Die Fische im Kreis Forchheim kämpfen ums Überleben

22.2.2019, 06:00 Uhr
Kormorane jagen Barben: Über Allgemeinverfügungen, die das Ver- oder Bejagen der Vögel regeln, wird in Bayern versucht, dem großen Hunger der Kormorane Herr zu werden.

© Silvio Heidler Kormorane jagen Barben: Über Allgemeinverfügungen, die das Ver- oder Bejagen der Vögel regeln, wird in Bayern versucht, dem großen Hunger der Kormorane Herr zu werden.

Über 80 Prozent der heimischen Fischarten sind ausgestorben, gelten als bedroht oder zumindest gefährdet: Es sind keine guten Nachrichten, die der jüngste bayerische Fischzustandsbericht zu verkünden hat. Der von der Landesanstalt für Landwirtschaft herausgegebene und in Zusammenarbeit mit den Fischerei-Fachberatungen der bayerischen Bezirke erstellte Bericht listet 75 Fischarten auf, die ursprünglich in den Gewässern des Freistaats vorkamen, 66 sind heute noch vorzufinden.

Auf diesem Zustandsbericht fußt, unter anderem, die neue Rote Liste gefährdeter Fischarten in Bayern, die noch in diesem Jahr veröffentlicht wird (die bisherige stammt aus dem Jahr 2003). 57 Prozent aller heimischen Fischarten stehen auf der Liste von 2003 — jeweils mit unterschiedlichem Gefährdungsstatus, in sechs Stufen beziehungsweise Vorstufen: 0 (= ausgestorben oder verschollen), 1 (= vom Aussterben bedroht), 2 (= stark gefährdet), 3 (= gefährdet), R (= Art extrem selten) und V (= Vorwarnliste).

Gestörte Verhältnisse

Um die 50 heimische Fischarten verzeichnet Oberfranken — noch. Denn egal wie die neue Rote Liste aussehen wird: „Wir haben bei kaum einer Art eine Verbesserung, es ist eher so, dass sich die Probleme erhöhen“, sagt Thomas Speierl, der leitende Fischerei-Fachberater des Bezirkes Oberfranken. „Die Artenvielfalt ist weitgehend konstant, aber die Artenzusammensetzung ist gestört.“

Ein Fischotter mit fangfrischer Beute.

Ein Fischotter mit fangfrischer Beute. © Alexander Horn

Will heißen: Ursprüngliche Artengemeinschaften und Spezialisten werden immer rarer, die Gesamtbestände stagnieren größtenteils auf niedrigem Niveau – oder sinken langsam. „Es ist sogar so“, erklärt der Fischereifachberater, „dass Arten, die wir früher gar nicht im Blick hatten, jetzt ebenso gefährdet sind.“ Ein Beispiel hierfür: die Karausche, genannt Bauernkarpfen. Der Fisch war früher ob seiner geringen Körpergröße ein häufiger, aber nicht gerne gesehener Gast in der Teichwirtschaft und in Flüssen. „Mittlerweile ist er jedoch vom Aussterben bedroht“, sagt Speierl.

Was der Fischzustandsbericht auch klar macht: Der fortpflanzungsfähige Anteil der Bestände sinkt immer weiter. Ob bei Barbe, Hasel, Elritze, Quappe oder der vor allem für das Wiesent-System überaus bedeutsamen Äsche: Die Fische können sich nicht mehr reproduzieren wie einst. Neu auf der Vorwarnliste, praktisch der Vorstufe zur gefährdeten Art, ist auch die Bachforelle.

Die Ursachen für diesen fortschreitenden Überlebenskampf heimischer Fische sind mannigfaltig. Speierl spricht von einem „Paket an Symptomen“, das die Bestände schwächt. Da wäre einerseits die vielerorts fehlende „Durchgängigkeit“ von Flüssen und Bächen, erklärt der Experte: Die Fische schaffen es kaum, alle paar Kilometer menschengemachte Barrieren (wie Dämme, Deiche, Wehre oder Stützschwellen) zu überwinden. „Sie können ihrem natürlichen Wandertrieb nicht nachgehen, erreichen ihre Lebens- und Laichräume nicht.“

Schnell wird so aus einem fließenden Gewässer ein Staubereich – mit gravierenden Folgen: die Wassertemperatur steigt, die Strömung kommt zum Erliegen, Sediment lagert sich ab. Fischarten, die auf eine „freie Welle“ angewiesen sind oder „Substratlaicher“, die ihre Eier an Steine, Hölzer oder Pflanzenblätter anheften, mache man so das (Über-)Leben schwer, sagt Speierl.

Und dann kommt der sogenannte diffuse Sedimenteintrag dazu. Hier lassen sich die sandigen Bodenablagerungen nicht mehr auf einzelne Quellen zurückführen, sondern sind eben „diffuser“ Herkunft – beispielsweise als Folge fortschreitender Flächenversiegelung oder intensiver Landwirtschaft (insbesondere beim Maisanbau). Flüsse und Bäche verschlammen.

Prädatoren schlagen zu

Ein weiterer Faktor, erklärt Friedrich Schmauser, Präsident des oberfränkischen Bezirksfischereiverbands, seien die „Prädatoren“. Da lässt bereits der Klang der Bezeichnung nichts Gutes erahnen: Es handelt sich um Räuber, für die die heimischen Fischarten eine schmackhafte Beute darstellen. Zwei Prädatoren sorgen besonders für Aufregung: Kormoran und Fischotter. „Gerade im Bereich der Wiesent sind Kormorane ein erhebliches Problem“, so Schmauser. Auch Teiche sind von ihnen betroffen. „Wenn man nicht aufpasst, sind die in kürzester Zeit leer gefressen.“

Ironischerweise galt der Kormoran in Mitteleuropa einst als nahezu ausgerottet, ernährt sich der Vogel mit dem markanten Haken am Schnabelende doch fast ausschließlich von Fisch. Er war somit ein Dorn im Auge der Fischer — obwohl diese den geschickten Jäger vereinzelt sogar zum Fischfang abrichteten. Noch bis Ende des 19. Jahrhunderts wurde er systematisch verfolgt und getötet. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts setzte ein Umdenken ein, längst steht der Kormoran unter deutschem und europäischem Artenschutz. Und längst zeigt sich mit der Erholung der Bestände das alte Problem: der Vogel frisst nun mal vor allem Fische.

"Nicht realisierbar"

Davon kann auch der Forchheimer Fischhändler Konrad Karnbaum ein Lied singen: „Wir hatten schon mal Jahre, in denen haben uns Kormorane 90 Prozent der Fische im Weiher weggefressen“, erzählt Karnbaum, der im Stadtnorden in einigen großen Teichen Fische züchtet und sie in seinem Feinkostladen in der Hornschuchallee verkauft. Ein bisschen Schwund sei immer, aber manchmal werde der Verlust durch Prädatoren extrem: „Wenn der Weiher im Winter zugefroren ist, haben wir Glück, wenn nicht, haben wir Pech.“

In seinen Teichen sorgen Prädatoren für Schäden: Konrad Karnbaum.

In seinen Teichen sorgen Prädatoren für Schäden: Konrad Karnbaum. © Roland Huber

Die Fische vor den Vögeln zu schützen, erweist sich praktisch als Ding der Unmöglichkeit: Netze über die verhältnismäßig kleinen Teiche zu spannen, wäre, so Karnbaum, vielleicht theoretisch möglich. „Aber wenn man einen Weiher mit 10.000 Quadratmetern hat, ist das nicht realisierbar.“

Die gleiche Misere hat man seit einigen Jahren mit dem Fischotter (auch wenn der Kreis Forchheim davon noch nicht betroffen ist). Auf den vormals zum Abschuss freigegebenen Marder ist die Jagd seit Ende der 1960er Jahre untersagt. Die Population erholt sich, vor allem durch Otter-Einwanderung aus östlichen Gefilden Europas. Jetzt aber dezimiert er Fischbestände in Niederbayern, der Oberpfalz und im Landkreis Bayreuth mit.

Das Kormoran-Problem, sagt Thomas Speierl, sei mit einem gezielten „Kormoran-Management“ in Bayern mittlerweile gut geregelt, die Population bekäme man beispielsweise durch kontrollierte, genehmigte Bejagung immer besser in den Griff. Ein effektives „Fischotter-Management“ ist aber erst noch im Entstehen begriffen.

Stark bedroht: Äschen.

Stark bedroht: Äschen. © Fachberatung für Fischerei / Bezirk Oberfranken

Ein letzter (und möglicherweise entscheidender) Faktor, der die Fischbestände bedroht, lässt sich wiederum nicht nur durch regionale Maßnahmen angehen: die globale Erderwärmung, der Klimawandel. „Ja, der Rekordsommer 2018 hat allen zu schaffen gemacht“, sagt Schmauser. Auch im Landkreis Forchheim kam es zu Notabfischungen von Teichen, Flüsse und Bäche führten vielerorts bedenklich wenig Wasser, trockneten gar komplett aus. Unter der Oberfläche fehlte sensiblen Arten wie der Forelle wegen der extremen Sonneneinstrahlung buchstäblich die Luft zum Atmen.

Und Reinhard Krug, Vizepräsident des Bezirksfischereiverbands, geht davon aus, dass solche Rekordsommer in Zukunft eher Regel, denn Ausnahme sein werden. Das erschwere die Artenhilfsprogramme des Bezirks und der Verbände, bei denen gefährdete Arten (wie Forelle und Äsche) in betroffenen Gebieten neu angesiedelt werden.

Weniger possierlich

In Zeiten des „Rettet die Bienen!“-Volksbegehrens bleibt die Frage: Und was ist mit den Fischen? Fehlt ihnen die entsprechende Lobby? „Nein, das nicht“, sagt Speierl. „Fischerverbände und Teichgenossenschaften leisten viel Öffentlichkeitsarbeit, um auf den Schutz unserer heimischen Arten aufmerksam zu machen.“ Er verweist dabei auch auf die Veranstaltungen der Lehranstalt für Fischerei in Aufseß.

Allerdings gebe es mit Fischen eben ein „Grund-Dilemma“: „Fische haben einen geringeren Kuschelfaktor.“ Sprich: Fisch-Angelegenheiten spielen sich naturgemäß unter Wasser ab, sind also selten derart sichtbar wie das Treiben von Bienen, Schmetterlingen, Vögeln, Hasen, Igeln und Co. „Fische werden oft nicht richtig und als nicht so wichtig wahrgenommen, weil sie eben kein schönes Lied vom Dach pfeifen, man kann sie nicht streicheln, sie sind manchmal nicht so hübsch anzuschauen wie andere Tiere“, meint Thomas Speierl. „Dabei gibt es unzählige Fischarten mit faszinierenden, wunderschönen Zeichnungen.“

Sie gilt es ebenso zu schützen wie ihre unscheinbareren Verwandten. Denn vor allem aus unserer Natur ist der oberfränkische Fisch nicht wegzudenken.

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