibung kommt per Post, das Rezept in der E-Variante

Ist eine Krankschreibung nötig, bekommt sie der Patient anschließend per Post geschickt. Rezepte werden als sogenannte E-Rezepte ausgestellt und können von einer Versandapotheke oder von einer der rund 2700 teilnehmenden Apotheken in Bayern eingelöst werden. Stellt sich während der Videosprechstunde heraus, dass eine weitergehende Untersuchung nötig ist, empfiehlt der Arzt dem Patienten, doch die normale Sprechstunde aufzusuchen.

Die AOK Bayern hat sich bei der Entwicklung dieses Modellversuchs am Regelalltag orientiert, erklärt Dr. Anja Schramm. Die teilnehmenden Ärzte sitzen nicht in einem Callcenter, sondern integrieren die Sprechstunde in ihren Praxisalltag. So könnten in der Videosprechstunde beispielsweise Montags von 7 bis 9 Uhr all die Patienten behandelt werden, die zum Beispiel wegen eines Atemwegsinfektes eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung brauchen und somit das Wartezimmer bevölkern.

Video und Präsenz

Einer der teilnehmenden Ärzte ist Dr. Claudio Del Prete aus Forchheim. In der Oberpfalz aufgewachsen, praktiziert Del Prete seit 2007 in Forchheim. Der Mediziner kombiniert die Patienten, die physisch zu ihm kommen und diejenigen, die ihn per Videobild kontaktieren. 

Seit über einem Jahr bietet er neben seinen normalen Sprechstunden auch Videosprechstunden an. Zunächst war es Neugier, "jetzt wird es immer mehr", konstatiert er. Immerhin kamen 2020 zu Jahresbeginn deutlich weniger Patienten in die Praxis, dank Corona. Inzwischen ist die Videosprechstunde bei ihm gut integriert, als Ergänzung und möglicher Blick nach vorne. Jeden Tag bietet er über die ZAVA-App und andere Apps vier Termine an.

"Es sind banale Infekte"

Die meisten Patienten, die sich darüber melden, kann er relativ schnell abhandeln: "Es sind banale Infekte", urteilt der erfahrene Mediziner. Ob beispielsweise eine Erkrankung der Atemwege schwer ist, könne er bereits am Telefon hören: "Ich merke im Gespräch, wie ausgeprägt eine Atemnot ist", urteilt er.

Er sieht die Videosprechstunden nicht als Ersatz, sondern Ergänzung zu den normalen physischen Sprechstunden. So werde die Praxis deutlich entlastet. Auch die an Covid erkrankten Patienten betreute er zu einem Teil regelmäßig per Telefon oder Video. Ging es ihnen schlechter, überwies er sie ins Krankenhaus.

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